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Thaddeus war nun endlich mit dem Eincremen und dem Saubermachen fertig, sodass wir nun gegenüber auf meinem Bett saßen und uns eisern anschwiegen.
Ich konnte nicht reden und Thaddeus sah nicht so aus als hätte er bald vor, irgendetwas zu sagen.

Ich räusperte mich, damit ich wenigstens auf mich aufmerksam machen konnte. Scheinbar riss ich ihn aus ziemlich tiefen Gedankengängen, denn er erschreckte sich ziemlich und sah sich kurz ein wenig orientierungslos um.

»Was gibt's?«, fragte er dann, als er verstanden hatte, das ich irgendetwas von ihm wollte. Ich zeigte mit meinem Zeigefinger auf meine Brust, bevor ich auf sein Shirt zeigte.

»Es tut mir echt Leid, aber ich hab' kein bisschen verstanden, was du mir sagen wolltest.« Entnervt nahm ich sein Shirt diesmal in die Hand, zeigte darauf und zeigte dann wieder auf meinen noch unbedeckten Oberkörper, auf dem sich mittlerweile eine leichte Gänsehaut abbildete, da mir nicht unbedingt warm war.

»Ach, du willst ein T-Shirt?«, fragte er und sah aus, als hätte er die Erleuchtung seines Lebens. Eifrig nickte ich. Er hatte es verstanden.

Prüfend sah er mich an, bevor er wortlos aufstand und den Raum verließ. Verärgert darüber, dass ich schon wieder in der Schule gefehlt hatte, ließ ich mich in die Kissen fallen. Das konnte doch nicht wahr sein.

Thaddeus brachte alles durcheinander und ließ mich hier nicht einmal annähernd einen Plan finden, den ich täglich strengstens abarbeiten konnte. Er warf direkt alles über Bord, was ich mir nur irgendwie zurecht gelegt hatte. Ich wollte weiterhin täglich fleißig zur Schule gehen und meine Hausaufgaben fein säuberlich erledigen. Und was machte Thaddeus? Er nahm mir ungefähr jede Chance, die ich hatte, um in die Schule zu gehen. Zumindest bis jetzt.

Die Türe öffnete sich wieder und Thaddeus kam mit einem Bündel Wäsche wieder herein. »Also, ich habe dir auch mal einen Pulli mitgebracht, falls du frierst«, meinte er etwas unsicher und sofort verflog mein Hass.

Wie er dort vor der geschlossenen Türe stand und mich ansah und scheinbar auf eine Reaktion wartete, das sah einfach unmenschlich niedlich aus.

Mit einem Daumen nach oben signalisierte ich ihm, dass alles passte und klopfte dann neben mich auf das Bett. Er sollte zu mir kommen, da er so irgendwie zu weit entfernt war.

»Soll ich dir vielleicht beim anziehen helfen? Dann hast du weniger Schmerzen oder so.« Er war nach wie vor total unsicher. Gegen wen hatten sie Thaddeus bitte eingetauscht? Aber der gefiel mir deutlich besser.

Ich nickte einfach nur. »Arme hoch«, wies er mich an und ich gehorchte ihm. Auch wenn die letzten Zentimeter wirklich höllisch weh taten, hielt ich tapfer durch und ließ mir das Shirt über den Kopf ziehen.
Als das endlich hinter mir lag, ließ ich meine Arme erschöpft neben mich fallen.

»Tat es arg weh?« Seine Fürsorge war ja beinahe rührend, wenn mir nicht klar wäre, dass die Welt in spätestens zwei Stunden wieder ganz anders aussah.

»Willst du den Pulli auch noch anziehen?«, fragte er noch, doch ich schüttelte den Kopf. Das war mir dann wirklich zu anstrengend.

Er setzte sich auf die Bettkante -mit Blick zu mir- und kramte kurz in der Tasche seines Hoodies herum. Anschließend hielt er mir einen kleinen Notizblock und einen Stift vor die Nase.

»Ich möchte dich kennen lernen. Weil mir echt Leid tut, was ich dir angetan habe. Ich hoffe, du gibst mir eine zweite Chance.«

Schnaubend sah ich ihn an und riss ihm Block und Stift aus der Hand. »Ich bin sehr verletztlich!«, schrieb ich beinahe aggressiv auf das kleine Papier und hielt es ihm unter die Nase.

Er seufzte einmal, bevor er mich voller Reue anschaute. »Bitte, Ardian. Mir tut mein Verhalten unglaublich Leid. Ich kann das weder kontrollieren, noch steuern. Es passiert einfach.«

Innerlich seufzend beschloss ich, ihm doch eine Chance zu geben. Vielleicht war er doch nicht so übel, wie ich bisher angenommen hatte.

»Was hast du denn für eine "Krankheit", dass du hier gelandet bist?«, fragte ich, da mich das am meisten interessierte.

»Dissoziale Persönlichkeitsstörung«, flüsterte er niedergeschlagen und fuhr sich einmal durch die Haare. Wirklich etwas darunter vorstellen konnte ich mir nicht.

»Was bedeutet das?«, schrieb ich wieder auf meinen Zettel. »Grob gesagt bedeutet das, dass ich nicht gut mit anderen Menschen kann.«

Das machte Sinn.

......
Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Typische Anzeichen sind:
- Verantwortungslosigkeit
- Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
- fehlendes Schuldbewusstsein
- geringes Einfühlungsvermögen
- niedrige Schwelle für aggressives oder gewalttätiges Verhalten
- geringe Frustrationstoleranz
- mangelnde Lernfähigkeit durch Erfahrungen
- Menschen mit dieser PS können zwar Beziehungen eingehen, doch diese sind sehr instabil

Boot camp | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt