Dreamdancer - Ich träum nicht mehr

1. Wieder zu Hause

"Pass doch auf!", schreit ihr der Taxifahrer zu, welchem Violette gerade noch ausweichen konnte.

"Mistkerl...", flucht sie vor sich hin und richtet ihren Blick wieder auf die Straße vor sich. Autos rasen in viel zu hoher Geschwindigkeit an ihr vorbei.

"Taxi!", ruft sie zum wiederholten Mal mit erhobenem Arm und endlich fährt jemand an die Seite, anstatt sie fast zu überfahren. Der Fahrer, ein älterer Mann mit bereits ergrautem Haar und einer etwas ründlicheren Figur steigt aus und verstaut ihren kleinen Rucksack im Kofferraum. Mehr hatte sie nicht dabei. Oder besser gesagt: mehr konnte sie damals, als sie ging, nicht mit nehmen. Irgendwie erleichtert lässt sich Violette hinten auf den Sitz fallen und atmet tief durch. Die Luft hier ist anders. Zumindest bildet sie sich das ein, während sie genießt wie der Sauerstoff ihre Lungen füllt.

"Wohin soll's denn gehen, junge Dame?", fragt der Mann, nachdem er auf dem Fahrersitz platz genommen hat. Er lächelt ihr aus matten grauen Augen über den Rückspiegel zu. Sie erwidert den Blick mit einem kleinen Lächeln.

"Zum Stark... äh, ich meine zum Avenger Tower", teilt sie ihm mit. Dann blickt sie zur Seite aus dem Fenster, während der Fahrer den Motor startet und sich in den Verkehr einreiht. Beinahe hätte sie den alten Namen des Towers verwendet. Dass Tony ihn umbenannt hat und er nun als Hauptsitz der Avengers dient, ist ihr noch immer fremd. Seit S.H.I.E.L.D. sich dank ihrer Arbeit aufgelöst hat, operieren die Avengers unabhängig als eigenmächtige Gruppe. Sie alle wohnen nun dort zusammen. Ein Gedanke der Violette Angst macht, denn das bedeutet, dass sie zwangsweise direkt auf alle zusammen treffen wird. Auch auf Steve... Dem Mann den sie noch immer gerne aus dem Weg gehen möchte. Er hat ihr das Herz gebrochen und sie von sich gestoßen, als sie ihn gebraucht hat. Auch wenn das Ganze mittlerweile über ein Jahr her ist, fühlt sich Violette noch immer verletzt und ist sich einfach nicht sicher wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll.

"Sind Sie das erste Mal in New York?" Die Stimme des Fahrers lässt sie hochschrecken. Sie halten gerade an einer Ampel und er blickt erneut über den Rückspiegel zu ihr.

"Nein. Ich hab hier vor einiger Zeit mal gelebt", antwortet sie und konzentriert sich auf das kleine bisschen eines Parkes, welches sie von ihrer Position aus sehen kann. Die Äste einer großen Weide wiegen sich im Wind.

"Wirklich? Sie sehen nicht so aus, als würden sie aus New York kommen. Eher wie ein Südstadtler", merkt er an. Violette bemerkt dabei, dass der Mann selbst einen Akzent hat. Nur ganz leicht, aber genug um erkennen zu lassen, dass er selbst nicht aus dieser Stadt kommt. Kurz lächelt die junge Frau, als ihr Blick auf ihr Abbild im Rückspiegel fällt. Tatsächlich sieht sie seit sie mit Bucky geflohen ist, anders aus. Ihre Haut ist viel gebräunter und die schwarzen Haare sind einem blond gewichen. Sie hat sie sich seit ihrer Flucht immer wieder gefärbt, damit man sie nicht gleich erkennt. Immerhin war sie, als die Schwester von Tony Stark, bereits des Öfteren in den Nachrichten zu sehen.

"Ich weiß, ich hab eine ganze Weile im Süden verbracht", sagt sie nur vage. Die Ampel springt auf Grün und der Wagen rollt wieder an.

"Und was treibt Sie dann wieder hier her?", stellt der Fahrer erneut eine Frage. Eigentlich hat Violette kein großes Interesse an einem Gespräch, doch sie will auch nicht unhöfflich sein.

"Ich bin wegen meinem Bruder hier", antwortet sie daher leise, den Blick wieder auf die vorbeirauschende Straße gerichtet.

"Das versteh ich. Familie ist wichtig", nickt der Mann. Etwas wo Violett ihm zustimmen muss. Familie ist alles was Violette bleibt. Tony und irgendwie auch Bucky sind ihre Familie. Außer ihnen hat sie seit ihrer Flucht nichts mehr. Nicht mal ihre Freunde sind ihr geblieben. Den Rest der Fahrt schweigt der Fahrer, da er zu bemerken scheint, dass sie nicht reden will. Alles was durch das Fenster an ihr vorbei rauscht, kommt ihr bekannt vor und doch ist es irgendwie fremd. Es scheint als hätte sich die Stadt genauso geändert wie sie es hat.