Kapitel 18

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"Pizza, Couch und einen guten Film?", grinste Bill mich an, als er mir meine Wohnungstür aufhielt und meine Reisetasche schulterte.
"Wenn du die Pizza machst, gerne. Ich würde nämlich erst gerne mal duschen gehen. Drei Tage Krankenhausdusche ist echt nicht so meins.", pflichtete ich ihm bei, während ich meine Jacke über den Haken schmiss und mich gegen die Kommode im Flur lehnte.
"Das verstehe ich. Dann gehst du duschen und ich mache die Pizza. Kommt Caprice auch noch?", ich beobachtete ihn dabei, wie er sich auszog und seine Jacke über meine an der Garderobe hing. Seine Bewegungen kamen mir so elegant und unbeschwert vor. Als müsste er keine Kräfte für sein Handeln aufbringen.
"Claire?", lachte er und wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.
"Äh, ja? Also...ähm, ich meine nein. Sie wollte mit Joel Essen gehen.", völlig außer mir versuchte ich meinen Tagtraum, in dem ich Bill peinlicherweise angestarrt haben muss, zu überspielen. Schnell schnappte ich mir meine Tasche und bewegte mich in Richtung Zimmer. "Im Kühlschrank ist alles, was du brauchst. Also ich gehe doch davon aus, dass wir selbstgemachte Pizza bevorzugen, oder nicht?"
"Ach selbstgemachte Pizza auch noch? Dann ist mir klar, wieso ich derweil schon mal anfangen soll.", grinste er mich durchschauend an, was mich nur zu einem unsicheren Lächeln brachte. "Aber ist schon okay. Dieser Fraß im Krankenhaus ist echt nicht zumutbar, also wird es echt Zeit, dass du vom Essen des 5 Sterne-Koches kosten darfst.", witzelte er rum. Kopfschüttelnd und ebenfalls lachend drehte ich mich um und verschwand nun voll und ganz in meinem Zimmer, um meine Tasche auszusortieren und mich letztendlich endlich unter meine heimische Dusche zu stellen.
Als ich den Hahn aufdrehte und die warmen, fast schon heißen Wassertropfen auf meine kalte Haut prasselten, entlockte es mir ein Seufzen. Es tat gut, endlich wieder ausgiebig und in den eigenen vier Wänden duschen zu können. Wenn ich an die Duschen im Krankenhaus zurückdachte, überkam mich eine Gänsehaut.
Ich hatte Krankenhäuser noch nie gemocht, mir wurde schon schlecht, wenn ich nur eins sah, und war umso glücklicher, dass ich endlich wieder zu Hause war. Zwar war Bill jeden Tag bei mir, von morgens bis abends, und hat mir wirklich meine Zeit versüßt, doch trotzdem waren die Nächte in diesem sterilen Zimmer das Schlimmste.
Moment...hatte ich versüßt gesagt? Er hatte mir den Tag natürlich nicht versüßt, sondern...schmackhafter gemacht. Mir war nicht mehr so langweilig und überhaupt war ich nicht mehr alleine. Er tat mir einzig und allein gut. Außerdem musste ich zugeben, dass wir uns wirklich immer besser verstanden. Das erste Gespräch hatte das Eis gebrochen, er war den ganzen Tag bei mir, besorgte uns vom Chinesen etwas zum Essen, wir unterhielten uns lange und tiefgründig und nach und nach bauten wir in den Tagen etwas auf, von dem ich nie gedacht hätte, dass es jemals existieren würde. Obgleich ich niemals gedacht hätte, dass ich mich jemals wieder mit diesem jungen Mann unterhalten würde.

Als ich mich soweit wieder von meiner geliebten Dusche trennen konnte und mich fertig angezogen hatte, ging ich mit einem Handtuch auf dem Kopf, in dem meine nassen Haare eingewickelt waren, in die Küche, aus der laute Musik, begleitet von Bills Stimme, dröhnte.
"Haaaalloooo.", rief ich, um eben diese zu übertönen und setzte mich auf einen Barhocker, um über den Tresen hinweg Bill dabei zu beobachten, wie er den Teig mit Tomatensoße bestrich.
"Oh, hi.", erschrocken fuhr er hoch, hetzte zum Radio, um es leiser zu stellen und strich sich einmal durch sein schwarzes Haar. "Das ging ja schnell.", lächelte er peinlich berührt und versuchte die gesamte Situation mit dem einfachen Weiterbestreichen des Teiges zu überspielen.
"Dir muss das Singen nicht peinlich sein. Schließlich kannst du es ja.", lachte ich und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab.
"Ist es mir auch gar nicht.", wank er ab und fing an, die Pizza mit Schinken zu belegen.
"Tu nicht so.", blieb ich hart. "Welche DVD hast du dir ausgesucht?", wechselte ich trotz dessen das Thema, um seinen Kopf nicht vollends zum Platzen zu bringen - schließlich reichte es, wenn er aussah, als hätte er sein Gesicht mit dem Rest der Tomatensoße eingerieben.
"Noch keine. Hast du einen Vorschlag?", sichtlich erleichtert sah er mich an und ließ seine Arbeit einen Moment ruhen.
"Ja. Klang des Herzen finde ich persönlich sehr gut. Da geht es auch nicht nur um Liebesgesülze, sondern auch um Musik.", zwinkerte ich ihm zu und lief zum DVD-Regal, um ihm kurz darauf die Hülle zu geben. "Lies dir das hinten mal durch."
Während er sich den Text aufmerksam durchlas, übernahm ich seine Arbeit. Er schien den Text schon nahezu zu studieren, da er gefühlte fünf Minuten brauchte, bis er sich dazu entschied ihn mit mir anzusehen.
"War noch nie gut im Schnelllesen. Jedes Mal, wenn ich früher in der Schule laut lesen sollte, ging ein richtiges Raunen durch den Klassenraum.", witzelte er und piekte mir in die Seite, um mich von seinem eigentlichen Arbeitsplatz zu verscheuchen. Kopfschüttelnd und lachend ging ich wieder zurück zu meinem Ausgangsplatz und nahm derweil mein Handtuch vom Kopf, um meine Haare lufttrocknen zu lassen.
"Sag mal, wie sieht es jetzt eigentlich mit dem Training aus?", durchbrach Bill die Stille und ließ ihr keine Chance, uns nicht einmal für ein paar Sekunden in Besitz zu nehmen. Es war das erste Mal, dass ich nach meinem Zusammenbruch mit dem Training konfrontiert wurde.
"Ich bin auf Entzug. Man kann es mit einem Drogenabhängigen, der eine Woche nichts konsumiert hat, vergleichen.", spielte ich theatralisch die Wehleidige und verzog mein Gesicht schmerzhaft, hielt meine zitternden Finger vor seine Nase.
"Oh ja, man sieht es dir an.", lachte er und sah mich bemitleidend an. "Aber mal im Ernst - was hast du vor?"
"Ich weiß es nicht. Ich will auf jeden Fall vortanzen und ich will es dieses Mal auch wirklich schaffen. Ich denke, dass ich mich morgen mit Joel zusammensetzen und Kontakt zu meiner Trainerin aufnehmen werde. Ob ich gleich morgen wieder anfange zu trainieren weiß ich noch nicht, das entscheide ich dann spontan."
"Versprichst du mir dann was?", fragte er, als er nebenbei das Backblech mit der Pizza in den Ofen schob.
"Was denn?", fragend sah ich ihn an.
"Dass ich dich zu jedem Training begleiten darf.", lächelnd nickte ich. Irgendetwas regte sich in mir. Es fühlte sich so neu an, doch trotzdem schob ich es in den Hintergrund und versuchte es zu ignorieren.

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