Kapitel 25

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"Hey Carlos, einmal für fünf Personen. Am besten irgendwo weiter hinten.", schnell deutete ich auf Bill und Tom, die beide ihre Käppi ins Gesicht gezogen und noch keinen Zentimeter aufgeblickt hatten. Zwar war die Bar nicht voll, aber trotzdem gab es immer wieder die Gefahr, dass sie erkannt wurden. Dass es die ganze Zeit, in der ich Kontakt mit ihnen hatte, noch nicht dazu gekommen ist, wunderte mich öfter, machte mich auf der anderen Seite aber nur umso glücklicher.

"Geht einfach durch und sucht euch einen Platz aus. Ich bring euch gleich meinen neusten Cocktail - den müsst ihr unbedingt probieren.", zwinkerte er in die Runde.

"Ich komm gleich nach.", rief ich noch hinter den anderen her, als diese sich schon in Bewegung gesetzt hatten und Richtung Sitzecke in der hintersten Ecke verschwanden.

"Jetzt sag mir erstmal richtig hallo.", grinste Carlos mich hinter der Theke her an und kam zu mir hervor.

"Hallo.", murmelte ich nur und streckte ihm die Hand entgegen.

"Du Vogel.", lachte er nur, schlug meine Hand sanft aber bestimmt weg, und schloss mich in seine Arme. "Gibt es was zu feiern oder wieso seid ihr hier? Und wieso so eine gute Laune?"

"Ich fliege nach London und tanze mit den ganz großen aus dem Royal Ballett.", grinste ich bis über beide Ohren. In Gedanken sah ich mich schon wieder in einem prächtigen Kleid auf dem Parkett tanzen.

"Na dann mal herzlichen Glückwunsch.", freute der Barkeeper sich für mich und drückte mir nach einer kurzen Umarmung einen Kuss auf die Wange.

"Danke.", lächelte ich. "Ich würde mich übrigens freuen, wenn du dich später auch ein Weilchen dazugesellen würdest.", pflichtete ich ihm noch bei, ehe ich mich umdrehte, um zu den anderen zu gehen und den Abend beginnen zu lassen.

"Ich wollte euch allen noch einmal danken. Caprice - danke, dass du mich trotz der Stimmungsschwankungen in letzter Zeit", kurz blickte ich zu Bill, damit sie wusste, was ich meinte, "ausgehalten hast. Joel natürlich dafür, dass du mich trotzdem weiterhin begleitet und mit mir trainiert hast. Ohne dich wäre ich nicht so weit gekommen, wie ich es eben bin.", kurz stoppte ich und drehte mich leicht nach links, um dem Menschen zu danken, der mir an diesem Abend am wichtigsten erschien. "Und dir, Bill, dafür, dass du für mich da warst. Dafür, dass du wirklich jeden Tag um Mitternacht in den Park gegangen bist und mich letztendlich gefunden hast. Dafür, dass du mich danach jedes Mal zum Training begleitet und auf mich aufgepasst hast. Ich weiß echt nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.", kurze Stille und Bills Hand, die meine für einen Bruchteil der Sekunde berührte. Ich zuckte zusammen, mein Lächeln verstärkte sich und mein Blick in seine Augen wurde intensiver und tiefer.

"Und was ist mit mir?", rief Tom empört auf und durchbrach somit die harmonische, ruhige und vor allem intensive Stimmung zwischen seinem Bruder und mir. Trotz der doch etwas lauteren Musik und der Gespräche der anderen Gäste, hatte ich in diesem Moment nichts Anderes in meinem Kopf als Bill und die schönen Situationen, die wir in den letzten Wochen miteinander verbringen konnten und durften. Somit ein herzliches Danke an seinen Bruder, der mal wieder ein Feingefühl für den perfekten Moment und die perfekte Zeit hatte.

"Dir danke ich natürlich vor allem für das leckere Essen vom Chinamann, als ich das erste Mal bei euch zu Besuch war. Ach ja und nicht zu vergessen - für den Beistand bei der wirklich widerlichen Regenwasserdusche auf eurer Dachterrasse.", grinste ich und verbeugte mich ein wenig. Tom fing an zu lachen.

