»Und urplötzlich stand ich alleine da.«

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  Es hatte sich so seltsam angefühlt, als Oli mit seinen Händen über meine nackte Seite, zu den Brüsten und hinab zu meiner intimsten Stelle gestrichen hatte. Ich hatte selbst gespürt, wie unglaublich angespannt ich war und konzentrierte mich die ganze Zeit, in der wir uns näher waren, darauf, ihm das zu geben, was ich ihm sonst auch gab. Er hatte es gespürt, mich oft gemustert und angeschaut, aber trotzdem hatte er nicht aufgehört mich zu küssen, in mich einzudringen und sich zu bewegen. Er hatte weitergemacht, bis wir beide schwer atmend und mit einem leichten Schweißfilm bedeckt nebeneinander in den Kissen lagen. Kuscheln war bei uns nicht, wir hatten uns beide darauf geeinigt, dass es quatsch war danach im Arm des anderen zu liegen und sich zu liebkosen oder zu streicheln. Wir führten eine lockere Affäre und keine Beziehung, also waren jegliche Annäherungen nach dem Sex unnötig. Das ganze zwischen uns gewann dadurch außerdem die nötige Distanz, die eventuell manchmal viel zu kurz kam. Er war aufgesprungen und hatte mich versucht zu überreden, mit ihm duschen zu gehen. Wir taten das oft, wiederholten dann das, was wir im Bett begonnen hatten, aber heute.. heute war alles so anders. Ich brachte es nicht über mich mit einem Grinsen zu nicken, kurz darauf vollkommen entblößt aus dem Bett zu springen und loszulaufen um ja die erste im Bad zu sein. Heute blieb ich liegen, schüttelte den Kopf und zog das weiße Laken meines Bettes nur noch höher um nicht nur meine nackte Brust, sondern auch mein Dekolletee zu bedecken.
»Bist du sicher?«, Oli sah mich mit seinen stahlblauen Augen durchdringend an als er nackt im Türrahmen stand und seinen Kopf noch ein letztes Mal über die Schulter drehte um mich lächelnd anzusehen.
»Sei mir nicht böse.«, brachte ich nur raus und drehte mich auf die Seite. Vielleicht verstand er den Wink mit dem Zaunpfahl und dachte sich, dass ich zu müde für eine Wiederholung war. Ich war zwar nicht müde – ganz im Gegenteil -, aber mein Inneres ließ es einfach nicht zu. Ich hatte Spaß mit Oli sobald sich meine Gedanken meldeten und meinten, eine Achterbahnfahrt mit mir zu veranstalten. Aber heute war alles anders. Ich hatte das Gefühl, dass die Begegnung mit Basti meine Gedanken zwar wieder auf Schwung gebracht hatte, Oli aber auch jegliche Macht über das Ablenken verloren hatte. Es war egal, was er sagte, was er tat oder wie er mich ansah – all das, womit er mich sonst immer hat ablenken können, war wie eine Wolke vor meinen Augen verpufft. Ich konnte nur matt lächeln und jedes Mal hoffen, dass er nicht merkte, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte mir Mühe gegeben, hatte gekocht und alles schön angerichtet, das Kleid, das er am meisten an mir mochte angezogen und ich hatte mit ihm geschlafen, obwohl mir nicht unbedingt danach war. Eigentlich hätte nichts auffallen dürfen. Eigentlich hätte die Fassade perfekt und völlig verankert dastehen müssen. Eigentlich-
Ich schreckte hoch und saß binnen weniger Sekunden aufrecht im Bett. Ich hasste den Ton der Türklingel und die Tatsache, dass sie gegen zehn Uhr abends wirklich noch ertönte, ließ mich fast Angst haben. Trotzdem quälte ich mich seufzend aus den Laken, griff an der Tür nach meinem dünnen Bademantel den ich mir im Gehen überwarf und zog im nächsten Moment schon die Wohnungstür auf. Ich hatte nicht daran gedacht durch den Spion zu sehen und kurz zweifelte ich an meinem Verstand. Es war spät abends und es klingelte. Jeder, der mich um diese Uhrzeit besuchen kommen würde, würde mir zuvor erst eine SMS schicken. Es hätte sonst wer vor der Tür stehen können, aber dass es kein Einbrecher oder Serienmörder war, erleichterte mich. Dass es Basti war und Oli sich in meiner Wohnung befand, machte mich hingegen ziemlich nervös.
»Ehm, hi.. «, stotterte ich, versteckte mich unbeholfen hinter der leicht geöffneten Tür und zog den Ausschnitt meines Bademantels enger zu. Ich fühlte mich so nackt und erwischt und ich hätte an der Temperatur in meinem Gesicht schwören können, dass ich rot anlief.
»Hi Liv.«, Bastis Stimme klang sanft und überrascht zu gleich und seine Lippen wurden von einem leichten Lächeln umspielt. »Hab.. hab ich dich geweckt? Ich dachte, dass du.. vielleicht noch wach bist, weil du ja keine Uni hast.«, verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und brachte mein Herz für einen Moment zum Schmelzen. Basti war hier, vor meiner Wohnungstür und ich hatte keine Ahnung warum oder woher er überhaupt wusste, wo ich wohnte.
»Ich.. nein, du hast mich nicht geweckt.«, ich lächelte mindestens genauso verlegen zurück und sah nervös über meine Schulter. Die Tür hatte ich extra nur einen Spaltbreit geöffnet, weil ich hoffte, dass Basti Oli nicht zu Gesicht bekam. Ich wollte ihn nicht damit konfrontieren, weil ich nicht wollte, dass er wusste, wie ich lebte. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er auswechselbar war – egal, wie sehr er mir wehgetan hatte und egal wie skeptisch ich ihm gegenüber war.
»Stör ich dich?«, hakte er weiter nach und schien meine nervöse Art bemerkt zu haben. Vielleicht war ich zu auffällig. Aber was sollte ich tun? Ich war hin- und hergerissen. Basti stand vor meiner Tür und Oli unter meiner Dusche. Der Mann, dem mein Herz für eine Zeitlang gehört hatte und der Mann, der mich von dem Schmerz, den der andere ausgelöst hatte, ablenkte. Ich war schon den ganzen Tag außer mir, ich hatte mich viel mit Basti beschäftigt und mir vorgenommen endlich mit ihm zu sprechen und jetzt.. jetzt konnte mir diese Situation in der ich mich gerade befand, nicht mein ganzes Vorhaben zerstören, nur weil ich wieder völlig durcheinander war. Die beiden Menschen, die nicht unterschiedlichere Rollen in meinem Leben haben könnten, waren in diesen Minuten viel zu nah beieinander. Ich wollte nicht, dass der eine vom anderen etwas erfuhr und ich wollte Basti nicht wegschicken.
»Nein, tust du nicht.«, ich lächelte Basti an, während ich beim Anblick seines Lächelns und seiner strahlenden Augen, die mich so sehr an Brasilien erinnerten, dahin schmolz und für einen Moment erneut den Verstand verlor. Ich hatte das Gefühl vor mir stand Basti. Der Basti, den ich kennen und lieben gelernt hatte und der Basti, der mich so ansah, wie er mich immer angesehen hatte.
»Kön-können wir uns vielleicht unterhalten?«, fragte er noch immer mit diesem Lächeln auf den Lippen und dem Strahlen in seinen Augen. Mir kam es vor, als wären wir beide in einer Blase gefangen, die unsere Umwelt komplett ausblendete und uns in unserer eigenen Welt leben ließ. In einer Welt, die all das um uns herum für einen kurzen Moment stehen ließ – selbst unseren Verstand.
»Ich.. also.. vielleicht hast du morgen Zeit?«, fragte ich und verstand erst danach wie doof ich mich gerade benahm. Ich sagte ihm, dass er nicht störte, wimmelte ihn trotzdem ab. Ich musste wieder vernünftig werden und daran denken, dass ich die rosarote Brille von der Nase nehmen musste.
»Liv!«
Basti und zuckten gefühlt gleichzeitig zusammen als sich die dritte Stimme in unsere Runde mischte. Es war Oli, der nur mit einem Handtuch um die Hüften durch den Flur kam und in sicherer Entfernung zur Tür stehen blieb. Ich wusste, dass er Basti sah und wusste auch, dass er ihn trotzdem ignorieren würde.
»Ich geh schon mal vor.«, seine laute Stimme hatte sich fast in ein Flüstern verwandelt. Auch wenn das zwischen uns was Lockeres war, spürte ich sofort, dass die Situation all das viel zu ernst machte. Ich nickte einfach nur und ließ ihn gehen, ehe ich mit gesenktem Kopf in Bastis Richtung sah.
»Ich glaube, ich sollte wann anders wiederkommen.«, als er seine Augen vom Boden nahm und mich wieder direkt ansah, sah ich die Enttäuschung. Ich war mir nicht sicher, ob er Oli von seinem Platz aus sehen konnte, aber daran, dass er verstand was hier vor sich ging, zweifelte ich nicht. Basti wusste, dass ich Sex hatte und er wusste, dass ich ihn angelogen hatte. Auf irgendeine Art und Weise störte er.
»Vielleicht ist das besser.«, sah ich ein. Auch wenn ich Basti am liebsten am Kragen in meine Wohnung gezogen hätte, konnte ich all das um mich herum nicht urplötzlich für ihn umwerfen. Oli war hier und wir wollten den Abend miteinander verbringen. Basti platzte nun mal dazwischen und auch wenn ich die Zeit lieber mit ihm hätte verbringen wollen, hatte ich nun mal keine Zeit für ihn.
»Bis dann, Liv.«, seine Stimme klang fast schon trostlos als er auf dem Absatz kehrt machte und in seinem Trainingsanzug die Treppen hinunterlief. Vielleicht kam er gerade vom Training, vielleicht von zu Hause, oder vielleicht hatte er zuvor noch mit Thomas bei sich auf dem Sofa gehockt um Fifa zu spielen.
»Bis dann, Basti.«, brachte ich nur flüsternd raus, schloss die Tür und lehnte mich für einen Moment seufzend gegen sie. Eigentlich wollte ich ihn fragen wann wir uns sehen würden und eigentlich hätte ich ihm am liebsten die ganze Situation erklärt, doch ich blieb ruhig. Es war einfach noch nicht so weit. Ich durfte mich nicht wieder so schnell von ihm abhängig machen – schließlich war er der Grund, dass ich hier stand, in dieser Wohnung, mit Oli.
Ich musste mich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren und nicht darauf, was gerade passiert war. Basti war dagewesen, aber Basti war auch wieder weg, weil eben nicht die Zeit dafür war, um mit ihm zu sprechen.
»Hey.«, Oli lächelte als er von seinem Tablet aufsah. Er saß mit einer Boxershort an den Hüften auf dem Bett und seine Haare waren noch feucht von der Dusche. So lange konnte ich mit Basti also nicht an der Tür gestanden haben.
»Hey.«, erwiderte ich und ließ mich neben ihn fallen. Die sonst so lockere Stimmung zwischen uns, die heute zwar schon etwas angeknackst war, schien ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, weil mir jede Erklärung falsch erschien. Ich wollte ihm nicht erklären wer Basti war und was für eine Rolle er in meinem Leben spielte. Ich wollte doch einfach nur, dass Oli wieder die Macht und Gabe besaß mich vollkommen abzulenken. »Hast du Lust auf eine Serie?«, hakte ich nach und musterte ihn ausgiebig von der Seite. Sein perfektes Gesicht verzog sich kein Stück als er den Blick von dem Bildschirm vor sich nahm und mich ansah.
»Wer war das grade, Liv?«, er wechselte so überraschend das Thema und brachte mich mit seiner Frage derart in Bedrängnis, dass ich für einen Moment vergaß zu atmen.
»Ein alter Freund.«, gab ich nur knapp von mir und schnappte mir mein eigenes Tablet um Netflix zu starten. Ich brauchte irgendetwas in der Hand, um mich abzulenken und hoffte darauf, dass Oli nicht weiter auf das Thema eingehen würde.
»Ich habe das Gespräch belauscht als du mit deinem Vater telefoniert hast.«
Wieder überraschte er mich. Dieses Mal nur doller, mit voller Wucht, sodass ich fast schon wütend wurde.
»Du hast was?«, ich schloss Netflix mit einem Klicken auf den Bildschirm wieder und widmete mich ganz Oli.
»Ich wollte nach dir sehen und habe gehört, wie du dich mit ihm über Basti unterhalten hast.«, gestand er mir. Seine Miene brachte ein schlechtes Gewissen mit sich.
»Woher weißt du-«
»Woher ich weiß, wer er ist?«, Oli lachte auf und legte sein Tablet zur Seite. »Ich kann Eins und Eins zusammenzählen, Liv. Als du wegen der Sache mit der Bild-Zeitung auf einmal abgehauen bist, wusste ich, dass du diejenige aus Brasilien warst. Nicht umsonst bist du so gut mit Thomas befreundet und bist die Tochter das Kochs der Mannschaft.«, er stoppte kurz und fuhr sich durch seine Haare. Irgendwie schien es ihm schwer zu fallen mit mir über dieses Thema zu reden und trotzdem riss er sich zusammen und sprach weiter. »Du hast am Telefon von Basti erzählt und als du mir erzählt hast, dass du mit Thomas und Lisa zur Halloween-Party gehen wirst und mir nicht sagen konntest von welchem Veranstalter die Party geschmissen wird, war mir klar, dass es was mit dem Fußball zu tun haben musste. Und dass Basti nun mal Bastian Schweinsteiger war und du die Blondine, die die Nacht am Strand mit ihm verbracht hat.«
»Aber ich dachte.. «, ich sah ihn fast schon verzweifelt und schockiert an. Ich hatte nicht gedacht, dass dieses Foto am Strand von Basti und einer Blondine so sehr um die Welt ging.
»Sei nicht albern, Liv. Es war mitten in der WM und selbst wenn man nichts von Gerüchten mitkriegen will, tauchen sie doch an jeder Straßenecke auf. Vor allem hier in München.«, erklärte er mir. »Dein Herz gehört Basti.«
»Ich.. nein.«, ich war völlig überrumpelt und fand keine Worte. Meine Sprache war wie weggefegt und ich fühlte mich, als hätte ich keinen Kopf mehr, der mir beim Denken half.
»Doch Liv.«, Oli lachte leicht auf. »Dein Blick eben an der Tür, wie du ihn angesehen hast und was für eine Panik in deinen Augen lag als ich aufgetaucht bin.. das hat dich verraten.«
»Oli, was soll das?«, ich räusperte mich als ich spürte, wie sich ein Frosch in meinem Hals breit machte. »Wir führen eine Affäre und sind nicht darauf aus, eine Beziehung zu führen. Ich dachte, dass das geklärt wäre.«
»Ist es auch, Liv. Ich habe trotzdem gerne Sex mit dir und bin auch gern mit dir zusammen, auch wenn dein Herz Basti gehört, aber ich bin mir nicht sicher, ob dir das so gut tut.«
»Ich.. «, laut lachte ich auf und schob meine Haare aus meinem Gesicht. »Puh.«, verlieh ich meinen Gefühlen Ausdruck. Oli konnte ruhig wissen, was er gerade in mir auslöste. »Mein Herz hat einmal Basti gehört, Oli, das stimmt. Aber mittlerweile hab ich mein Herz wieder bei mir und.. und ich bin frei. Nur, weil er vor meiner Tür steht und weil ich meinem Vater gesagt habe, dass ich ihm die Chance geben sollte mit ihm zu reden, heißt das noch lange nicht, dass ich mich in irgendetwas rein stürzen will, das über einfaches Reden hinausgeht.«, redete ich mich in Rage und merkte schnell, dass es dämlich von mir war. Das hier wurde alles viel zu tiefgründig und Tiefgründigkeit hatte zwischen Oli und mir nun mal nichts zu suchen.
»Das interessiert mich nicht, Liv. Ich will einfach nur, dass du dir sicher bist, was du willst.«, er strich mir eine lose Strähne hinter mein Ohr und lächelte mich an. »Ich sollte jetzt auch besser gehen.«
Dieses auch schnürte mir fast die Kehle zu. Irgendwie näherte er sich damit Basti. Er stellte sich mit ihm auf eine Ebene und das sollte er nicht.
»Willst du nicht lieber bleiben? Ich meine, wir könnten noch was bei Netflix schauen und dann den Abend ausklingen lassen.«, ich schmiegte mich an und war kurz davor ihn in einen intensiven Kuss, der ihn vielleicht überzeugt hätte, zu ziehen, als er mich zurückstieß.
»Nein, Liv. Dein Kopf braucht gerade keine Ablenkung, sondern Zeit für sich selbst.«, Oli lächelte als er aufstand und sich anzog. »Ich meld mich bei dir.«
Und urplötzlich stand ich alleine da. Kein Basti, weil ich ihn weggeschickt hatte und kein Oli, weil er sich dazu entschlossen hatte, zu gehen. Hatte ich jetzt beide Männer vergrault? Basti, weil Oli hier war und Oli, weil Basti hier war und er längst wusste, was in mir vorging obwohl ich es ihm nicht verraten hatte? Ich wollte nie alleine sein und jetzt, jetzt war ich es doch wieder. Allein mit den Gedanken, die mich die Nacht wachhalten und mir das Genick brechen würden.  

Nichts tut für immer wehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt