Kapitel 3 - Zahlen, Klammern und x

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"Manuel... Kannst du mir bitte sagen, was los ist?",

fragte Herr Bergmann ernst. Mit einer besorgten Miene beugte er sich über den Tisch von mir und Klaus. Den schien das wenig zu stören. Er summte genüsslich vor sich hin und kritzelte irgendwas, was man nicht mal identifizieren konnte, in seinen CollageBlock. Ihm schien es sowas von egal zu sein, dass unser Lehrer gerade wenige Zenitmeter vor uns stand.

Herr Bergmann folgte meinem Blick und er betrachtete stirnrunzelnd Klaus' Bild. Man konnte richtig erkennen, wie sich die Muskeln meines Lehrers anspannten und es hinter seiner Stirn arbeitete. Vermutlich versuchte er auch gerade, irgendetwas Sinnvolles aus dem Wirrwarr von Strichen von Klaus' Zettel abzulesen.

"Klaus... ", meinte er streng, "Es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wir sind gerade im Mathematik-Unterricht, nicht in...", er hustete kurz, "Kunst."

Klaus hob den Kopf und starrte ihn herausfordernd an. "Ich bin aber schon fertig."

Herr Bergmann zog ungläubig eine Augenbraue hoch. "Fertig? Es waren fünf knifflige Textaufgaben. Stoff für fünfundvierzig Minuten." Ich spürte, wie ich ganz langsam in mich zusammensackte. Während Klaus in zehn Minuten Stoff für eine ganze Schulstunde mit Leichtigkeit absolviert hatte, hatte ich noch nicht mal die geringste Ahnung, wie ich mich an die erste Aufgabe herantasten konnte.

Der Lehrer überflog Klaus' Heft und gab es ihm zurück. "Tatsächlich. Kein einziger Fehler."

Während er sich noch über Klaus wunderte, las ich mir die Aufgabe noch mal durch.

"Die Zehnerziffer einer zweistelligen Zahl, ist um 4 größer, als ihre Einerziffer. Multipliziert man die Zahl mit ihrer Quersumme, so erhält man 730. Wie heißt die Zahl?", murmelte ich vor mir hin.

Jetzt erwarteten sie von mir, dass ich eine Gleichung aufstellte? Und, wie zum Teufel ging das!? Ich wagte einen kurzen Blick in das Heft von Klaus, doch da konnte ich nur eine ellenlange Gleichung mit Klammern und gefühlt tausenden x sehen.

Aber bevor ich auch nur irgendwas abschreiben konnte, schlug Klaus sein Heft zu. "Manuel! Man schreibt nicht ab!" Herr Bergmann, der immer noch vor unserem Tisch stand, musterte mich nachdenklich. "Manuel... Jetzt mal ehrlich. Was ist los? Du warst immer ein guter Schüler, der es nicht nötig hatte, abzuschreiben."

Ich zuckte mit den Schultern.

Aber das war scheinbar die falsche Reaktion. Unser Lehrer wurde etwas wütend.

"Wenn das nicht besser wird, solltest du mal über Nachhilfe nachdenken!!", schimpfte er. "Nein!", protestierte ich. "Meine Mutter wird mich umbringen!" "Ich glaube kaum.", meinte Herr Bergmann ruhig. "Geh doch mal in der Mittagspause in Raum 169. Da gibt es kostenlose Nachhilfe."

Nein... Das durfte doch nicht wahr sein... Ich wollte keine Nachhilfe. Allein die Vorstellung, dass man mit ein paar Dummköpfen in einem Klassenzimmer sitzt und von schrulligen, strengen Lehrern Mathe erklärt bekommt, verursachte Kotzreiz.

Bergmann schien meinen Gedanken zu erraten. "Keine Sorge, Kleiner. Die Nachhilfe wird nicht von Lehrern geleitet, sondern von Schülern, der höchsten Klassenstufe." Er zwinkerte.

Urplötzlich wurde mir eiskalt. Ich wusste, dass Palle ein Schüler der höchsten Klassenstufe mit guten Noten in Mathe war. Würde er etwas auch da sein? Das wäre die einmalige Chance ihn kennenzulernen.

"Ich komme.", sagte ich entschlossen. Mein Lehrer lächelte.



Palle, seine Freunde und ich / #kürbistumor #glpalleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt