Kapitel 17

113 11 0
                                    


  "Claire? Hey...", ein leises Hauchen drang in meinen Gehörgang, als ich zaghaft und vorsichtig, eigentlich schon zu vorsichtig, als würde ich bei einer schnelleren, gröberen Bewegung, irgendetwas kaputtmachen, meine Hand bewegte. Ich fühlte etwas Weiches unter meinen Fingern, was sich um ein weiteres Mal bestätigte, als ich meine Beine und den Rest meines Körpers, ein Stückchen bewegte. Langsam regte ich meine Lippen, um der Stimme zu antworten, doch ich spürte lediglich das Brummen, welches meinen Mund verließ, und die Trockenheit, die sich auf meinen Lippen niedergelassen hatte.
"Sie ist wach.", vernahm ich wieder diese weiche Stimme, die ich nach und nach meiner besten Freundin zuordnen konnte. Ich war durcheinander, wusste nicht, wo ich war und mit wem sie sprach. Vorsichtig schlug ich meine Augen auf, was mit einem Blinzeln anfing und dem vollkommenen Öffnen endete.
"Cape...", hauchte ich lächelnd und blickte meiner besten Freundin mitten ins Gesicht. Hinter ihr sah ich eine Fensterfront, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. "Wo bin ich?"
"Sie sind zusammengebrochen. Anscheinend hat Ihr Kreislauf die ganzen Trainingseinheiten, die Sie ihm zugemutet haben, nicht verkraftet. Gut, dass der junge Mann sie heute Nacht gefunden hat.", schaltete sich eine andere, ebenso fremde Stimme wie mein gesamtes momentanes Umfeld, ein. Verdutzt blickte ich in die Richtung - ein Mann, Mitte dreißig, in weißem Kittel. Ich war im Krankenhaus. "Ich bin Doktor Meyer, Ihr behandelnder Arzt. Werden Sie erstmal wach, ich schaue später noch mal nach Ihnen.", er nickte mir, und auch Cape, noch ein letztes Mal zu, ehe er sich sein Klemmbrett von meinem Krankenbett nahm, und das Zimmer mit einem dumpfen Türknallen verließ.
"Das musste ja jetzt noch passieren.", mit geballter Faust schlug ich, soweit es meine Kraft es zuließ, auf die weiß bezogene Matratze.
"Willst du nicht viel eher wissen, wer dich gerettet hat?", lächelte mich meine beste Freundin an und überging voll und ganz meine Andeutung an das Vortanzen, welches jetzt nun doch auf dem Spiel stand. Meine Trainerin hatte recht gehabt - ich hätte nicht übertreiben sollen, ganz einfach eine Stufe zurückschrauben sollen. Warum war ich auch nur so ehrgeizig?
"Wer denn?", fragte ich fast schon nebensächlich und war in meinen Gedanken schon längst wieder bei den kommenden Tagen.
"Moment.", mit einem ohrenbetäubendem Geräusch schob sie ihren Stuhl zurück, um das Zimmer zu verlassen. Verdutzt sah ich ihr nach und runzelte die Stirn. Was würde jetzt bitte kommen?
Mein Blick schweifte durch den Raum, hin zu meinem Nachttisch, auf dem sich ein Glas Wasser befand. Wenn ich schon meinen Retter - wie Caprice es nannte - kennenlernen würde, dann sollte ich wenigstens in der Lage sein, um mich bei ihm zu bedanken. Meine Kehle kratzte und auch meine Lippen waren noch nicht wieder feuchter als kurz nach dem Aufwachen. Fast schon gierig leerte ich das Glas in einem Zug, als es zaghaft an der Tür klopft.
"Ja?", bat ich meinen Retter in den Raum und zog mich vorsichtig in eine aufrechtere Position, um nicht allzu unhöflich rüberzukommen.
"Hey.", es war nur die Stimme, die ich hört, als es mir wie Schuppen von meinen Augen fiel. Bill Kaulitz, kurz vor Mitternacht, der Park, in dem unser erstes Treffen stattfand. Mein Retter.
Sofort schnellte mein Kopf hoch, um mich trotz der glasklaren Sache zu überzeugen, als er hilflos im Raum stand und schüchtern seine Hand hob, um eine winkende Geste zu hinterlassen.
"Äh...hi.", stotterte ich eher überrascht als schüchtern und deutete auf den Stuhl neben meinem Bett.
"Wie gehts dir?", fragte er fast schon schüchtern und legte seinen Mantel über die Lehne.
"Ganz okay. Aber sag du mal...was machst du denn noch hier? Es ist mittlerweile morgens, acht Uhr. Du willst mir doch nicht sagen, dass du die ganze Nacht hier im Krankenhaus gesessen hast.", als ich ihn näher betrachtete, schienen mir meine Gedanken gar nicht mal so absurd. Seine Augen sahen müde und glasig aus, unter ihnen befand sich ein dunkler Schatten und auch seine Haare saßen nicht mehr so, wie er sie bei den letzten Begegnungen getragen hatte. Sofort zogen sich meine Augenbrauen fast schon von allein zusammen.
"Doch, ich hab gewartet.", gab er zu und sah sich mit roten Wangen in dem kahlen Raum um.
"Wieso?", irgendwie tat er mir leid, schließlich musste er sich vorkommen, als würde er auf dem Polizeipräsidium sitzen und sich einer Befragung unterziehen müssen. Doch trotzdem wollte ich es eben gerne wissen.
"Ein Danke würde auch reichen, Claire."
"Danke.", grinste ich ihn an. "Also sag schon."
"Ich hab mir Sorgen gemacht.", gab er schließlich zu. "Aber ich denke, das darf ich auch. Hast nicht gerade gesund ausgesehen, wie du da zusammengebrochen bist. Dein Doc meinte auch, dass du froh sein konntest, dass ich dich gefunden habe, sonst wärst du erfroren. So nebenbei erwähnt natürlich nur - will mich ja nicht selber loben.", zwinkerte er mir zu.
"Deine Coolness", ich malte imaginäre Anführungsstriche in die Luft, "hast du aber anscheinend immer noch nicht verloren - trotz Sorgen meine ich natürlich.", zwinkerte ich zurück. Ich wusste, dass er es nicht sofort ganz ablegen konnte, aber das störte mich in dem Moment nicht. Ich war ihm dankbar, was mich alles andere irgendwie vergessen ließ. Alles.
"Die ist mir angewachsen wie anderen ein sechster Finger.", konterte er ein weiteres Mal, was mich zum Lachen brachte.
"Du bist doch doof.", brachte ich hervor, als ich mich wieder auf die Seite legte und ihn beobachtete. Er spielte mit seinem Ring, den er damals im Park in den Händen hielt und als Grund dafür nahm, im Gebüsch zu sitzen.
"Kann ich dich was fragen?", platzte es aus mir heraus.
"Immer."
"Warst du jede Nacht im Park und hast auf mich gewartet?"
"Sonst wäre ich ja kaum diese Nacht da gewesen und hätte dich gefunden, oder?"
Es war Grund genug, erst recht alles zu vergessen. Denn genau das war der Punkt gewesen, an dem ich alles hinter mir ließ, was einmal war; was Vergangenheit war. Man musste Menschen eine zweite Chance geben, da hatte Caprice recht gehabt.
Das Eis war gebrochen. Das spürte ich in seiner Stimme, in seinen Worten und in seinem Blick, wie er mich ansah, als er es aussprach.  

Things never turn out the way you expect!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt