Die Nacht des Angriffs

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Kurze Zeit später sitze ich mit Marie, Heiko und natürlich Roman - da er sich nicht abbringen lies - im Wohnzimmer der Lochmannbrüder und warte bis Marie mit ihrer Erzählung beginnt.

Marie sitzt gegenüber von uns drei auf dem Ledersessel und ich sitze zwischen den Zwillingen.

Ich spüre wie Roman immer wieder einen Blick zu mir wirft, der aber nie lange auf mir verweilt. Wahrscheinlich befürchtet er, dass es zu auffällig wird. Als würde es so nicht auch auffallen.

Auch während wir warten - bis Marie beginnt - spüre ich immer wieder wie Roman seinen Oberschenkel an meinen streift. Unabsichtlich natürlich.

Und dann öffnet Marie, nach gefühlten Stunden ihren schmalen Mund und beginnt: "Sascha und ich wollten unseren Jahrestag feiern..."

"Das wissen wir.", meint Roman, ohne jegliche Emotion. Seine Reaktion wurde von mir mit einem Schlag in seine Rippen kommentiert. Wie konnte man nur so unsensibel sein?
Mit einem 'Ahh' hielt sich Roman an die Stelle, wo ich ihn gestoßen habe.

Marie räuspert sich und erzählt unbeirrt weiter:"Jedenfalls sind wir in den Wald um dort ein Picknick zu machen. An dieser Stelle haben wir uns das aller erste Mal gesehen." ein Lächelb huscht über ihre Lippen "Dort war auch unsere erste Nacht. Also ein besonderer und bedeutender Ort für uns."

Es war ein besonderer Ort für sie, der in ihr Glücksgefühle hervorruf, jetzt - wenn sie nur daran denkt - kommen ihr die Tränen. Und die Glücksgefühle werden bei dieser Erinnerung nie wieder kommen.

"Wir waren gerade dabei die Flasche Sekt aufzumachen, als wir ein Geraschel im Gebüsch wahrnahmen. Sascha hat mich für verrückt gehalten und gemeint es sei nur ein Tier. Aber meine Angst blieb..."

Ich schweife mit meinen Gedanken ab und muss daran denken, wie ich Roman in dieser Nacht das erste Mal habe weinen sehen. Zwar nicht wirklich und es waren nur ein, zwei Tränen. Aber dennoch, für Roman seltsam. Es hat ihn auch verletzt, das habe ich gesehen. Aber kurz darauf hat sich sein Herz wieder geschlossen und die Mauer um ihn herrum - bei der ich dachte sie würde langsam zu bröckeln beginnen - hat sich wieder geschlossen und es scheint mir als hätte er sie noch dicker aufgebaut.

"... dann hat er uns angegriffen.", höre ich aus Maries Mund und sofort landet meine gesamte Aufmerksamkeit wieder auf ihr.

"Wie hat er ausgesehen?", fragt Heiko mit sanfter Stimme.

"Er war groß, seine Augen waren stechend rot und seine Haare tiefschwarz, fast schwärzer als die Nacht. Er hatte seine Fangzähne ausgefahren, die meiner Angst zusetzten.", beschrieb sie und atmete tief ein und aus.

"Ok und weiter?", meint Roman interessiert, als wäre dies hier ein spannendes Buch, aber es ist Maries Erlebniss, kein Film oder Buch, dass frei erfunden ist. Es ist wirklich passiert.

"Sascha hat sich schützend vor mich gestellt. Ich habe gezittert und geweint. Aber Sascha wusste bereits, dass er in dieser Nacht sterben würde, sei es nur um mich zu retten. Deshalb rief er immer wieder 'Ich liebe dich'." Eine Träne entwischt ihr, die sich langsam einen Weg über ihre Wange bannt. "Dann schrie er, dass ich wegrennen und nicht zurück sehen soll. Ich wusste nicht wie mir geschieht, aber dann wurde mir klar, dass ich ihn nie wieder sehen werde. Nie wieder seine Lippen auf meinen spüren werde und nie wieder hören werde, wie er 'Ich liebe dich' sagt."

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt