Kapitel 5

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Mit einem Ruck hob sich das Flugzeug in die Luft und ich schrie entsetzt auf, woraufhin ich einige vorwurfsvolle Blicke erntete. Das Ding wurde sogar noch schneller und steuerte jetzt steil auf die Wolken zu. Dabei wackelte und ruckelte es ununterbrochen und machte Besorgnis erregende Geräusche, die mir wirklich nicht geheuer waren.

„Nein, ich will nicht“, jammerte ich und umklammerte verzweifelt die tätowierten Unterarme meines Sitznachbarn. „Shhht, kau ein bisschen auf den Pillen herum, das hilft. Und sonst bekommst du noch diesen widerlichen Druck auf den Ohren oder Kopfschmerzen...“, riet er mir und es schien ihn überhaupt nicht zu stören, dass ich mich soeben an seinen Arm geheftet hatte und nicht plante, diesen je wieder loszulassen. Ich tat wie mir gehießen und zerbiss die kleinen, gummiartigen Tabletten, die bitter schmeckten, und schluckte schließlich angestrengt. Wer würde so etwas freiwillig einnehmen?

Angewidert verzog ich das Gesicht und zwang mich, aufzuhören zu quietschen. Keuchend presste ich meinen Kopf gegen den Sitz und wurde nach einigen tiefen Atemzügen allmählich stiller. Es schien, als würden alle Mitreisenden gerade heimlich den Göttern im Himmel danken, dass ich endlich den Mund hielt und ich schämte mich fast für meine kleine Panikattacke. Aber dennoch wollten mir die Bilder von brennenden Flugzeugen nicht aus dem Kopf gehen.

Angestrengt dachte ich über ein potentielles Gesprächsthema nach, mit dem ich den Jungen neben mir bei Laune und mich halbwegs am Leben halten könnte. Mir fiel ein, dass ich noch immer keinen blassen Schimmer hatte, wie er hieß. Peinlich. Mit flammroten Wangen stotterte ich: „Warte... Wie heißt du eigentlich?“ Erstaunt wandte er seinen Kopf zu mir und erwiderte: „Zayn. Ich heiße Zayn.“ Zayn. Was für ein wundervoller Name. Zayn und Casey. Warum denn nicht? Ich wollte ihn ohnehin heiraten, diesen perfekten Jungen mit den perfekten Wangenknochen und perfektem Haar und dem perfekten Lächeln und dem perfekten Musikgeschmack. Zayn und Casey. Wieder einmal machte mein Herz komische Sachen und pochte wild. Bestand die Möglichkeit, dass ich gerade gemeinsam mit der wandelnden Perfektion in einem Flieger saß und drauf und dran war, mich Hals über Kopf in diese zu verlieben? Typisch Casey wäre es jedenfalls. Und bei Zayns Anblick auch nicht undenkbar. Wie schon so häufig erwähnt, war er wunderschön.

„Zayn ist ein eigenartiger Name“, murmelte ich und beobachtete fasziniert die kleinen Schatten, die seine Wimpern auf seine Wangen warfen. „Casey auch“, grinste er. Da musste ich ihm Recht geben. Meine Mutter hatte schon immer dieses außergewöhnliche-Namen-Fetisch gehabt.

Doch obwohl Zayn ein seltsamer Name war, gefiel er mir; er passte perfekt auf den jungen mit den langen Wimpern und denm strahlenden Lächeln, der Joy Division mochte, und freundlich zu fremden Mädchen am Flughafen war.

Er deutete mit seinem perfekten Finger aus dem Flugzeugfensterchen, „Wir sind über den Wolken. Ist das nicht traumhaft?“ Tatsächlich sah diese Welt ganz anders aus. Unten herrschte Schnee(matsch)chaos und trübes Wetter, während hier oben die Sonne den dichten Wolkenteppich beschien und alles in goldenes Licht tauchte. Ich staunte nicht schlecht.

„Die Wolken sehen ja echt aus wie Zuckerwatte!“

„Als Kind wollte ich immer aussteigen und die Wolken berühren... Es ist eine Welt für mich zusammengebrochen, als man mir gesagt hat, dass die eigentlich aus kondensiertem Wasser bestehen“, erzählte er und in seinen Augen lag ein wehmütiger, verträumter Schimmer.

„Toll, mit diesem Satz hast du alle meine Träume zerstört“, scherzte ich und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

"Oh, das tut mir jetzt wirklich leid", spöttelte er und zog eine Augenbraue hoch, was an ihm sehr gut aus. Er sah generell ziemlich gut aus. Nur, um das noch einmal ausdrücklich zu betonen.

Grinsend gab ich zurück: "Mir tut es leid, dass du geboren bist." Und weil ich mich auf einmal mutig und stark fühlte, zeigte ich ihm kess den Mittelfinger.

Diese Pose hielt ich nicht allzu lange aus, da er mich mit seinem Zeigefinger in die Seite piekste, wo ich extrem kitzelig war und ich laut lachend hochschreckte. Wieder zogen wir alle Blicke aus uns, während er mich kitzelte und ich schrie und kicherte wie eine Vierjährige. In einem Anfall aus Übermut piekste ich zurück, doch leider schien er nicht extrem kitzelig zu sein, und die gewünschte Reaktion blieb aus. Ups. Wie ein kleines Kind lachte er mich aus und ihm wurde wohl erst in diesem Moment bewusst, was er gerade getan hatte. Und das trotz „Süße“, seiner Freundin.

Schlagartig änderte sich sein Gesichtsausdruck und er blickte starr aus dem Fenster. Großartig, jetzt war ich anscheinend doch ganz auf mich allein gestellt. Ständig gab das Flugzeug beunruhigende Geräusche von sich und Zayn sah nicht so aus, als würde er jemals wieder ein Wort mit mir wechseln. Zumindest nicht freiwillig. Hin und wieder warf er mir wütende Blicke zu und rückte sogar ein Stückchen von mir weg, um seine plötzlichen Stimmungsschwankungen noch zu verstärken.

Ich bemühte mich, nicht allzu verletzt auszusehen und widmete mich der systematischen Zerstörung meiner Fingernägel. Aggressiv knibbelte ich an der Nagelhaut herum, bis sie aufriss und ein kleiner Tropfen Blut aus der winzigen Wunde austrat. Erst dann registrierte ich überhaupt, was ich da gerade tat. Wie jedes einzelne Mal.

Zum Glück erschien in diesem Moment eine adrett gekleidete Stewardess mit streng zurückgebundenen Haaren und servierte uns beiden ein Getränk unserer Wahl. Zayn fragte nach stillem Wasser und einer Schlafmaske, ich nahm eine Cola und nahm dankbar die kleinen Kopfhörer entgegen, damit ich mir nachher den Film, der auf dem Mini-Bildschirm gezeigt werden würde, ungestört ansehen könnte. Wenn schon Mr. Zahnpastalächeln nicht mehr mit mir sprach, musste ich meiner wachsenden Angst irgendwie anders die Stirn bieten.

Sehr wohl spürte ich seine Blicke auf mir, als ich an der eiskalten Cola in dem Plastikglas nippte, doch ich machte keinerlei Anstalten, mit ihm zu kommunizieren. Er jedoch auch nicht, er sah mich einfach an. Nachdem ich mein ganzes Getränk in winzigen Schlucken ausgetrunken hatte, kramte ich eine Weile in meiner Tasche herum, bis ich meinen heißgeliebten iPod aus einer Seitentasche zog und mir sofort die Kopfhörer ins Ohr stöpselte und einfach auf Play drückte.

Ich zwang mich dazu, nicht an dieses blöde Flugzeug oder Australien, oder Dad, oder Evie, oder John zu denken, erst recht nicht an Zayn, und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück. Die Welt um mich herum verschwamm und laut dröhnten mir die Gitarren in den Ohren. Genau so, wie ich es am liebsten hatte. Laute Musik und leise Welt. Sollte mich dieser Zayn doch ignorieren. Mir doch egal.

23 Stunden - {zayn malik a.u.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt