Kapitel 20

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Schüchtern presste ich die Lippen aufeinander und schwieg. Liebe auf den ersten Blick. "Hast du ... so etwas schon mal erlebt?", fragte ich zaghaft, "Ich meine, ich persönlich habe eigentlich nie daran geglaubt, um ehrlich zu sein." Habe ich nie. Bis jetzt.

Seine Pupillen weiteten sich und er blickte auf den Boden, um Blickkontakt mit mir zu vermeiden. "ich weiß nicht", stammelte er, "Liebe ist ein großes Wort. Wie oft habe ich schon ein Mädchen in der Stadt gesehen, mit ihren Freundinnen, und sie trug tausend Tüten, knabbert abwesend an ihrer Eiswaffel und lacht manchmal über irgendetwas. Das fand ich schön. Aber ist das Liebe? Wohl eher nicht."

"Philosophisch wie eh und je", spöttelte ich und schüttelte ungläubig den Kopf.

Zayn grinste und zuckte mit den Schultern: "Das ist einfach meine Art, schätze ich." Er machte eine Pause und fuhr dann fort: "Um deine Frage zu beantworten, ich glaube, mir ist schon einmal so ein Liebe-auf-den-ersten-Blick-Ding passiert. Vor ein paar Jahren, vielleicht in der neunten Klasse. Meine Lehrerin meinte, wir hätten eine neue Schülerin und schob sie durch die Tür vor die Tafel, sodass sie zum Mittelpunkt unserer aller Aufmerksamkeit wurde. Sie hatte die rötesten roten Haare, die mir je untergekommen sind. Feuerrot und lang, bis zu ihrer Taille. Parson war wirklich wunderschön, sie raubte jedem den Atem, dieses auffällige rote Haar brachte alle um den Verstand. Nachmittags habe ich zuhause immer Bilder von ihr gemalt. Und nachts hin und wieder von ihr geträumt." Sein Lächeln wirkte verklärt und irgendwie so ... fern.

Ein merkwürdiges Stechen meldete sich in meinem Brustkorb und ich biss auf meine Unterlippe. Soeben hatte ich es verstanden. Parson. Auch bekannt unter dem Namen "Süße". Oh. Parson war ihr Name also. Eigentlich ein hübscher Name. Und natürlich war sie wunderschön. Was sonst. Ich bemühte mich, mir nichts von meiner Enttäuschung anmerken zu lassen. Doch er schien in Erinnerungen zu schwelgen.

"Nur noch fünfzig Minuten", flüsterte ich heiser, einerseits, um das Schweigen zu brechen, andererseits, weil ich diesen Themawechsel dringend nötig hatte. Fünfzig Minuten. Das war fast nichts. Das würde schneller vorbeigehen, als ich zwinkern konnte.

"Wirklich?", überrascht sah Zayn mich an, "Die Zeit verging wirklich wie im Flug. Ha-Ha." Ich kicherte über seinen dummen Witz und gab ihm insgeheim recht. Wir hatten fast einen ganzen Tag in diesem Flugzeug verbracht und es war mir nur wie ein paar Stunden vorgekommen. Vielleicht, weil ich einen Großteil der Zeit geschlafen hatte, was ich jetzt bereute: Jede Sekunde mit ihm war so viel wert.

Außerdem wuchs die Angst vor Australien jetzt sekündlich. "Casey, vertrau mir, du wirst es lieben. Immerhin ist Weihnachten. Und dein Dad wird sich sicherlich viel Zeit für dich nehmen", beruhigte Zayn mich, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich schluckte. Hoffentlich hatte er Recht, ich konnte nur beten.

"Dir wünsche ich auch ganz viel Spaß. Mit deinem Dad und so", sagte ich schüchtern. Meine Stimme klang belegt.

Bitter lachte er auf und sah zum Fenster hinaus: "Oh ja, ich werde mich mit meinem Dad wirklich königlich amüsieren. Wird sicher lustig." Dann wurde er seltsam still und starrte vor sich hin.

"Dein Vater hat sich doch bis jetzt immer Zeit für sich genommen", wunderte ich mich, "Das wird er ganz sicher auch jetzt noch tun."

Abwesend nickte Zayn, sah aber nicht überzeugt aus. Ich beschloss, einfach schon wieder das Thema zu wechseln, weil sich im Gespräch mit ihm nahezu jedes Thema als heikles Thema entpuppte, war das aber nicht so einfach.

Und die uns verbleibende Zeit verging schnell. Noch 38 Minuten. Ich biss auf meinem Daumennagel herum. Noch 36 Minuten.

Zayn hatte gräuliche Schatten unter den Augen, dennoch schaffte er es, meinen Puls merklich zu erhöhen. Sein Haar fiel ungestylt und etwas zerzaust auf seine Stirn und in seine Augen, weshalb er es alle paar Sekunden zur Seite strich. Irgendwie schien er sie tief in Gedanken versunken zu sein, dass er nicht einmal bemerkte, dass ich ihn beobachtete, als wäre er ein Tier im Zoo. Nervös brachte er seine Unterlippen zwischen seine Schneidezähne und biss darauf herum.

Schnell senkte ich den Blick.

"Sehr geehrte Damen und Herren, Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe verlassen und beginnen in wenigen Minuten den Anflug auf unseren Zielflughafen. Bitte vergewissern Sie sich, dass Ihr Handgepäck wieder sicher verstaut ist. Schnallen Sie sich wieder an und bringen in Vorbereitung zur Landung Ihre Rückenlehne wieder in die Senkrechte und klappen Ihren Tisch hoch. Vielen Dank, Ihr Kapitän", erschallte eine männliche Stimme blechern aus den Lautsprechern. Jetzt wurde es also ernst.

"Zayn", wimmerte ich, "Bei einer Landung kann nicht viel passieren, richtig?" Nervös rutschte ich auf meinem Sitz hin und her und umklammerte meine Armlehne.

Grinsend bestätigte Zayn, dass eine Landung  wohl kaum die Gefahr barg, dass ich umkommen würde und das ist den schlimmsten Teil sowieso schon überstanden hatte, was mich um einiges erleichterte.

"Willst du näher kommen?", bot er mir an und tippte an die Fensterscheibe.

Entgeistert starrte ich ihn an. Warum sollte ich das tun?

"Die Sonne geht langsam auf und du kannst die Stadt sehen. Siehst du die Kirche dahinten? Saint Georg's. Da musste ich jeden Sonntag hin. Das Haus meines Vaters war direkt nebenan", erklärte er und ich beugte mich nach vorne, um auch einen Blick nach draußen zu erhaschen. Unter der Wolkenschicht, die wir langsam verließen, erstrahlte Perth, schöner als alles, was ich je gesehen hatte.

Überall glitzerte es, Lichter erhellten die Häuserfassaden und hinter uns tauchte die langsam aufgehende Sonne alles in ein violettes Licht.

"Wow", entfuhr es mir und ich lehnte mich noch weiter auf seinen Schoß. Fachmännisch legte er seine Hand um meine Hüfte und hielt mich fest, was das ganze wesentlich bequemer machte. Nur freundschaftlich, rief ich mir in Erinnerung, er hat doch seine Parson und dennoch; er berührte gerade meine Taille.

Ich versuchte nicht allzu breit zu grinsen.  Obwohl das eine äußerst unangenehme Position war, hob ich meinen Kopf und sah ihm direkt in die Augen: "Ich hätte nie gedacht, dass dieser Flug vielleicht der allerschönste Tag meines ganzen Lebenswerden würde. Ehrlich, ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte."

Das berühmte Zahnpastalächeln erhellte sein schönes Gesicht, als er eifrig nickte: "Das war bis jetzt der beste Flug, den ich je hatte, und glaub mir, ich bin schon so oft hierher gekommen! Danke, Casey..."

"Wofür?" Wieso sagte er Danke? Ich hatte schließlich gar nichts gemacht.

"Ach...", begann er zögernd, "Für so viel mehr, als du denkst. Für mehr als mir lieb ist. Einfach für alles, ja?"

(Lalalala Schönen Tag euch allen!! ♥ Voten und Kommentieren nicht vergessen, das freut mich immer total :)

23 Stunden - {zayn malik a.u.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt