Kapitel 16

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„Casey, bist du wach?“, flüsterte Zayn und ich bewegte meinen Kopf minimal, „Ich … brauche deine Hilfe bei einer ganz wichtigen Frage.“ Bei einer wichtigen Frage? Was er wohl meinte? Wieder nickte ich nur und hörte ihm einfach aufmerksam zu. Er schien einen Moment mit sich zu kämpfen und wusste nicht, wie er sein Anliegen in Worte fassen sollte.

Zögernd begann er: „Glaubst du, dass … Nein, ich weiß nicht.“

Aufmunternd stieß ich ihn mit dem Ellbogen in die Seite. „Sag schon. Ich werde dich schon nicht umbringen.“

„Okay“, er atmete tief ein und aus, nahm seinen ganzen Mut zusammen, „Glaubst du an ein Leben nach dem Tod, also, nicht unbedingt bei Gott oder mit pummeligen Engelsknaben in den Lüften, sondern einfach allgemein? Meinst du, da ist irgendetwas, nachdem man gestorben ist?“

Eine Zeit lang sagte ich nichts. Mit einer solchen Frage hatte ich sicherlich nicht gerechnet, noch dazu nicht um diese Zeit unter diesen Umständen, Ich war vollkommen überrumpelt. „Ähm“, machte ich und begann, mir Gedanken zu machen. Gab es ein Leben nach dem Tod?

„Das ist eine ausgesprochen gute Frage“, lautete meine ausweichende Antwort, „Aber ja, ich glaube schon, dass nach dem Leben noch etwas kommt. Irgendetwas mit ganz viel Sonnenschein. Mein Opa pflegte zu sagen 'Der Himmel ist so schön wie Mauritius, nur schöner!' Deshalb sollten wir uns auch keine Sorgen machen, als er vor ein paar Jahren gestorben ist. Er hat sich wahnsinnig darauf gefreut, komisch, nicht?“

Abwesend nickte Zayn und sein Blick schweifte an einen unbestimmten Punkt in die Ferne, als wäre er völlig weltentrückt und tief in Gedanken versunken.

"Danke, dass du da bist, Casey, wirklich, danke“, hauchte er schließlich und verzog schmerzlich das Gesicht. Danke, dass du da bist. Danke, dass du da bist. Danke, dass du da bist.

„Also war die Antwort zufriedenstellend?“, scherzte ich, obwohl meine Hormone gerade verrückt spielten und mein Herz aus meinem Körper zu springen drohte.

„Nein“, gab er zurück, „Irgendwie nicht. Da ist noch mehr, das Ganze ist so viel komplexer, mir geht es einfach nicht aus dem Kopf. Ich habe so unendlich viele Fragen, die niemand zu beantworten weiß. Weil es unmöglich ist, eine passende Antwort zu finden, es gibt keine, es kann keine geben. Verstehst du?

Bist du am Leben, bist du nicht tot. Bist du tot, bist du nicht am Leben. Wenn du tot bist, dann gibt es dein Leben nicht. Nicht mehr. Warum sollte es also Leben nach dem Tod geben? Es spielt keine Rolle mehr! Warum sind Menschen so dumm und naiv und behaupten das?“

Geschockt riss ich meinen Mund auf, um all die Worte herauspurzeln zu lassen, die mir im Kopf herumgingen, doch etwas hielt mich an und brachte mich zum Nachdenken. Seine Worte waren wahr. Auf eine abstrakte, kranke Art und Weise hatte er Recht.

„Weißt du...“, ich stockte und legte mir gedanklich eine möglichst milde Formulierung zurecht, „Was du da sagst, ist sicher nicht falsch, aber ich frage mich, ob du nicht nur verbittert bist, du stellst da eine ziemlich harte Hypothese auf. Wer sagt denn, dass die Seele nicht weiterleben kann, nur, weil Leute sagen, dass die Seele weiterleben kann. Wieso beschäftigt dich das denn so?“

„Ich bin nur so wütend“, presste er keuchend hervor und ich meinte, Tränen in seinen Augenwinkeln schimmern zu sehen, „Warum gibt es keine Antwort, es macht mich noch wahnsinnig!“

Wie sollte man jemanden beruhigen, den eine Frage, auf die es in der Welt keine eindeutige Antwort gab, so heftig aufregte, dass er verzweifelte? Wieder lag ein wehmütiger Ausdruck in seiner Miene und er wand sich im Sitz. Was ging nur hinter dieser Fassade vor sich? Für einen Moment hätte ich alles gegeben, um Gedanken lesen zu können. Es schien fast so, als wäre er sauer … auf sich selbst. Und es macht keinen Sinn, zumindest nicht für mich.

„Meinst du, man kann sich nach dem Tod treffen, angenommen es gäbe danach irgendetwas? Meinst du, Menschen können dann auf die Erde hinabsehen und bei den Menschen sein, die sie lieben? Meinst du, es besteht da noch eine Verbindung zu dieser anderen Welt?“, verzweifelt sah er mich an und ich tätschelte unablässig seine Hand, was einen jämmerlichen Versuch darstellte, ihn zu besänftigen.

Eine kleine Ader an seiner schläfe puckerte ununterbrochen und trat hervor, kleine Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn und seiner Nase und sein Atem ging unregelmäßig und viel zu schnell.

„Du denkst zu viel nach“, wisperte ich und umschlng seine Hand mit meiner, „Ich bin mir ganz sicher, dass es eine Verbindung zwischen diesen verschiedenen Welten gibt, bloß weiß ich nicht, in welcher Form. Du musst niemals Angst vor dem Sterben haben. Das wäre lächerlich.“

Doch in seinem Gesicht lag die blanke Panik und seine Fingernägel gruben sich tief in das Fleisch meiner Handgelenke.

„Sir?“, drang die süße, hohe Stimme einer hübschen, jüngeren Stewardess zu uns, „Sie haben vorhin beim Abendessen geschlafen, aber ich habe Ihnen wenigstens die Kekse aufheben können.“ Mit einem verschwörerischem Zwinkern hielt sie zwei kleine Päckchen hoch und wedelte wild damit in der Luft herum.

Mich überging sie völlig, was mich ein klein wenig wütend machte, und widmete sich ganz Zayn, der sie verwirrt anblinzelte. Mit offenem Mund starrte er sie an (oder mehr durch sie hindurch), als könnte er nicht einordnen, woher die fremde Stimme so plötzlich kam. „Ich hätte Frühstückskekse im Angebot und American Chocolate Chip Cookies“, affektiert lachte sie und klimperte mit ihren dichten Wimpern.

Ich hätte da ein paar Schläge in deine Makeup-Visage im Angebot, dachte ich und erschrak selber über meine Gedanken.

„Er nimmt die Frühstückskekse, bitte“, ich grinste sie süffisant an und setzte, an Zayn gewandt, hinzu, „Das ist ja nett, das die Flugbegleiterinnen heutzutage ihren Beruf so ernst nehmen, nicht wahr, Schatz?“

Sie bedachte mich mit einem gehässigen Augenrollen und verschwand wieder dort, wo sie ursprünglich hergekommen war.

Was war nur in mich gefahren?

„Wofür waren das denn?“, wollte Zayn wissen und drehte die Kekse in seinen Händen. Ich zuckte die Achseln. „Da sind Rosinen drin, und ich bin einfach mal davon ausgegangen, dass du sie magst.“ „Wow … danke", er grinste und riss das Paket auf.

,,Aber eigentlich meinte ich das 'Schatz'.“

23 Stunden - {zayn malik a.u.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt