Noch 6 Tage bis zum Umzug
Als ich am Montag in die Schule kam, war es noch so früh, dass es, obwohl es Sommer war, gerade erst dämmerte. Ich hatte mich bewusst schon um 6:30 aus dem Haus geschlichen, um vor Palle anzukommen, denn ich wollte weder ihm noch seiner Clique begegnen. Zu groß war die Gefahr, dass ich ihnen vom Umzug erzählen würde, doch das wollte ich noch nicht. Irgendwie fühlte ich mich nicht bereit dazu. Noch nicht. Zudem hatte ich keine Lust, mir seinen Vortrag über Drogen anzuhören, denn ich wusste noch 1 zu 1 was am Abend der Party passiert war und ich schämte mich dafür, dass ich Palle so angefallen hatte.
Der Schulhof wirkte noch leer und verlassen, als ich schließlich gegen 6:45, fast eine Stunde vor Schulbeginn, das Schulgelände betrat. Die großen, kräftigen Eichen, die den riesigen Schotterplatz von einem Schulhof in einem Halbkreis umringten, warfen lange Schatten in der aufgehenden Sonne. Die größte von ihnen stand direkt am Schultor und ich wagte einen vorsichtigen Blick dahin. Anscheinend wollte mir das Schicksal einen Streich spielen. Denn der Schulhof war nicht ganz leer und auf dem untersten Asr der großen Eiche saß, wie konnte es auch anders sein, Palle.
Er sah mir direkt in die Augen, als hätte er damit gerechnet, dass ich früher kommen würde, um ihm aus dem Weg zu gehen. Und mir wurde schlagartig bewusst, er hatte auf mich gewartet. Meine unerwiderte Liebe war doch tatsächlich richtig früh aus dem Haus spaziert, um zu vermeiden, mich nicht zu sehen. Das war irgendwie süß. Aber irgendwie auch ganz schön doof. Denn ich wollte immer noch nicht mit ihm reden. Hastig kaute ich mir auf der Lippe herum und überlegte, ob ich ihn einfach ignorieren sollte und mich auf dem Schulklo einschließen sollte, doch da war es schon zu spät. Palle hatte sich von seinem Ast gestemmt und lief auf mich zu, die Hände in den Hosentaschen verborgen, als wäre er entweder nervös und wollte nicht, dass ich sein Zittern bemerkte oder er war wütend und musste sich zurückhalten, mir nicht eine reinzuhauen. Beides war möglich.
Palle blieb so nah vor mir stehen, dass ich erstmal nach Luft schnappen musste, bevor ich ihn ansah. Weit aufschauen musste ich dazu nicht, denn er war gerade mal ein paar Zentimeter größer als ich. Und, wenn ich daran dachte, dass ich noch in der Pubertät war und vermutlich noch wachsen würde, könnte es sein, dass ich in wenigen Jahren größer als Palle sein würde, was mir irgendwie surreal und absolut falsch erschien.
Er sah mich an und wir waren uns so unglaublich nah. Es hätten nur wenige Zentimeter gefehlt und ich hätte meine Lippen auf seine legen können, ihn küssen können, wie ich es mir nur in meinem schmutzigsten Fantasien vorgestellt hatte. Aber das wäre ganz sicher nicht zielführend. Er würde eh nicht erwidern, mich vermutlich sogar angewidert wegstoßen. Und ich wollte nicht, dass Palle von mir angewidert war. Ich wollte, dass er mich hübsch fand, hinter mir stand, mich glücklich machte und, dass er mich freiwillig küsste. Auch, wenn mir klar war, dass das nur reines Wunschdenken war, immerhin würde so ein homophober Junge wie Palle nie etwas für so jemanden wie mich empfinden.
"Hallo, Manu.", sagte Palle leise und so undeutlich, als wäre er wirklich nervös, was ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte. "Können wir reden?"
"Wir reden doch gerade.", erwiderte ich tonlos. Es sollte witzig sein, aber Palle lachte nicht. Noch nicht mal ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf sein Gesicht, obwohl das bei ihm immer so cute aussah.
"Können wir vielleicht reingehen? Ich habe keine Lust, dass andere Leute das mitbekommen."
"Wo siehst du denn hier andere Leute?", fragte ich grinsend, doch auch diesmal lächelte Palle nicht. Stattdessen packte er meinen Arm, wie schon damals vor der Eisdiele und zog mich wortlos in das Innere der Schule. Ich seufzte resigniert und hoffte, dass seine Finger diesmal keine blauen Flecken hinterlassen würden, um meine Mutter nicht noch mehr zu reizen.
Erst als wir in der Mensa ankamen, ließ Palle mich los und ich zupfte an meiner Jacke herum, um den Ärmel wieder in Ordnung zu bekommen. Palle schaltete derweil das Licht an und führte mich zu einem Tisch, an den wir uns, gegenüber voneinander fallen ließen. Und tatsächlich fiel mir erst jetzt auf, dass Palle sich verletzt hatte. Ein kleines Pflaster klebte über seiner rechten Augenbraue und seine Lippen sahen aus, als wären sie erst vor wenigen Tagen aufgeplatzt und gerade erst richtig am Verheilen. Sie waren blau gefärbt und an der angeschwollenen Stelle hatte sich eine Kruste gebildet.
"W-was hast du mit deinem Gesicht gemacht?", fragte ich nun sichtlich erschrocken, sodass ich meinem Gegenüber erstmals ein Schmunzeln entlocken konnte. "Ich habe mich geprügelt.", sagte er lässig und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um mich genauer zu betrachtet. "Geprügelt?", fragte ich, unsicher, ob ich mich nicht verhört hatte und wurde tatsächlich noch blasser, als ich ohnehin schon war.
Palle zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache. "Er hatte es verdient.", sagte er schlicht, auch wenn ich das Funkeln in seinen braunen Augen erkennen konnte, welches mir sagte, dass er eigentlich daran zweifelte, ob die Prügelei wirklich gerechtfertigt war. Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich mich nach vorne beugte und meine Fingerspitzen auf die verheilende Wunde an seiner Lippe legte und ganz vorsichtig darüber streichelte.
Palle zuckte nicht zurück.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ein etwas kürzeres Kapitel, um euch zufrieden zu stellen. c:
Morgen kommt Clashpad, also seid gespannt! <33 Aber die Lesenacht dann vorraussichtlich Samstag Abend. Freut euch drauf und schönen Tag noch! <3
~Zucchinipudding
DU LIEST GERADE
Palle, seine Freunde und ich / #kürbistumor #glpalle
FanfictionDer sechszehnjährige Manuel ist verliebt. Und zwar ausgerechnet in Palle, den hübschesten Jungen der Schule. Blöd nur, dass dieser nicht einmal weiß, dass Manu existiert. Jetzt muss der Schüler einen Weg finden, um die A...