"Dafür musst du mir wirklich unglaublich dankbar sein; so pervers abartig das war.", gespielt böse schielte Tom zu Bill, der noch immer seinen Blick auf mich gerichtete hatte. Ich zwinkerte ihm nur zu und hob meinen mittlerweile gebrachten Cocktail.

"Prost.", grinste ich nur in die Runde und nahm einen Schluck von dem orangefarbenen Getränk. Ich musste zugeben, dass er wirklich gut schmeckte und Carlos seine Barkeeperfähigkeiten mal wieder voll und ganz unter Beweis gestellt hatte. Denn auch den anderen schien er zu schmecken, da ich nur in zufriedene Gesichter blicken konnte, als ich den Blick durch die Runde schweifen ließ.

Doch trotz der zufriedenen Gesichter dank des Drinks, entging mit den ganzen Abend über nicht, dass Bill zwar bei der Sache war, jedoch gekünstelt oder gar nicht lachte. Es kam mir so vor, als würde er die ganze Zeit über etwas grübeln, sich Gedanken machen, schon nahezu den Kopf zerbrechen. Ich hatte mir geschworen, mit ihm zu reden, sobald mir auffallen würde, dass sein Verhalten sich nicht verändert hatte. Ich denke, das war ich ihm mehr als schuldig.

"Bill, kommst du mit rauchen? Wir dürfen sicher in den Hinterhof, da ist auch keiner.", flüsterte ich ihm zu, nachdem ich ihn mit einem Anstupsen auf mich aufmerksam gemacht hatte. Ich musste zugeben, dass ich dem Gesetz mehr als dankbar war: Es musste draußen geraucht werden, was das kurze Entkommen mit Bill aus der Bar umso einfacher machte. Wenn ich ehrlich war, hätte ich keinen Funken von Ahnung gehabt, wie ich sonst hier weggekommen wäre, ohne, dass sich alle Blicke auf uns gerichtet und die komplette Aufmerksamkeit uns gegolten hätte.

"Ja, klar.", lächelte er und schnappte sich seine Packung Zigaretten von dem großen, dunklen Tisch vor uns. Lächelnd quetschte ich mich an Tom vorbei und ging vor in Richtung Hinterausgang. Carlos hätte sicher nichts dagegen gehabt, schließlich wusste er, was für einen Promibesuch er heute Abend hatte.

"Hast du Spaß?", fing ich das Gespräch an, nachdem ich meine Zigarette angezündet und einen Zug von ihr genommen hatte. Ich hasste jegliche Art solcher Gespräche und stammelte jedes Mal aufs Neue wie ein kleines, ahnungsloses Kind um den heißen Brei herum.

"Ja, wieso? Sollte ich den nicht haben, oder was?", lachte er auf und pustete den bläulichen Dunst in die kalte Abendluft.

"Doch, doch. Mir kommt es nur so vor, als wenn du keinen Spaß hast und die ganze Zeit über irgendetwas...nachdenkst oder grübelst.", ich wählte meine Worte bedacht, wollte ihn nicht sofort damit konfrontieren, dass ich genau das Gefühl seit der Überbringung meiner Neuigkeiten hatte.

"Hm, vielleicht ein wenig. Aber Spaß habe ich trotzdem.", versuchte er mich zu beruhigen und ließ sich auf einer Treppenstufe, die zu einer mir unbekannten Tür führten, nieder.

"Über was denkst du nach?", wurde ich hellhörig und ergriff sofort die Chance, etwas aus ihm rauszubekommen. "Also falls dus mir sagen willst.", bremste ich mich nach einer kurzen Überlegung.

Kurz lachte er auf. "Ach Claire, versteh mich aber bitte nicht falsch, okay?", zustimmend nickte ich und sofort wurde mir klar, welchen Lauf das Gespräch nehmen würde.

"Ich freue mich wirklich total für dich und ich gönne es dir wirklich von ganzem Herzen-"

"Aber?", unterbrach ich ihn, als er den Ansatz einer kurzen Pause machte.

Things never turn out the way you expect!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt