Stocksteif stand er da, war ganz angespannt. Sanft schob er mich von sich weg. »Ardian, ich will von dir nicht geküsst werden, nur weil du jetzt Mitleid empfindest, weil auch ich Gefühle habe, die verletzt werden können«, hauchte er leise und sah auf den Boden. Ich wusste nicht, wo mein Mut herkam, doch ich wollte unter keinen Umständen, dass ich einen anderen Zimmernachbar kriegen würde.
Ich nahm sein Kinn in Zeigefinger und Daumen und drückte seinen Kopf wieder nach oben, zwang ihn somit in meine Augen zu schauen. »Ich mache das nicht aus Mitleid«, stellte ich noch einmal klar und fixierte seine Augen.»Du hast mich wirklich verletzt«, wiederholte er hauchend und sah weg. Seufzend ließ ich sein Gesicht los. »Ich weiß. Ich kann deinen Schmerz verstehen. Und lass' mich dir bitte nochmal sagen, dass es mir wirklich Leid tut. Du kannst mich ignorieren und nie mehr mit mir reden. Aber bitte, bitte such keine andere Bleibe.«
Mit diesen Worten ließ ich ganz von ihm ab und ging herüber zu meinem Bett. Gerade hatte ich es geschafft, mir einzugestehen, dass mir der Kuss gefallen hatte und ich wäre offen für mehr gewesen, wollte es ausprobieren. Und er wies mich zurück. Er hatte das Recht dazu, das änderte aber nichts daran, dass mich diese Zurückweisung verletzte. Stärker, als ich es erwartet hatte.
Ich ging zu meinem Schrank und holte eine lange Hose heraus, bevor ich im Bad verschwand. Im Spiegel konnte ich mein blasses, mittlerweile recht mageres Gesicht sehen. Und ebenso die Tränen, die sich jetzt ihren Weg über meine Wangen bahnten.
-
Thaddeus hatte meine Worte wohl sehr ernst genommen. Seit dem Vorfall vor drei Wochen hatte er nicht einmal meine Existenz mehr wahrgenommen.
Je mehr er mich ignorierte, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass es mich tief verletzte und mir der Kuss vielleicht doch mehr bedeutet hatte, als ich mir eingestehen wollte. Doch meine Angst vor Zurückweisung und körperlicher Gewalt von Thaddeus' Seite hielt mich davon ab, auf ihn zuzugehen. Er wusste es nicht, aber seine Zurückweisung vor drei Wochen hatte mir den Mut genommen. Nie wieder würde ich mich so etwas trauen, wie ich mich vor drei Wochen getraut hatte.
Als ich nach der Schule zurück in die Hütte kam, setzte ich mich sofort an den Tisch, um Hausaufgaben zu machen und mir Lernzettel für die Biologie Klausur zu schreiben. Thaddeus blieb vermutlich länger weg, da er Freunde in unserer Klasse gefunden hatte, mit denen er seitdem täglich etwas machte.
Meine anhaltende und immer schlimmer werdende Depression verhinderte es, dass ich Freunde fand.Als ich auf meine Hausaufgaben schaute, sah ich, dass ich einen Rechtschreibfehler in meinem Aufsatz hatte. Ich wurde wütend auf mich. Ich war bereits am Ende angelangt, konnte es aber nicht ertragen, wenn ein Wort durchgestrichen wurde. Ich nahm alle meine Seiten des Aufsatzes und zerriss sie in alle ihre Einzelheiten, warf sie danach einfach auf den Boden.
Die Wut übernahm meinen Verstand und meinen Körper. Ich konnte weder klar denken noch konnte ich mich beherrschen. Der gesamte Schmerz über Thaddeus' Verhalten verwandelte sich in rasende Wut.
Ich riss meine Bettdecke vom Bett, mein Kissen folgte. Als nächstes richtete sich mein Blick auf mein kleines Regal, auf welchem ein Bild von meiner Mutter, meinem Vater und mir stand, daneben unbedeutende Dekoration. Alles fegte ich vom Regal, trat es anschließend von der Wand. Die Türen unserer Schränke glaubten als nächstes daran und ebenso Thaddeus' Seite des Raumes blieb nicht verschont.
In meiner Wut bemerkte ich nicht, wie Thaddeus in den Raum kam und ihn wieder verließ. Erst als mich einige Hände gewaltsam zurückzogen und mich zu Boden drückte, bemerkte ich die Anwesenheit anderer Personen.
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Boot camp | Tardy
FanfictionWas macht man, wenn man ohne Vorwarnung in ein Erziehungscamp geschickt wird? Ardian weiß es auch nicht. Als er dann noch herausfand, dass er sich eine Bleibe mit dem aggressivsten Jungen des Camps teilen musste, wollte er am liebsten nach Hause. Vo...