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CHAPTER ONE

Wann würden meine Eltern, meine Geschwister und meine Freunde merken dass ich nicht mehr kann? Jeden Tag quälte ich mich und gab vor jemand zu sein der ich nicht war. Nicht mehr. Jeder andere an meiner Stelle hätte dem ganzen schon ein Ende gesetzt. Sein Leid beendet. Aber den Mut dazu hatte ich nicht. So erbärmlich. Ich lebte mein Leben im Grunde so wie ich es lebte für meine Eltern, meine Freunde. Wegen meiner Familie. So ist es am besten. Anders würde es nur Fragen hervorholen. Fragen die selbst ich nicht beantworten kann. Die Wahrheit. Ich legte früher sehr viel auf Ehrlichkeit und war nun selbst der größte Lügner auf Erden. Ich ekelte mich selbst an. Tat man etwas Unverzeihliches sollte man dafür büßen. Ich wollte nicht, denn am Ende sah ich nur Hass. Hass mir gegen über. Jeder würde mich hassen. Und das würde ich nicht aushalten.

„Mister Kim! Konzentrieren Sie sich. Das werden Sie in Zukunft noch gebrauchen!" Die schrille Stimme meiner Mathelehrerin riss mich aus den Gedanken. Im selben Moment ertönte auch schon die Schulglocke. Wie von der Tarantel gestochen warf ich all meine Sachen in meinen Rucksack und flüchtete förmlich aus dem Klassenraum.

„Tae!", gekonnt ignorierte ich Jimin. Er gehörte zwar zu meinen besten Freunden aber ich wollte im Moment allein sein. Eigentlich musste ich zu meinem Spind. Jedoch würden dort wahrscheinlich schon die anderen warten. Seit neustem kamen meine Freunde auf die Idee dass wir 24/7 miteinander Zeit verbringen sollten. Mir konnten sie nichts vor machen. Jeder von ihnen wollte wissen weshalb ich so abweisend bin. Lieber war ich abweisend zu ihnen, als das sie mich hassten. Anfangs war mir nicht klar weshalb sie so aufdringlich waren bis Yoongi der Kragen platzte und alles ausplauderte. Seitdem hatte ich mich nur noch mehr von ihnen distanziert.

Wir hatten Große Pause. Die anderen würden wie immer auf dem Parkplatz neben der Sporthalle sein. Unser Standardplatz. Immerhin sahen wir uns alle nur in den Pausen. Jungkook war unter unserer Stufe. Jimin und ich sind in derselben Klasse. Hoseok, Namjoon und Yoongi gehen in dieselbe Klasse. Jin hat schon seinen Abschluss, kommt allerdings trotzdem vorbei. Gemeinsam waren wir eine Art Clique. In der ganzen Zeit hatte ich mich nirgendwo wohler gefühlt als bei ihnen. Egal wo wir waren. Egal ob wir uns das bisschen was wir hatten teilten. Es hatte immer für alle gereicht. Sie waren mein Zuhause. Waren. Sie waren nun die letzten die ich sehen wollte. In den Pausen lief ich immer hinter das Schulgebäude. Hier waren meistens die Raucher der Schule. Da es an unserer Schule verboten war musste man sich verstecken.

Automatisch griff ich in meine Jackentasche und nahm die rote rechteckige Schachtel heraus, nur um festzustellen das sie bald leer war. Ich öffnete sie und zog eine Kippe aus der Schachtel. Meine Hände tasteten nachdem Feuerzeug in meinen Taschen. Kräftig zog ich an der Zigarette und beäugte sie kritisch. Es war schon verdammt witzig wie so ein kleiner Gegenstand einen umbringen kann.

Die graue Rauchwolke die ich ausblies verschmolz mit der Luft. Seufzend schloss ich die Augen und genoss für einen Moment das brennen in meiner Lunge welches durch dieses Rauschmittel entstand.

Ein Räuspern holte mich aus den Gedanken. Kaum hatte ich mich versehen wurde ich mit ins Rektorat geschliffen und auf einen der Stühle gedrückt. Das Gesicht vergrub ich seufzend in den Händen.

„Taehyung?", überrascht sah ich auf. Es waren Namjoon und Yoongi die auch hier saßen. Was die beiden wohl angestellt hatten?

„Was führt dich denn hier her?", fragte nun Namjoon verwundert.

Ich schüttelte nur etwas den Kopf. Allerdings wusste ich auch dass sie sich nicht mit dieser Antwort zufrieden geben würden. Außerdem würde es nur noch mehr Fragen geben. Alles würde auf eine Sache hinauslaufen. Bis jetzt hatte ich es geheim halten können. Das würde sich nun auch nicht ändern.

Ich setzte ein perfekt gefälschtes Lächeln auf und fuhr mir über den Nacken.

„Nicht zum Nachsitzen erschienen." Log ich ohne mit der Wimper zu zucken.

„Deswegen?"

„Hab öfter geschwänzt..", murmelte ich nun. Da kam auch schon die Lehrerin zurück die mich hergebracht hatte.

„Wir haben versucht ihre Eltern zu erreichen Mister Kim. Sie haben nochmal Glück gehabt. Das heißt allerdings nicht dass sie ungestraft bleiben. Immerhin tolerieren wir hier keine Raucher."

Jetzt war es raus. Na vielen Dank, dumme Kuh. Namjoon und Yoongi sahen mich mit großen Augen an. Ich war wohl der letzte von dem man dachte der zu solchen Suchtmitteln griff. Schulterzuckend nahm ich meinen Rucksack und lief aus dem Gebäude, ignorierte die Rufe meiner Freunde. Scheiß doch auf Schule. Wer brauchte das schon. Auf jeden von uns wartete der Tod. Einige früher als andere.

Nach einem 10 minütigen Fußmarsch kam ich bei unserem Haus an. Für einen Moment blieb ich stehen und betrachtete das Haus in dem ich aufwuchs. So viele schöne aber auch unschöne Erinnerungen.

„TaeTae! Was stehst du da rum? Komm schon rein!" Erschrocken wirbelte ich um. Vergebens suchte ich nach der Stimme. Hatte ich es mir nur eingebildet. Doch dann sah ich das mein Bruder aus dem Fenster gebeugt zu mir runter sah.

„Tai! Das ist gefährlich geh wieder rein!" Auch wenn ich keine Angst hatte zu sterben, hatte ich umso größere Angst zu sehen wie meine Familie starb. Und das sah verdammt gefährlich aus. Mit schnellen Schritten ging ich ins Haus und wurde von meiner Mutter begrüßt. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Hatte meine Lehrerin nicht gesagt dass sie niemanden erreicht hatte? Dann sah ich auch schon den Übeltäter. Oder eher gesagt die Übeltäterin. Tamiko. Sie telefonierte.

„Wie war die Schule Taetae?", fragte meine Mum.

„Gut Mum. Sehr gut.", meine Lippen formten sich zu einem eckigen Grinsen. Sie kicherte. Musik in meinen Ohren. Meine Füße trugen mich in mein Zimmer. Meine Tasche warf ich achtlos in eine Ecke und legte mich ins Bett.

Einst hatte ich mir geschworen niemals zu lügen. Doch diesen Schwur hatte ich schon vor langer, sehr langer Zeit gebrochen.

Ich lüge jeden an. Insbesondere mich selbst. Ich hasse mich dafür. Ich habe noch nie jemanden so sehr gehasst wie mich selbst.

decay of the past {taegi}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt