Kapitel 12

3.9K 239 65
                                    

Noch 15 Stunden und 15 Minuten.

15 Stunden und 15 Minuten, bis ich in Australien landete. Wo wir in diesem Moment waren, wusste ich nicht und ich konnte Zayn nicht fragen, da er schon wieder eingeschlafen war. Er sah bezaubernd aus. Viel zu schön für einen Jungen. Jungen mussten eigentlich nicht bezaubernd aussehen.

Dennoch hatte es definitiv seinen Reiz, wenn sie es denn taten. Leider war er wohl eher die einmalige Ausnahme als die Regel. Sein Kopf lehnte an der kleinen Luke, die liebevoll als Fenster bezeichnet wurde, obwohl sie so beschlagen und schmutzig war, dass man nicht einmal hindurchsehen konnte. Aus Zayns Mund drangen in regelmäßigen Abständen leise, schnarchende Töne, aber so leise, dass sie genauso gut als tiefes Ausatmen hätten durchgehen können. Ich fand Spaß daran, ihn zu beobachten, wie sein Kopf ebenfalls ruckelte, sobald der Flieger ruckelte, und wie er unhörbar schmatzte. Im Schlaf.

Alle zwei Minuten warf ich einen Blick auf die Uhr, die förmlich stillzustehen schien. Der Zeiger kroch um das Uhrenblatt, langsam und gequält.

Seufzend zog ich aus meiner Tasche ein dickes, zerlesenes Buch, Anna Karenina.

Klassisch, kompliziert, mein ultimatives Lieblingsbuch. Es war eine gute Entscheidung gewesen, dieses Buch mitzunehmen, nach ungefähr zwei Minuten hatte ich die Welt um mich herum vergessen und war so völlig in diese fremde Welt eingetaucht, dass ich die Dinge um mich herum kaum noch wahrnahm. Natürlich hatte sich die gute Anna in Wronskij verliebt. Wer hätte das auch nicht?

„Casey Elisabeth Thompson, ich fasse es nicht“, ich fuhr herum und blickte in Zayns etwas verschlafenes Gesicht. „Was?“, fragte ich und wunderte mich insgeheim, woher er meinen vollen Namen wusste. Irgendwo auf meinem Flugticket musste er ihn aufgeschnappt haben, aber dass er sich daran erinnerte, machte mich schon ein bisschen stolz.

Seine Lippen verzogen sich zu dem makellosen Zahnpastalächeln und seine Augen leuchteten auf: „Ich kann es nicht glauben. Du schaffst es, mich auf einer konstanten Basis jede Sekunde des Tages zu überraschen.“

Er sprach in Rätseln, und ich verstand überhaupt nicht, worauf er hinaus wollte. „Anna Karenina?“, er runzelte die Stirn und in seinem Gesicht lag blanke Begeisterung, „Natürlich liest du Klassiker. Ich hätte es wissen müssen.“ Ich schwieg und betrachtete den blauen Teppichboden des Flugzeuges, der hier und da von kleinen Staubflusen bedeckt war, und knabberte an meinem kleinen Finger.

„Nein, wirklich, Casey, du bist so Audrey Hepburn, klassisch, elegant, wunderhübsch, das ist einfach un – fass – bar.“ „Ich bin nicht un – fass – bar“, murmelte ich schüchtern, seinen Ton nachäffend. Doch in meinem Kopf hallten nur seine Worte wider.

Klassisch, elegant, wunderhübsch, klassisch, elegant, wunderhübsch, klassisch, elegant, wunderhübsch …

„Lass mich raten: Du stehst auf Wronskij und würdest ihn auch nicht von der Bettkante stoßen?“ Ich kicherte wegen seiner Wortwahl und fühlte Hitze meinen Hals und meine Wangen hochkriechen. Dann räusperte ich mich und bemühte mich, ernst zu bleiben: „Ich hoffe für dich, du hast das Buch gelesen, und nicht den gnadenlos schlechten Film geguckt?!“ Einen Moment machte sich Fassungslosigkeit bei mir breit, als er mir bestätigte, dass er das Buch tatsächlich gelesen hatte.

Jedoch trotzdem den Film gesehen hatte, weil 'die Hauptdarstellerin heiß' war.

„Aber genug von mir, du schuldest mir noch eine Antwort, Casey, stehst du auf Wronskij?“, sein Grinsen war so breit, zu breit für sein Gesicht. Ich verdrehte die Augen und gab es dann schließlich zu: „Ja. Ich bin ihm nicht abgeneigt. Aber mir tut Karenin so leid. Deshalb unterstütze ich Annas Entscheidungen immer nur … naja, halb.“

„Ich wusste es, ich wusste es!“, rief er in heller Begeisterung und eine Spur zu laut. Strafend sah ihn eine dicke Frau zwei Reihen vor uns an und stieß ein paar Schimpfwörter aus, die ich noch nie zuvor gehört hatte. „Schnauze halten, ihr Analraketen“, grunzte sie und hielt ihren Mittelfinger in unsere Richtung.

Um nicht laut aufzulachen, biss ich mir in die Hand und vermied jeglichen Augenkontakt mit Zayn, der ebenfalls versuchte, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Tränen rannen meine Wangen hinunter und mein Bauch schmerzte, als ich endlich aufhören konnte, zu lachen. Zayn war inzwischen ganz rot angelaufen.

„Dieser Flug wird nur noch besser“, lachte er und sein Anblick ließ mein Herz merkwürdige Sprünge machen.

„Analraketen“, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. „Casey, solche Worte aus deinem Mund?“, neckte er mich und ich streckte ihm auf eine nicht besonders erwachsene oder reife Art die Zunge heraus.

Unser Gespräch schien zu Ende, doch er fand immer einen Punkt, an dem er anknüpfen konnte. „Nun, da ich deine Ansichten zu Anna Karenina, der Beziehung deines Vaters und Flugzeugen kenne, jedoch nicht deine Lieblingsfarbe oder dein Lieblingsessen, warum fangen wir nicht ertmal mit solchen einfachen banalen Dingen an?“

Ich war überrascht. Ihn interessierten doch hoffentlich nicht ernsthaft meine Lieblingsfarbe und mein Lieblingsessen? „Na gut“, begann ich, „Meine Lieblingsfarbe ist schwarz, was wohl unschwer zu erkennen ist.“

Zayn lachte und zuckte die Schultern: „Ich hätte jetzt kein rosa oder so erwartet, aber schwarz? Klar, schwarz ist toll" -er zeigte an sich hinunter, denn er trug selbst nur schwarze Kleidung- "aber es gleich zu seiner Lieblingsfarbe zu machen finde ich äußerst... naja, dreist. Meiner Meinung nach ist die schönste Farbe himmelblau. So wie der Himmel im Sommer, wenn man denn mal Glück hat und es nicht regnet. In Australien hat der Himmel immer diese Farbe. Strahlendes Hellblau mit vereinzelten kleinen Wattewölkchen.“

„Du bist der einzige Junge der Welt, der den Ausdruck Wattewölkchen benutzen würde, glaube ich“, murmelte ich und versuchte noch, nicht allzu begeistert zu klingen.

Sein Grinsen wurde zu breit für sein Gesicht: „Casey, du bist nur das einzige Mädchen, dem so etwas auffallen würde.“

(2014. Waaaassss?!?!?! Ich hoffe ihr habt das beste und erfolgreichste Jahr und erreicht alle eure Ziele. Und selbst wenn nicht, versucht es wenigstens. Vielleicht schafft ihr es, alte Dinge einfach zu vergessen und ganz neu anzufangen. Dieses Jahr ist ein unbeschriebenes Buch mit 365 Seiten. Macht das beste draus :)

23 Stunden - {zayn malik a.u.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt