Jily Oneshot#28: Frohe Weihnachten

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Das erste Weihnachten, welches James und Sirius in Hogwarts verbrachten. Das erste Weihnachten, welches James und Sirius ohne ihre (Zieh)-Eltern verbrachten. Das erste Weihnachten, welches James nicht damit einläutete, in Sirius' Zimmer zu platzen um ihn unsanft zu wecken. James hatte dieses Jahr keine Geschenke verpackt, nicht beim alljährlichen Wichteln teilgenommen, keine Briefe an Verwandte geschrieben und keinen Keksvorrat von seiner Mutter stibitzt und seinen Vater nicht überredet mit ihm Quidditch zu spielen. Denn sie waren nicht mehr da. Anstatt erwartungsvoll am Morgen in das Wohnzimmer ihres Anwesens zu stürmen, blieb er den Vormittag über in seinem Schlafsaal und versuchte Lilys Klopfen an der Tür zu ignorieren, welche aus irgendeinem Grund ebenfalls in Hogwarts geblieben war, nachdem sie herausgefunden hatte, dass Sirius an diesem Tag am Begräbnis seines Paten teilnehmen musste. James hätte ihn gerne begleitet um ihm beizustehen, so wie er es bei seinen Eltern getan hatte, doch die Blacks hatten Sirius verboten, „einen dieser Blutsverräter mitzubringen".

Erst zu Mittag konnte James sich dazu aufraffen, in die Große Halle zu gehen. Allerdings nicht um den anderen zu zeigen, dass es ihm „gut" ging, sondern weil sein Magen wie verrückt knurrte und er die Freundlichkeit der Hauselfen in der Küche nicht ertragen könnte.
Die Wenigen, die sich am Tisch inmitten der Halle versammelt hatten, blickten sofort auf als er den Saal betrat. Dort saßen natürlich Dumbledore und McGonagall von der Lehrerschaft, sowie Lily, Alice und Frank, die aus demselben Grund wie James nicht nach Hause konnten und zwei jüngere Schüler aus Hufflepuff, deren Namen er nicht kannte. Eigentlich wäre Remus ebenfalls aus Solidarität geblieben, musste jedoch zu seinen Eltern, da der Mond äußerst ungünstig stand.
„Mr. Potter, was für eine Freude, dass Sie zu uns stoßen!", lächelte Dumbledore sanft und deutete auf einen leeren Platz neben Lily, auf welchem sich nicht nur Essen, sondern auch einige Geschenke und Briefe stapelten.
James räusperte sich, da er nicht riskieren wollte, dass sie seine vom Schreien heisere Stimme hörten:" Die Verspätung tut mir leid."
Dumbledore winkte betont gelassen ab, doch James achtete nicht mehr auf ihn. Er ließ sich auf den für ihn vorgesehenen Stuhl fallen und schob die Pakete achtlos beiseite. Weitere Mitleidsbekundungen würde er ohnehin nicht ertragen und wieso sollte es ihn kümmern, welche unpersönliche Geschenke entfernte Verwandte ihm schickten, wenn kein Paket seiner Eltern dabei war?
„Möchtest du sie nicht öffnen?", fragte Lily neben ihm.
„Nein.", lautete seine harsche Antwort.
Verletzlichkeit legte sich über Lilys aufgesetztes Lächeln. McGonagall warf den Schülersprechern einen traurigen Blick zu. „Wissen Sie Mr. Potter, vielleicht würde es helfen, wenn-"
Laut fiel James' Besteck auf den unberührten Teller vor ihm. „Bei allem Respekt Professor, es ist mir egal, was Sie wissen, denn Sie können mir nicht helfen. Entschuldigung, dass ich es nicht schaffe, meine Trauer innerhalb von zwei Monaten zu bewältigen, auch wenn es von mir erwartet wird. Aber kein Gespräch, kein Orden für den Mut meiner Eltern oder Schauspielerei, als würde das Leben einfach weitergehen, wird mir helfen können. Danke für ihre Versuche, ihre netten Worte und Mitleid, aber ich brauche nichts davon."
Unter dem niedergeschlagenen Blick der Professorin stand James auf und verließ das Festmahl.

Minuten später fand er sich auf dem verlassenen, mit Raureif bedeckten Quidditchfeld wieder. Dann kam die Wut, wie so oft in den letzten Monaten. Aber zum ersten Mal nicht die Wut auf Todesser, das Aurorenbüro oder den dummen Menschen, die glaubten, seinen Schmerz zu verstehen, sondern auf sich selbst. Alle vom Kopf zu stoßen fühlte sich gut an während man es tat, doch wenn man Zeit hatte zu realisieren, dass man gerade die Menschen verletzt hatte. an denen einen etwas lag, verrauchte der Triumph und er wünschte sich, er hätte für einmal seinen Mund gehalten.
„Ich wette, du wünscht dir gerade, du hättest nichts gesagt.", sagte eine Stimme neben ihm. Eine Stimme, die er unter Tausenden wiedererkennen würde.
„Vielleicht wünsche ich mir auch, alleine zu sein."
„Tja, dieser Wunsch wird leider nicht in Erfüllung gehen.", meinte Lily ungerührt und setzte sich neben ihn, obwohl die Kälte sofort durch den Schulumhang drang.
James zwang sie nicht anzusehen. Er hatte sich so lange erfolgreich von ihr ferngehalten, damit sie nicht mitbekam, wie schlecht es ihm wirklich ging. Und wenn er sie ansehen würde bestand die Gefahr, dass dies alles umsonst war. Denn ihre grünen Augen würden ihn stumm dazu auffordern mit ihr zu reden und sie würde ihre Locken um ihre Finger wickeln, sodass er den Blick nicht mehr abwenden könnte. Konzentriert betrachtete James daher die Schneeflocke auf seinem Knie, bis diese durch ein kleines Päckchen verdeckt wurde.
„Irgendwer hat wohl nicht mitbekommen, dass du dieses Jahr nicht beim Wichteln teilnehmen wolltest. Ich habe dich gezogen und dieses Geschenk war ein ganzes Stück Arbeit, weshalb du es jetzt öffnen wirst."
„Und wenn nicht?", erwiderte James gespielt gelangweilt.
„Dann wirst du dich wieder schlecht fühlen, weil es mir wehtun würde und du das nun weißt."
„Das ist nicht fair."
„Wann ist schon etwas fair?!", schnaubte Lily.
„Wo du recht hast...", murmelte James und öffnete das sorgfältig in goldenes Papier eingewickelte Paket.
„Zwei Spiegel?", fragte James so überrascht, dass er seine Vorsätze vergaß und zu Lily hinabblickte. Lächelnd nahm sie einen davon und hielt diesen vor ihr Gesicht. James folgte ihrem ausgestreckten, vor Kälte roten Zeigefinger. In dem Spiegel, welcher in seiner Hand lag, zeigte sich nicht sein eigenes blasses Gesicht, sondern Lilys Sommersprossen und eine rote Strähne.
„Wie...?"
Offensichtlich froh darüber, endlich James' Aufmerksamkeit und Interesse zu haben, begann sie zu erklären. „Es ist ein sogenannter Zweiwegspiegel. Anstatt deines eigenen Spiegelbildes, siehst du das, was sich im anderen spiegelt. Dadurch kannst du mit jemanden ohne Patroni oder Eulen kommunizieren. Außerdem weiß die Person, die das Gegenstück hat dadurch immer wo du bist. Und wenn sich jemand in einer Gefahrensituation befindet kann man immer miteinander sprechen, denn wer nimmt dir schon einen blöden kleinen Spiegel ab?"
„Das ist genial!"
„Ich weiß.", lachte Lily zufrieden. „Normalerweise gibt es sowas nur am Schwarzmarkt und die haben dann meistens einen Defekt oder funktionieren nur ein paar Tage lang. Dank ein wenig Hilfe von McGonagall, konnte ich ein einwandfrei funktionstüchtiges Paar herstellen. Ich dachte, es wäre eine gute Idee. Es ist eine natürliche Reaktion auf einen solchen Verlust, wie du ihn erlitten hast, Angst zu haben, noch jemanden zu verlieren. Also kannst du ihn jemanden geben, um den du dich normalerweise sorgen müsstest und der vielleicht nicht immer da sein kann."
James warf ihr einen unsicheren Blick zu, woraufhin Lily abwehrend die Hände hob.
„Ich meine damit nicht mich, sondern Sirius, du Idiot."
„Ja, klar, ich dachte nur, dass du...vergiss es.", brach er peinlich berührt ab.
„Natürlich hätte ich gerne einen Spiegel, weil ich mir tatsächlich Sorgen um dich mache. Aber es wäre Verschwendung, weil ich dir sowieso nicht mehr von der Seite weichen werde, auch wenn du versuchst mich wegzustoßen, weil du denkst es wäre heroisch oder so etwas."
„Du musst in Hogwarts nicht auf mich aufpassen."
„Offensichtlich schon. Außerdem gibt es noch eine Zeit nach Hogwarts. Eine ziemlich lange sogar, in welcher ich nicht plane, dich allein zu lassen.", beendete Lily ihre kurze Ansprache nebenbei, als wäre dieser Satz keine gezündete Bombe.
Doch anstatt sich darüber zu freuen, versuchte James äußerlich ruhig zu bleiben und besann sich auf seinen Plan, Lily vor seinem Durcheinander, namens Leben, zu schützen. Also sagte er das, was er für immer bereuen würde:" Wer sagt, dass ich das möchte?"
Anstatt wütend oder traurig zu sein, sah Lily ihm bloß fest in die Augen und sagte:" Der Fakt, dass ich an deiner Halsschlagader gesehen habe, wie schnell dein Herz geschlagen hat, als ich das gesagt habe. Weil du dich nicht umdrehen musstest, um zu wissen wer gesprochen hat. Weil du inmitten einer Menschenmenge, immer nach mir Ausschau hältst. Weil du mir den Spiegel geben wolltest. Weil du mich lieber aus deinem Leben verbannst, als zu riskieren, dass ich verletzt werde. Weil du nicht schreiend aufwachst, wenn du weißt, dass ich in deiner Nähe schlafe." Sie hätte vermutlich noch lange weitersprechen können, doch James unterbrach sie. „Wieso bist du dir so sicher, dass diese Sachen etwas bedeuten?"
„Weil ich dieselben Dinge tue und sie mir etwas bedeuten. Viel sogar.", flüsterte sie.
James starrte sie einen Moment an, unsicher, was er sagen sollte.

„Frohe Weihnachten, James.", sagte Lily und nahm seine Hand.
„Frohe Weihnachten, Lily.", erwiderte James und zog sie hoch, um zurück in die Große Halle zu gehen.

Rückblickend, war dies der erste Schritt von vielen, um den Schmerz zu überwinden und ein normales Leben zu führen. Ein Leben, in welchem er nie alleine war.

Jily/Scorose OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt