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»Was soll das?«, brüllte Taddl. Fragend sah ich ihn an. »Wieso sagst du mir schon wieder ab?«, brüllte er weiter und pfefferte das Deutschbuch auf den Boden. »Mir geht es nicht gut«, hauchte ich fast, was ihn spöttisch auflachen ließ.

»Die Ausrede tischst du mir seit 5 Wochen auf. Langsam wird es lahm. Lena ist seit 5 Wochen tot. Durch dein Geheule wird sie nicht lebendiger. Steh auf, mach weiter und fertig«, schrie er. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Schlag ins Gesicht bekommen. Taddl wusste, wie sehr mich Lenas Brief getroffen hatte. Wie stark sich ihre Worte in meinen Kopf brannten.

In den ersten Wochen hatte er mich noch unterstützt. War immer für mich da, nahm mich in den Arm, hielt mich, wenn ich weinte.

Doch der Wind drehte sich. Er wurde von Tag zu Tag wieder aggressiver und aufbrausender. Wie bei mir schien seine Therapie nicht mehr anzuschlagen. Und ich glaubte, dass ich daran auch Schuld war.

Schau nur, wie du alle in den Ruin treibst! Du hast Lenas Leben auf dem Gewissen. Und bist an Taddls Rückfall Schuld. Hast deine Freunde im Stich gelassen, die genauso um Lena trauern. Du widerlicher Nichtsnutz!

Diese Worten schrie meine Stimme täglich. Ließ mich schrecklich fühlen, machte mich fertig. Abgenommen hatte ich mittlerweile zehn Kilo, da der Appetit ausblieb. Ich hatte keine Kraft zu leben. Wollte nur noch in meinem Bett liegen und weinen.

Und dass Taddl mir nun in den Rücken fiel, das schmerzte mir mehr als alles andere.

Wieder einmal schleppte ich mich zu meiner Therapie. »Hi Ardy. Wie geht's dir heute?«, fragte Lizzy besorgt. »Gut«, antwortete ich knapp. Ich hörte sie seufzen, bevor sie ihre Beine überschlug und auf ihren Notizblock sah. »Schreibst du wenigstens in dein Tagebuch? Denkst du, es hilft dir?«, bohrte sie weiter. Ich nickte nur knapp.

»Ich würde heute gerne eine Methode versuchen, von der ich in einer Online Fortbildung erfahren habe«, fing Lizzy an zu sprechen und griff hinter sich auf ihren Schreibtisch. »Ich möchte, dass du Momente, die dir im Bezug auf Lena einfallen, zeichnest. Ich weiß, du bist ein begnadeter Zeichner und liebst das zeichnen, darum sollst du jetzt alle Emotionen in die Kunst konzentrierst.«

Seufzend nahm ich ihr die Blätter ab. Sie gab mir noch eine Dose mit Buntstiften, bevor sie sich an den Schreibtisch setzte und mich in Ruhe ließ.
Langsam begann ich damit, den Abend aufzuzeichnen, wo wir Uno spielten. Stundenlang lachten wir gemeinsam. Hatten Spaß. Ich gab mir besonders Mühe dabei, ihr breites Lächeln zu betonen und den Fokus auf ihr Gesicht zu legen.

Boot camp | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt