»Dabei kann dir keiner helfen. Nur du selbst.«

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  »Aufstehen!«, ich schreckte fast schon hoch als die sanfte und trotzdem so durchbrechende Stimme meinen Traum beendete und mich innerhalb weniger Sekunden zurück in die Realität holte. Zurück nach München, zurück zu Oli, zurück zu all dem, was passiert war. »Du verpennst sonst den ganzen Tag.«
Ich schlug vorsichtig die Augen auf, setzte mich auf und band meine Haare automatisch zu einem Dutt zusammen.
»Wie spät ist es denn?«, nuschelte ich und sah zu Oli, der mich grinsend anstarrte.
»Elf Uhr durch.«, sagte er noch immer grinsend und kam zu mir auf das Bett geklettert, als er eine Tüte Brötchen und eine Zeitung neben uns auf die freie Seite der Matratze schmiss. »Du siehst gut aus wenn du nichts an hast.«, hauchte er, als er sich über mich beugte und ich automatisch zurück in die Kissen fiel. Meine Oberweite war durch das Runterrutschen der Decke frei sichtbar und Olis süffisantes Grinsen verriet mir, dass er gerne das weiterführen würde, was wir in der Nacht zuvor begonnen hatten.
»Oli!«, kicherte ich leise und legte meinen Arm um seinen Nacken, als er sich komplett zu mir beugte und anfing, meinen Hals zu küssen. »Ich denke, ich soll aufstehen.«
»Du sollst nur nicht schlafen.«, gab er taff zurück und ließ von mir ab, um mich anzusehen. »Ich finde, wir sollten genau das machen, was wir letzte Nacht angefangen haben. Was meinst du?«
»Du kriegst auch nicht genug, oder?«, ich lachte auf und legte meine Hände auf seine kalten Wangen. Er schien frisch zur Tür reingekommen zu sein.
»Von einer Frau wie dir kann man einfach nicht genug bekommen.«, grinste er siegessicher.
»Oh, oh, hat dir wer beim Brötchen-Holen ins Ohr geflüstert, wie man seinen One-Night-Stand am nächsten Morgen rumkriegt?«, ich lachte noch immer und empfand die Situation als so unglaublich locker und normal, dass ich wirklich vergaß, was in der Nacht vor dem Sex mit Oli passiert war. Dieser Mann, der hier so dominant über mir lag und mir in jeglicher Hinsicht das Wasser reichte, konnte mich selbst das vergessen lassen, das meinem Herzen so wehtat. Er war Medizin – auf seine Art und Weise.
»Ist wohl eher ein More-Night-Stand.«, konterte er wieder so selbstbewusst, dass ich ihn für einen Moment nur bewundernd ansehen konnte. »Und nein, habe ich nicht. Ich weiß halt, wo die richtigen Knöpfe bei einer Frau sind.«, langsam wanderte er mit seiner Hand über meine Brust und unter den Saum der Decke über meinen Bauch und genau in Richtung Intimbereich. Ich versuchte stark zu bleiben, versuchte nicht drauf einzugehen und das Adrenalin, das sich innerhalb in meinem Körper ansammelte und meine Hormone zum Tanzen brachte, zu stoppen.
»Bei mir aber noch nicht. Und das nach so langer Zeit.«, gespielt entspannt lag ich unter ihm, als er anfing mich zu massieren und seine Finger so einzusetzen, dass ich eigentlich nichts anderes lieber getan hätte, als auf seine Berührungen einzugehen und mich ihnen völlig hinzugeben. Aber irgendwie empfand ich es als unpassend. Die Situation war schließlich so unbefangen und locker – wieso konnten wir das nicht mal beibehalten, ohne dass wir im Bett landeten?
»Schläfst du noch?«, Oli sah mich empört an und zog seine Hand unter der Decke hervor. »Oder liegt es an der sonst so goldenen Hand?«, er musterte seine Hand skeptisch, als er seine Finger hin und her bewegte und sie anscheinend einem kurzen Funktionstest unterzog.
»Du bist der größte Spinner, dem ich je über den Weg gelaufen bin!«, ich lachte, schlug ihm gegen die Hand und brachte ihn dazu, dass er sich von mir runter rollte und sich neben mich in die Kissen legte.
»Anscheinend macht dir das aber gute Laune.«, gab er nur zufrieden zurück.
»Das stimmt. Und das Schokocroissant, das du mir hoffentlich mitgebracht hast, wird mir noch bessere Laune machen!«, schwungvoll setzte ich mich auf, zog die Decke eng an meinen Körper, um Oli nicht auf blöde Gedanken zu bringen und griff nach der Brötchentüte am Bettende. Sofort stieg mir der Geruch von frisch Gebackenem in die Nase und auch wenn es keinen Kaffee oder O-Saft gab, war dieses Frühstück für den Moment einfach perfekt.
»Frische Croissants sind einfach das Beste!«, gab ich ihm kauend und mit vollem Mund zu verstehen, während er mir monoton über meine nackte Schulter strich und lässig, den anderen Arm unter dem Kopf verschränkt, neben mir lag.
»Dazu noch die Bild-Zeitung und alles ist perfekt.«, gab er sarkastisch zurück und brachte mich dazu, mit der freien Hand nach dem Klatsch-Blatt zu greifen. Die Druckerschwärze schien fast so frisch zu sein wie das Croissant in meiner Hand, dass ich für einen Moment Angst hatte, die weiße Bettwäsche zu versauen. Umständlich und die Zeitung für ihre Größe hassend, legte ich sie so vor mich hin, dass ich freien Blick auf die Titelseite hatte. Nackte Brüste sprangen mir entgegen, das Bild-Häschen wurde neu gewählt, eine kleine Anzeige ließ verlauten, was unter der Prominenz in Film und Fernsehen los war, der Sportteil versprach einiges und..

»Glück im Spiel, Pech in der Liebe – Das Liebes-Aus nach Weltmeister-Titel?«

Ich zuckte zusammen als hätte mir jemand diese kuriose Überschrift vorgelesen. Ich verstand erst nicht, was mir diese Worte sagen sollten, doch als ich ein kleines Bild von Basti und Sarah unter der Überschrift sah, das mit einem Riss zwischen den beiden das widerspiegelte, was die Worte aussagten, hatte ich das Gefühl urplötzlich im falschen Film zu sein. Ich setzte unter dem Bild an und fing an zu lesen.

»Am 13. Juli holte Schweinsteiger durch seinen starken Kampfwillen mit seiner Mannschaft den Titel nach Hause und tauchte ganz Deutschland in das Weltmeister-Fieber. Jetzt, nur drei Monate später, soll es in seinem Privatleben aber heftig kriseln. Als der Fußballer im Juni in das Trainingscamp nach Brasilien fuhr, soll die Beziehung laut engen Freunden des Paares schon auf der Kippe gestanden haben. Aber kein Grund zur Sorge - dies schien öfter der Fall zu sein, so die Quelle. Doch Bildern zufolge (wir berichteten) schien sich der neue Kapitän der Nationalmannschaft schon im Campo Bahia umgesehen und sich einer blonden Dame genähert haben. Augenzeugen zufolge soll Sarah Brandner nun am vergangenen Abend sogar die gemeinsame Wohnung samt Kartons und Koffern verlassen haben. Na, Herr Schweinsteiger? Hauptsache die Glückssträhne im Spiel verlässt sie für die kommende Saison nicht!«

»Alles okay?«, Oli stupste mich an und lehnte sich vor, um an mir vorbei zu schielen. Schnell warf ich die Zeitung auf den Boden, wollte diesen Mist nicht mehr sehen und stopfte das angebissene Croissant zurück in die Tüte.
»Hör zu, was hältst du davon, wenn ich heute Abend nochmal wiederkomme? Ich.. ich muss noch ein bisschen an meiner Hausarbeit schreiben.«, ich schälte mich aus der Decke und sammelte nebenbei meine ausgezogenen Sachen ein. Dass ich vollkommen entblößt und nackt vor Oli war, störte mich nicht. Ich musste zu Lisa und Thomas, ich musste wissen, was hier vor sich ging und ob es reiner Zufall war, dass Basti ausgerechnet gestern Nacht in der Wohnung von Thomas und Lisa war.
»Du hast deine Datei auf meinem Laptop – tu dir keinen Zwang an.«, sagte er und deutete auf sein MacBook, das auf seiner Kommode lag.
»Nein, ich.. ich brauche ein bestimmtes Buch und das liegt bei mir in der Wohnung und.. «, ich stieß fast außer Atem Luft aus und streifte mir mein Top über den Kopf. »Ich melde mich später bei dir.«, fast schon wirr drehte ich mich mitten im Zimmer stehend um meine eigene Achse, sammelte meine Sachen auf, griff fast schon gierig nach der Bild auf dem Boden und stürmte mit einem schwachen Lächeln aus dem Schlafzimmer. Ich wusste, dass ich mir am Abend hunderte von Fragen von Oli anhören durfte. Aber es war mir egal. Daran dachte ich in diesem Moment nicht. Mir war es ebenso egal, dass Oli vielleicht Verdacht schöpfen würde, sobald er eins und eins zusammengezählt hatte. Er wusste, dass ich während der WM im Camp war, er wusste, dass ich mit Thomas und Lisa befreundet war und er konnte nur erahnen, dass ich Basti kannte. Vielleicht ahnte er jetzt, nachdem ich nach dem Lesen der Titelseite abgehauen war, dass ich das blonde Mädchen aus Brasilien war, das sich Basti genähert hatte. Aber es interessierte mich nicht. Nicht jetzt.


Nichts tut für immer wehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt