»Und? Wie geht es dir?«, fragte Taddl fürsorglich nach, als wir wieder in meinem Zimmer waren. Ich verzog das Gesicht. Es fühlte sich falsch und unangenehm an. Meine Nase schmerzte unglaublich und es kam mir vor, als könnte ich jeden Zentimeter des Schlauches fühlen. »Keine Ahnung, das Gefühl ist sehr gewöhnungsbedürftig«, meinte ich also. Er nickte stumm.
»Wieso hast du es denn so weit kommen lassen?«, fragte er nach einer Zeit der Stille nach. Schnell sah ich in eine andere Richtung. Ich konnte ihn jetzt nicht anschauen. Ich wollte auch nicht darüber sprechen, weshalb ich stumm blieb.
Sanft berührte seine Hand meinen Unterarm. Etwas überrascht drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah ihm in die Augen. »Rede bitte mit mir, Ardy«, hauchte er traurig. »Ich kann aber nicht. Ich weiß nicht wieso, aber ich kann es nicht aussprechen. Vielleicht weil es dumm und so banal ist, dass es kein echter Grund ist, sich so gehen zu lassen«, hauchte ich und eine Träne verließ mein Auge.
Ich war geprägt. Oft, wenn ich mich Menschen geöffnet hatte, haben sie unangebracht reagiert. Immer wieder sagte man zu mir »Das ist doch kein Grund zu heulen, du Memme.« oder »Anderen Menschen geht es viel schlechter als dir.«
Ich glaube nur wenigen war bewusst, was sie damit in einer bereits kaputten Person auslösten. Ich fühlte mich nie ernst genommen. Immer redete man mich oder meine Anliegen klein, obwohl niemand wusste, wie ich mich fühlte. Und doch taten sie so, als würden sie es wissen.»Hör' doch bitte auf, das so runterzuspielen. Ich denke nicht, dass ein Mensch eine Essstörung entwickelt, nur weil man einen schlechten Tag hatte oder einem das Eis runtergefallen ist«, sagte er und sah mich dabei genau an. In diesem Moment brachen alle Dämme und die Tränen begannen unkontrolliert zu fließen. Taddl seufzte traurig, bevor er aufstand und sich zu mir auf die Bettkante setzte, um mich in den Arm zu nehmen. »Man hat mir aber immer gesagt, dass andere schlechter dran sind als ich und ich mich nicht so anstellen soll«, brachte ich nach einiger Zeit stotternd heraus.
Taddl strich mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn hauchte. »Das mag vielleicht stimmen. Aber nur aus einer gewissen Perspektive. Jeder Mensch ist individuell und damit kommt eben auch eine unterschiedliche Toleranz für seelischen Schmerz. Aus meiner Perspektive gäbe es Menschen, die schlimmer dran sind. Wahrscheinlich sogar aus deiner, wenn du daran denkst, dass kleine Kinder sexuell missbraucht werden oder im Krieg ihre Eltern sterben sehen. Aber was kann ein Mensch für seine mentale Gesundheit? Nichts. Du hast dich nicht bewusst dazu entschieden, so krank zu werden. Keiner hat das. Das sind Dinge, die passieren unterbwusst, weil unser Körper nicht weiß, wie er mit der gegebenen Situation umgehen soll. Wenn dir also das nächste Mal jemand sowas sagt, dann denk einfach daran, dass dieser Mensch dumm ist. Er schaut nicht über seinen eigenen Horizont heraus und macht Einschätzungen, die ihm nicht zustehen.«
Schiefend legte ich meine Arme fester um ihn. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber rational zu denken, fiel mir wirklich schwer.
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Boot camp | Tardy
FanfictionWas macht man, wenn man ohne Vorwarnung in ein Erziehungscamp geschickt wird? Ardian weiß es auch nicht. Als er dann noch herausfand, dass er sich eine Bleibe mit dem aggressivsten Jungen des Camps teilen musste, wollte er am liebsten nach Hause. Vo...