17. Die Wahrheit

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Ein letztes Mal blickt sie zu dem Gebäude. Für einen Moment hat sie das Gefühl jemanden am Fenster zu sehen, doch als sie erneut hinschaut, ist keiner da. Vermutlich hat sie es sich nur eingebildet... Schnell startet sie den Motor und fährt noch immer etwas durcheinander zum Flughafen.

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Der Flug dauert einige Stunden in denen sich Violette dauerhaft Gedanken macht. Darüber was der Kuss zu bedeuten hat. Ob er überhaupt etwas zu bedeuten hat. Und wenn ja, was? Auf der anderen Seite muss sie an Bucky denken und daran, dass sie sich freut ihn wieder zu sehen.

Als sie aus dem Flugzeug steigt, schultert sie ihren Rucksack und macht sich zielstrebig auf den Weg. Sie schaltet ihr Handy wieder ein, um zu sehen wo genau sie hin muss. Dabei läuft sie immer weiter und achtet kaum auf ihren Weg. Erst als jemand sich ihr in den Weg stellt, schreckt sie hoch.

"Oh, tut mir... ", setzt sie an und blickt hoch. Das Blau seiner Augen scheint zu strahlen und zieht sie wie immer in seinen Bann.Sofort legt sich ein Lächeln auf ihre Lippen.

"Hey!", unterbricht sie sich selbst und umarmt Bucky stürmisch. Er drückt sie kurz an sich, bevor sie wieder auf ihren eigenen Füßen steht. Als sie sich lösen, beugt der Braunhaarige sich vor und gibt ihr einen Kuss. Sofort drängt sich das Bild von Steve, wie er sie küsst, in ihren Kopf. Nein, nein, nein! Sie darf nicht an ihn denken, dies ist nicht Steve! Schnell lässt sie den Kuss leidenschaftlicher werden, nur um Steve zu vergessen. Völlig außer Atem löst sich Bucky schließlich von ihr und schaut sie überrascht an.

"Was war das denn?", fragt er verwundert mit einem Lachen in der Stimme.

"Ich hab dich vermisst", antwortet Violette schnell. Es ist keine Lüge, sie hat ihn vermisst. Er lächelt sie zwar an, aber es ist klar zu erkennen, dass er ihr nicht ganz glaubt. Violette nimmt seine Hand und zieht ihn mit sich in Richtung Ausgang.

"Wo müssen wir hin?", fragt sie um abzulenken.

"Ich hab eine Wohnung am Stadtrand. Es ist nicht weit von hier aus", berichtet Bucky. Gemeinsam steigen sie in ein Taxi und Bucky erklärt dem Fahrer auf protugisisch sie hin müssen. Müde lehnt sich Violette gegen ihn. Sie schaut die Fahrt über aus dem Fenster und betrachtet die recht große Stadt, während sie an ihr vorbeizieht. Wie er gesagt hat, ist es nicht weit und sie sind schon bald da. Schnell bezahlt Bucky den Fahrer und führt sie hinauf in eine kleine Wohnung. Sie ist nicht groß, nur ein Zimmer, aber das kennt sie noch von der Zeit in der sie umhergezogen sind.

Auch wenn es nach der Zeit im Quartier wieder ungewohnt ist. Während sie an das Quartier denkt, denkt sie automatisch auch wieder an Steve und ihren Abschied. Wieder an den Kuss... Ohne groß nachzudenken, dreht sie sich zu Bucky und küsst ihn. Er scheint überrascht, steigt aber direkt drauf ein. Doch das Bild von Steve will einfach nicht weichen. Wieder und wieder sieht sie ihn auf sie zulaufen und spürt seine Lippen auf ihren, auch wenn sie weiß, dass es gerade Bucky ist den sie küsst.

Das Bild muss weichen, sie muss sich irgendwie ablenken. Schnell lässt sie den Kuss fordernder werden. Er steigt drauf ein und lässt sich ohne zu fragen das Shirt ausziehen. Violette fährt mit den Fingern immer wieder über seine vernarbte Schulter und das kalte Metall seines Armes, bevor auch sie ihr Shirt auszieht und der Rest der Klamotten schnell folgt.

Es ist bereits dunkel, als sie wieder aufwacht. Im ersten Moment ist sie verwirrt und schaut sich leicht panisch um, bis sie Bucky neben sich erkennt. Sofort beruhigt sie sich wieder und lässt sich zurück in das Kissen fallen. Violette dreht sich auf die Seite und betrachtet Bucky. Seine Haare sind wieder ein Stück länger geworden und fallen ihm stärker ins Gesicht, während er auf dem Rücken liegt und den Kopf zur Seite gedreht hat.

Die Decke liegt halb über ihm und lässt den Blick auf seinen Metall Arm frei. Lange schaut sie ihn an, bis sie bemerkt, dass er wach wird. Müde schaut er sie an. Sein Blick ist irgendwie vorwurfsvoll, aber auch enttäuscht.

"Was hat er wieder getan?", fragt er Violette leise. Sie weiß was er meint, doch sie zögert zu antworten.

"Er hat mich geküsst", antwortet sie schließlich leise.Sie haben sich einmal versprochen ehrlich zueinander zu sein. Etwas woran sie sich viel zu oft schon nicht hält.

"Woher... ?", fragt sie.

"Ich weiß, dass etwas war? Der Sex... So war er immer wenn du dich von ihm ablenken wolltest." Für einen Moment hat Violette ein schlechtes Gewissen. Auch wenn sie es nicht haben sollte. Das mit Bucky war von Anfang an dazu gedacht sie von Steve abzulenken. Nur wann hat sich das geändert? Wann nur wurde aus der Ablenkung mehr? Wann kamen die Gefühle ins Spiel? Und wie weit reichen sie? Mit einem Mal ist sie vollkommen verunsichert.

"Es tut mir leid", sagt Violette und meint es auch so. Er war für sie immer nur die Ablenkung, doch sie ist für ihn wohl schon lange mehr als nur das. Beide drehen sich auf die Seite, um sich besser ansehen zu können.

"Ich hab dich immer benutzt, damit ich mich besser fühle. Ich hab nie gefragt wie es dir damit geht", murmelt sie von sich selbst enttäuscht. Sie hätte nie gedacht, dass sie mal so etwas tun würde.

"Willst du das wirklich wissen?", fragt er wenig begeistert von dem Thema.

"Ja. Sag es mir", bittet sie auch wenn ihr bewusst ist, dass ihr die Antwort wohl nicht gefallen wird.

"Anfangs war es mir egal. Ich wollte dir helfen und hab eine Möglichkeit gesehen dich von ihm abzulenken und dabei Spaß zu haben. Aber irgendwann war es mir nicht mehr egal. Du warst mir nicht mehr egal. Violette, du bist alles was ich noch habe. Der einzige Mensch, der mich nimmt wie ich bin, egal was ich getan habe oder was für ein Monster ich bin."

"Das Gleiche gilt für dich. Du bist mir nicht egal, warst es nie. Du bist der Einzige der weiß was ich damals in der Lagerhalle getan habe und doch akzeptierst du mich wie ich bin", erwidert Violette.

"Ich werde dich und das was du tust immer akzeptieren, egal was es ist. Selbst wenn du das Monster wärst für das du dich manchmal hältst." Violettes Herz beschleunigt sich. Auch aus Angst. Sie weiß, dass sie fragen muss. Aber sie weiß auch was die Antwort sein wird. Nur weiß sie nicht was sie darauf erwidern soll. Kann sie überhaupt etwas erwidern?

"Warum kannst du das?", stellt sie schließlich die Frage, die schon so lange wie eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen steht.

"Weil ich dich liebe", spricht er leise und zögerlich das aus, was Violette schon seit einer ganzen Weile befürchtet hat. Dennoch überrascht es sie diese Worte aus seinem Mund zu hören. Das macht das Ganze auf einen Schlag real. Damit ist es keine Einbildung mehr, sondern eine Tatsache.

"Ich weiß, dass es dir nicht so geht. Dass du noch immer Gefühle für ihn hast, aber das interessiert mich nicht. Ich liebe dich und ich will, dass du das weißt. Und ich will, dass sich das zwischen uns nicht ändert. Du solltest dich weiter von ihm ablenken und das ist am einfachsten mit mir als Ablenkung", setzt Bucky ernst hinzu.

"Aber es verletzt dich", stellt Violette fest.

"Das ist egal. Hauptsache es geht dir gut." Ein kleines Lächeln schleicht sich auf Violettes Gesicht. Er meint jedes Wort ernst. Sie beugt sich vor und drückt ihre Lippen auf seine. Der Kuss ist zärtlich und liebevoll. Dabei denkt Violette mal nicht an Steve, sondern tatsächlich nur an Bucky. Daran was für ein wundervoller Mensch er ist und dass sie ihn nicht verdient hat.

"Du hast recht. Ich habe noch Gefühle für Steve. Aber das bedeutet nicht, dass ich keine Gefühle für dich habe. Und auch nicht, dass ich dich nicht eines Tages genauso lieben könnte, wie du mich. Nur dass ich es jetzt noch nicht tue", versichert sie ihm. Auch wenn es sie selbst verwirrt, fühlt es sich so an. Sie hat bis dahin nie verstanden wie man für zwei Personen gleichzeitig Gefühle haben kann. Aber noch weniger hat sie verstanden wie dieses Gefühl einen innerlich zerreißen kann...

"Ich habe Jahre lang gewartet um befreit zu werden. Da werde ich auch auf dich warten können", murmelt Bucky und zieht Violette an sich heran. Müde kuschelt sie sich näher und versucht trotz ihrer rasenden Gedanken noch etwas Schlaf zu finden.

Dreamdancer - Ich träum nicht mehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt