Kapitel 3

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Ich wirbelte herum und blickte einem Jungen ins Gesicht. Schokoladenbraune Augen fixierten mich sorgenvoll und mir verschlug es regelrecht die Sprache. Hastig wischte ich mir mit dem Handrücken über die Wangen, um nicht allzu verheult auszusehen und schüttelte nur den Kopf. Der Junge sah gut aus. Verdammt gut. Wohingegen ich verlaufenen Eyeliner unter den Augen, eine tropfende Nase und absolute Stummheit zu bieten hatte. Großartig, wirklich. Einige Mae öffnete ich den Mund, schloss ihn aber wieder, da ich nichtz so recht wusste, was ich sagen sollte.

„Was ist denn?“, besorgt musterte er mich. „Ich kann mein scheiß Gate nicht finden“, presste ich hervor und mir gelang es nur unter größtmöglicher Beherrschung, nicht schon wieder in Tränen auszubrechen. Warum verhielt ich mich wie ein Baby, das kam einfach ganz und gar nicht cool?! Sein besorgtes Gesicht verwandelte sich in ein breites Grinsen: „Ich denke, da kann ich helfen. Wo musst du hin?“ Einen Moment sah ich ihn an wie als wäre er ein Engel, den der Himmel geschickt hatte. Was er auf eine gewisse Art auch war – er war zum genau richtigen Zeitpunkt am genau richtigen Ort, außerdem sah er aus wie ein Engel.

Wenn er lachte, war es nicht dieses gekünstelte Lächeln, das man eigentlich einem Fremden entgegenbringen sollte, sondern ein echtes. Wenn auch ein wenig schüchternes. Eine Reihe weißer Zähne blitzte auf und seine Zunge stieß an seine vorderen Schneidezähne, während sich seine Mundwinkel zu den Seiten in dieses riesige Lächeln verwandelten. Fast wie in Zahnpastawerbung. Und er lächelte mit dem ganzen Gesicht, sogar seine Augen schienen zu lächeln. Fasziniert beobachtete ich seine feinen Gesichtszüge und hörte mein eigenes Herz in der Brust hämmern.

Auf einmal fiel mir ein, dass ich ihm noch eine Antwort schuldig war und stammelte: „Äh. Nach Australien.“ „Oh cool, da muss ich nämlich auch hin! Aber ich meinte eigentlich, welches Gate du suchst...“, half er mir und schüttelte amüsiert den Kopf. Ich seufzte: „Also. Ich weiß nicht. 27? Glaube ich.“ Belustigt spöttelte er: „Du scheinst ja auch 'ne richtige Ahnung zu haben, hm?“ Augenblicklich schoss Blut in meine Wangen und ich spürte, wie die Hitze meinen Körper hoch kroch. Mir war das Ganze so peinlich, am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in Luft aufgelöst. Eine Siebzehnjährige, die nicht einmal einen dummen Gang finden kann. Das kam bei attraktiven Jungs bestimmt wahnsinnig gut an. Ha ha. „Hey, das ist kein Grund, seine natürliche Gesichtsfarbe auf fünf Nuancen roter zu ändern, fliegst du das erste Mal?“ Zaghaft nickte ich und errötete -falls das überhaupt möglich war- noch ein wenig mehr. „Komm, ich muss auch in die Richtung, ich bringe dich hin“, bot er mir mit seiner rauhen, tiefen Stimme an und mein Herz machte einen merkwürdigen Hüpfer. Während ich ihm zu meinem Gate folgte, sah ich ihn hin und wieder unauffällig an. Sein Gesicht bedeckten dunkle Bartstoppeln und seine Haare waren schlampig hochgestylt. Was erstaunlich … gut aussah. Um es einfach auszudrücken, er war heiß. Wie ein Model oder so. Vielleicht war er ja eines.

Ob es unangebracht war, ihn danach zu fragen? Ich entschied, dass dem wohl so war und ich besser leise war, da aus meinem Mund meistens nur ziemlicher Unsinn kam. Unsicher kratzte er sich am Kopf und fragte schließlich zögernd: „Und, äh, wie heißt du?“ Wow. Sogar seine Stimme klang so unglaublich heiß, dass ich fast in mich zusammensackte oder auf der Stelle starb oder so. Wie hieß ich eigentlich nochmal? Seine bloße Anwesenheit schien mich wirr im Kopf zu machen. Fieberhaft dachte ich nach, während er mich mit seinen dunkelbraunen Augen beinahe durchbohrte. Unter diesen Bedingungen ließ es sich leider nur sehr schlecht nachdenken.

„Es würde mir leichter fallen, mich an meinen Namen zu erinnern, würdest du mich nicht so anstarren“, rutschte es mir heraus, bevor ich es überhaupt bemerkt hatte und ich schlug mir erschrocken mit der Hand auf den Mund. Wirklich? Hatte ich das gerade wirklich ernsthaft gesagt? Der Junge wirkte erstaunt, dann lächelte er wieder sein umwerfendes Zahnpastawerbung-Lächeln: „E-Entschuldigung. Kommt nicht wieder vor. Ich richte meinen Blick nach vorne, dafür verrätst du mir deinen Namen.“ Ein seltsam hohes Kichern entschlüpfte mir, bevor ich es verhindern konnte, während ich sagte: „Casey. Ich heiße Casey.“ Für einen Moment war es still, wir bogen in eine kleine Halle ab und es schien so, als wären wir angekommen. „das ist dein Gate, Casey“; freundlich sah er mich an, dann wiederholte er den Namen noch einmal leise. „Casey.“ Irgendetwas an ihm machte mich regelrecht wahnsinnig, ob es die Art war, wie er meinen Namen sagte, oder diese übergroße Freundlichkeit oder einfach das Zahnpastalächeln. Dümmlich grinsend starrten wir uns in die Augen.

Aus nächster Nähe war er noch ein Stückchen schöner, er trug ein Joy Divsion Shirt (ich liebte diese Band) und schwarze, enge Hosen. Außerdem hatte er ein Tattoo am rechten Arm. Ich fragte mich nur, was es darstellte... Zu meinem Bedauern kam ich nicht dazu, ihn zu fragen, denn sein Handy klingelte und noch bevor ich dies überhaupt richtig kapiert hatte, meldete er sich auch schon mit „Hi, Süße.“. Oh. Anscheinend hatte er eine Süße. Oh. Zum bestimmt fünften Mal heute spürte ich, wie ich rot wurde. Der Junge machte eine komische, abwinkende Geste, mit der er mir zu verstehen gab, dass er jetzt noch kurz telefonieren ginge und ich nickte und rang mir ein gezwungenes Lächeln ab. Hatte ich gerade wirklich mit einem bereits vergebenen Jungen offensiv geflirtet? Ich konnte es kaum glauben. Wie in einer Schockstarre blieb ich stehen und biss mir auf die Lippe. Mal wieder hatte ich es geschafft: Ich hatte mich zum absoluten Deppen gemacht. Und das innerhalb von nur einer guten halben Stunde.

„Flug Nummer A561 nach Sydney, Australien“, sagte da eine blecherne Stimme und mein Herz begann wie wild zu pochen. Jetzt war es so weit. Meine Reise führte mich nach Australien und es gab keinen Weg zurück. Wohl oder übel musste ich mich jetzt in dieses monströse Ungetüm von einem Flugzeug setzen. In nur 23 Stunden und 30 Minuten würde ich am anderen Ende der Welt landen und meinen Vater wiedersehen. Scheiße.

Ein paar aufgeregte Touristen sprangen aus ihren Plätzen auf, sammelten ihre zahlreichen Kinder ein und drängelten sich an den Schalter. Belustigt beobachtete ich das Treiben und knabberte an meinen Fingernägeln. Waren die wirklich alle zu doof, um zu verstehen, dass es ihnen rein gar nichts brachte, als erste im Flugzeug zu sitzen? Fast schmerzlich stellte ich fest, dass viele es tatsächlich nicht zu bemerken schienen. Als ich an der Reihe war, tackerte ein breitschultriger Mann mein Ticket und glotzte eine Ewigkeit meinen hübschen Reisepass an, dann wies er mit seiner riesigen Pranke auf einen Gang.

Anscheinend schaute ich ziemlich gequält drein, denn die Stewardess, die die Passagiere am Ende des Ganges in Empfang nahm, lächelte mich mitfühlend an und fragte: „Du Arme hast doch nicht etwa Flugangst?“ Ernsthaft? War es nicht offensichtlich? Selbstverständlich hatte ich Angst vorm Fliegen, panische Angst sogar! Verständnisvoll nickte sie (obwohl ich nichts gesagt hatte) und schob mir ein Schokoladenherz, eine Teen Vogue und ein Päckchen mit Baldriantabletten zu. Dann betrat ich das Flugzeug.

23 Stunden - {zayn malik a.u.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt