»Thomas hat gerade geschrieben. Die beiden haben Trainingsschluss und sind wahrscheinlich in einer Stunde da.«, verkündete Lisa und sofort zog sich eine Gänsehaut über meinen Körper. Die Gedanken an den Vortag gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Die Zeit, die Basti und ich miteinander verbracht hatten, war perfekt. Bis es an der Tür geklingelt hat.
»Guck nicht so bedröppelt. Erzähl mir lieber, was jetzt genau passiert ist, als Oli dann doch endlich gegangen ist.«, Lisa legte das Messer zum Schneiden der Tomaten beiseite, putzte sich kurz ihre Hände ab und deutete zum Küchentisch, an den wir uns kurz darauf setzten. Ich seufzte, weil mir sofort wieder mulmig zumute wurde. Die Zeit vom Vortag ab dem Klingeln an der Tür, hätte ich liebend gern einfach nur rückgängig gemacht.
Basti hielt mich einfach, ließ mich nicht los, sagte nichts, sondern strich lediglich behutsam über meinen bebenden Rücken. Die ganze Realität, die ganzen Folgen, hatte ich verdrängt und wollte ich die ganze Zeit über nicht wahrhaben. Jetzt war der Punkt gekommen, an dem die Realität, Oli, bei mir geklingelt hatte. Und sich all das miteinander vermischte, was ich getrennt halten wollte. Basti sollte nicht den Eindruck bekommen, dass das mit Oli noch immer lief. Es hatte gereicht, dass er uns an dem Abend im Club gesehen hatte und wusste, was zwischen Oli und mir in der Luft lag. Ich wollte nicht, dass er verstand, warum ich das alles tat. Es war mir unangenehm, ich fühlte mich elend, eklig, einfach nur falsch. Ich wollte das doch alles nur vergessen und aus meinem Leben verbannen, doch Oli wollte in diesen Momenten wohl oder übel das Gegenteil.
»Komm mit.«, Basti zog mich in seinen Armen ins Wohnzimmer auf die Couch. Sofort zog ich meine Beine an meinen Körper und wieder hoffte ich, irgendwie Schutz dadurch zu erlangen. Ich wollte nicht, dass Basti mich schon wieder weinen sah. Ich wollte nicht, dass er wieder ein solches Wrack an seiner Seite sitzen hatte wie damals in Brasilien. Ich wollte doch einfach nur, dass endlich alles gut war, wir happy sein konnten. Aber ich hatte die ganze Sache mit Oli mir allein zu verdanken. Ich hatte die ganze Sache gegen die Wand gefahren. Ich hatte die Sache mit ihm angefangen und ich hatte die Sache mit ihm nicht wieder abgebrochen. Das Ergebnis wurde mir jetzt nun mal um die Ohren geschlagen.
»Liv, es ist alles gut. Er ist jetzt weg.«, Basti strich beruhigend über meine Haare und legte für einen kurzen Moment seine Hand auf meine Wange.
»Darum geht es gar nicht.«, widersprach ich stotternd, weil die Tränen mich aufschluchzen ließen. Basti dachte, dass ich Angst vor ihm hatte, weil ich ihn nicht hatte abwimmeln können. Doch darum ging es nicht. Oli war ein lieber Mensch, das konnte ich nicht abstreiten. Er war nur einfach bei mir, bei der falschen Person gelandet. Zumindest jetzt.
»Worum geht es dann?«, forderte Basti fast schon eine Erklärung von mir. Sein Arm lag hinter mir auf der niedrigen Sofalehne und sein Blick ruhte ununterbrochen auf mir. Ich wusste, dass er sich Sorgen machte, ich wusste auch, dass er auf eine bestimmte Art und Weise Angst hatte. Die Luft um uns füllte sich mit Nervosität, sie war plötzlich so drückend, und ich wusste, dass ich mit ihm reden musste, wenn ich diesen Zustand beenden wollte.
Ich atmete noch einmal tief in und aus, spürte, wie ich mich langsam beruhigte, weil ich es musste, um ihm irgendetwas erklären zu können. »Ich hab Oli kennengelernt, als ich hergezogen bin. Er.. er war eine gute Ablenkung, das alles hat viel weniger wehgetan, wenn ich mich abgelenkt hab. Und jetzt, ach Basti, jetzt hatte ich in den letzten Tagen das Gefühl, dass wir endlich wieder auf dem richtigen Weg sind, dass wir uns wieder näherkommen. Und.. und ich hab ihn einfach ignoriert und die Tatsache, dass es ihn gibt, verdrängt. Dann steht er einfach so vor der Tür, obwohl du da bist, obwohl wir uns wieder einen Schritt näher gekommen sind und.. und obwohl.. obwohl er hier nichts mehr zu suchen hat.«, ich atmete schnell, mein Herz schlug in meiner Brust so sehr, dass ich Angst hatte, im nächsten Moment zu hyperventilieren. Ich hatte Angst, dass die Erklärung zu direkt war, dass Basti etwas zu hören bekam, was er nicht hören wollte. Aber ich wollte ehrlich sein. Ich wollte das alles aus dem Weg räumen und richtig mit Basti in eine Zukunft starten. Was die Zukunft uns bringen würden, wussten wir nicht, das wusste keiner, aber ich wollte ohne jegliches schlechtes Gewissen in diese Zeit starten.
»Aber Liv-«
»Nein, Basti, lass es mich erklären.«, unterbrach ich ihn. »Ich glaube, dass heute der passende Zeitpunkt für das alles ist. Weißt du, so richtig angefangen hat es, als ich die Zusage bekommen habe. Es war meine einzige und ich sollte in die Stadt, die dir gehört und in der mich alles an dich und Brasilien erinnern würde. Aber ich hab es gemacht. Thomas war unglaublich für mich da und Lisa auch. Und irgendwann stand Oli vor mir. Nach Tagen, an denen ich an Abenden in meiner Wohnung versunken bin. Ich hab nur an dich gedacht, daran wie es gewesen wäre, wenn alles anders gekommen wäre. Ich konnte nichts dagegen machen, ich konnte mich nicht ablenken, weil es so wehgetan hat und weil.. weil ich dich so sehr vermisst hab. Zwischen Oli und mir hat sich was entwickelt. Nichts Tiefgründiges, aber etwas, das mich wenigstens für den Moment vergessen lassen hat. Ich hab mich da so sehr drin versteift und hab das mit dir so sehr verdrängt, dass ich fast schon betäubt war. Ich hab Nächte durchgefeiert, hab getrunken und geraucht. Ich war nicht mehr ich. Ich war.. ich war irgendwer anders. Eine andere Olivia. Und als du bei Thomas auf einmal vor mir standest, da.. da hat mich das alles wieder so sehr eingeholt. Ich wusste, dass ich dich brauche und ich so nicht weitermachen konnte. Aber ich hab nichts dagegen macht, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Das hat sich erst entwickelt. Eigentlich war ich so verletzt und konnte dir nicht vertrauen, aber ich wollte und irgendwie musste ich auch. Du hast mich angezogen und das hat sich nach einiger Zeit wieder so gut angefühlt. Ich.. ich hab mich wieder so angekommen gefühlt. So wie damals in Brasilien. Also nicht so komplett, sondern so.. so anders schön.«, ich musste schmunzeln, weil ich Angst hatte, dass ich ihm meine Liebe gestand. Und dafür war es zu früh, dafür war alles zu frisch. So weit waren wir noch nicht. Auch Basti lächelte und drückte meine Hand. Er schien gerührt und wieder merkte ich, wie nötig das hier war. »Und dann war heute alles so schön, du bist hier bei mir, und das hat sich so gut angefühlt. Und dann steht er einfach vor der Tür. Du bist die eine Welt von mir, in der ich sein kann wie ich wirklich bin. Und bei Oli bin ich die andere Liv, die du nicht kennenlernen solltest und sollst. Weil ich das nicht bin.«, ich atmete stark aus und spürte, wie mich das alles erleichterte. »Ich hab einfach so eine Angst, dass.. dass das alles, was wir die letzten Tage endlich wieder aufgebaut haben, kaputt geht.«
»Aber doch nicht, weil dieser Oli hier auftaucht, Liv.«, Basti beugte sich ein Stück zu mir herüber, um mir besser in die Augen sehen zu können. »Liv, das ist kein Grund, dass das zwischen uns wieder kaputtgehen könnte. Das war vor meiner Zeit, das hat mich gar nicht zu interessieren. Nur insoweit, dass ich mal darüber nachdenken sollte, in welche Situation ich dich gebracht habe. Und was ich aus dir gemacht habe.«
»Du machst mich gerade wieder heile, du musst dir gar keine Gedanken machen.«
»Ich hoffe, dass ich das alles irgendwann wieder gut machen kann. Ich hoffe, dass du mich irgendwann anschaust und nicht mehr daran denkst, wie sehr ich dich verletzt habe.«, Bastis Stimme triefte fast vor Reue. Mein Herz brach fast. Vielleicht war es doch falsch ihm all das zu sagen.
»Du warst da, wir haben zwei Worte miteinander gewechselt, und schon war ich wieder die alte Liv, Basti. Du musst dir keine Gedanken machen. Versprich mir nur, dass die Zeit, die auf uns zukommt, dass.. dass wir ehrlich zueinander sind.«, ich schob ein Bein von der Couch und legte meine Hand auf die seine, die meine festhielt.
»Ja, bitte. Deswegen finde ich es toll, dass du mir das alles gesagt hast.«, Basti lächelte mich sanft an. »Aber versprichst du mir auch was?«
»Alles.«, ich war erleichtert, weil wir wieder auf freier Straße standen und die Sackgasse verlassen hatten.
»Ich weiß nicht, ob.. ob ich das so toll finden würde, wenn.. na ja, wenn Oli nochmal bei dir aufkreuzen würde.«, stotterte Basti und kam kaum auf den Punkt. »Ich glaube, ich wäre da schon ziemlich eifersüchtig.«
Ich grinste, war gerührt von seinen Worten. Das war Basti, der seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Der Basti, den ich kennengelernt hatte.
»Ich möchte ihn gar nicht wiedersehen. Kein Grund zur Eifersucht.«, ich lächelte. Ich lächelte, obwohl ich vor zehn Minuten noch weinend im Flur stand und das Gefühl hatte, mein Leben sei vollkommen zerstört gewesen. Vor zehn Minuten hatte ich noch solche Angst, dass Basti mich kaum beruhigen konnte, doch jetzt war ich so erleichtert und glücklich, dass doch alles gut war, dass ich gar nicht anders konnte als zu lächeln. Manchmal war es das richtige, über seinen Schatten zu springen und den ersten Schritt zu wagen. Manchmal zahlte sich das aus. Wie jetzt zum Beispiel.
»Danke, für deine Ehrlichkeit.«, Basti flüsterte fast nur, als er mit seinem Gesicht wieder näher kam. Die Stimmung zwischen uns verwandelte sich binnen weniger Sekunden in etwas Magisches.
»Danke, dass du noch hier bist.«, ich legte meine Hand auf seine Wange, weil ich diese körperliche Nähe brauchte. Ich wollte ihn wieder fühlen und spüren. Und außerdem wusste ich, wie sehr er das mochte. Sofort legte er seinen Kopf auf die Seite und schmiegte sich in meine Handfläche. Unsere Gesichter waren sich dabei so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Ich überbrückte die letzten Zentimeter und lehnte meine Stirn gegen seine. Er schloss die Augen, ich schloss die Augen. Wir waren uns so nah. Unsere Lippen waren sich so nah. Und trotzdem wussten wir beide, dass dieser Moment noch nicht dafür gemacht war, um sich zu küssen.
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Nichts tut für immer weh
Fiksi Penggemar[Fortsetzung von "Another Love"] »Und mein Herz schlägt weiter auch wenn es fürchterlich brennt, wenn alles hier zerfällt.« - Liv hatte den Knopf für das Verdrängen gefunden. Nicht dran denken, Gefühle überspielen und mit anderen Gefühlen bekämpfen...