Alle Karten aufgedeckt

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Auf dem großen, flauschigen Sessel, in den ich einsank, fühlte ich mich noch kleiner, als sowie schon.
Ich saß ungefähr 1 1/2 Meter von Adrian entfernt, nur der Schreibtisch zwischen uns.

"Wie geht es dir heute?" fragte Adrian.
Was sollte ich darauf antworten? >Nicht gut<? Ich wollte nur raus aus dem Zimmer?
"Gut." dieses eine Wort zog ich lang und es hörte ich auch eher wie eine Frage an.
"Ok. Hast du dich hier schon eingelebt? Weil wir bleiben länger hier."
Was wollte er eigentlich von mir? Er hatte mich doch nicht extra herbringen lassen, um mit mir Smalltalk zu führen.
Ich zuckte nur mit meinen Schultern als Antwort. Ich war zu nervös, was er wirklich von mir wollte.

Dann war er leise. Er sprach nichts mehr und es entstand eine peinliche und unangenehme Stille im Raum.
Wollte er, dass ich etwas sagte? Oder wollte er mich nervös machen? Wenn ja, dann hatte er es auf alle Fälle geschafft.
Ich sah ihn fragend an. Sein Gesichtsausdruck war komisch. Er sah irgendwie auch nervös aus und... ängstlich? Nein, das konnte nicht sein. Das bildete ich mir nur ein.
Doch als ich auf seine Hände schaute, wurde meine Vermutung, dass er nervös war bestätigt. Er knetete seine Finger so stark, sodass sie schon ganz blass waren.

Als er nach gefühlten zehn Minuten immer noch nichts sagte, platzte es aus mir heraus.
"Was willst du, Adrian? Sag schon." Ich sagte es ziemlich laut und mit einem genervten Ton.
Adrian sah mich erstaunt an, dann zog er seine Brauen wütend zusammen.

Jetzt bekam ich wieder Angst. Wieso hatte ich was gesagt? Das lag bestimmt an meinen Hormonen, denn bald müsste ich meine Periode wieder bekommen.
"'tschuldigung." sagte ich leise und sah auf meinen Schoß.

"Ok, wenn du es unbedingt wissen willst, warum ich dich hab kommen lassen, dann hör jetzt zu. Du willst doch bestimmt wissen, warum du hier bist. Ich werde es dir sagen."

Wow, diese Information hatte mich überrumpelt.
"O-okay." Ich war mir im Moment nicht sicher, ob ich es überhaupt wissen wollte.

Er seufzte, dann überlege er etwas.
"Also...Du bist so eine Art Geißel oder Druckmittel für deine Eltern."

soetwas hatte ich mir natürlich schon einmal gedacht, doch es hatte für mich keinen Sinn ergeben. "Aber was willst du von Ihnen? Wir sind zwar nicht arm, aber haben keine Millionen auf unserem Konto."

"Uns geht es auch nicht um Geld." sagte er knapp. "Geld haben wir genug, ich glaub das kann man eigentlich sehen. Oder dachtest du, dass wir das alles gestohlen hätten?" er lachte bei dieser Frage, doch als er meinen Gesichtsausdruck sah, hörte er schlagartig auf.
"Ist das dein ernst? Wie oft sollen wir noch zeigen, dass wir nicht die bösen sind. Alles was du hier siehst haben wir ehrlich gekauft. Vielleicht sind unsere Einnahmequellen illegal, aber der Rest nicht."
"Was ist denn an eurer Einnahmequelle illegal?" fragte ich. Eigentlich hatte ich keine Antwort erwartet, doch da hatte ich mich getäuscht.
"Du fragst ernsthaft, was an Drogendealen und -exportieren illegal ist?" lachte Adrian.
Warum lachte er denn?
"Woher sollte ich denn wissen, was ihr arbeitet?" fragte ich ein bisschen verletzt.
"Sag nicht, du wusstest nicht, was wir machen. Ich dachte Nico würde es dir schon am ersten Tag sagen und wenn nicht er, dann spätesten Sam, nachdem, was mein Kollege machen wollte." sagte er verblüfft.
Ich schüttelte bloß meinen Kopf.

"Okay...naja zurück zum eigentlichen Thema. Du bist hier, weil ich mich an deinen Eltern rächen will."
" Warum?"
"Ich hatte bis zu meinem fünften Lebensjahr ein tolles Leben. Meine Eltern haben sich um mich gesorgt und mir Zuneigung und Liebe geschenkt. Doch dann hat sich alles verändert. Meine Eltern hatten ein neues Kind bekommen. Es war ihr Schatz, ihr ein-und-alles. Sie haben sich nicht mehr um mich gekümmert, haben gesagt, dass ich nichts Wert sei, was sie mir auch jeden Tag zu spüren gegeben haben. Da war es auch nicht verwunderlich, dass ich auf die Schiefe Bahn gekommen bin. Ich hatte die falschen Freunde und hab mich mit Drogen angefreundet. Um die Schule hab ich mich nicht gekümmert. Welches Kind macht das schon, wenn niemand dahinter steht, ob auch wirklich etwas gemacht wird. Mit 14 hab ich mich entschlossen, wegzulaufen. Meine Eltern haben mich nicht aufgehalten, waren sogar froh, dass sie mich los waren.
An diesem Tag hab ich mir geschworen, mich an ihnen zu rächen." endete er seinen Monolog.
Ich musste erst alles verarbeiten, was er gesagt hatte, bis es dann plötzlich bei mir Klick machte.
"Aber... Du hast doch gesagt, dass du dich an meinen Eltern rächen willst, was hat das mit deinen Eltern zu tun?" Ich wusste schon die Antwort, doch ich wollte nicht einmal daran denken, dass das wahr sein könnte.
Doch allein Adrian's Gesichtsausdruck, bestätigte meine Vermutung.
"Nein....Du...das kann nicht sein. Mein Bruder ist gestorben, als ich noch klein war."
Jetzt war er wütend. "Das haben sie dir gesagt?! Dass ich gestorben bin?! Wie bin ich denn gestorben?" brüllte er mich an.
Ich wischte mir über das Gesicht und meine Finger berührten meine nassen Wangen. Ich weinte. Er machte mir Angst und diese Information war zu viel.
"Er hatte einen Autounfall. Sein Freund hat das Auto gegen einen Baum gefahren." schluchzte ich.
"Diese Arschlöcher! Was dachten sie sich dabei?" auch wenn er immer noch brüllte, könnte ich Schmerz in seiner Stimme erkennen. Es musste schlimm sein, so von seinen Eltern verstoßen zu werden.
"Du musst dich irren, meine Eltern würden niemanden so etwas antun. Sie sind gute Menschen. Sie lieben mich, ihr Kind."
"Ich bin auch ihr Kind, ob sie wollen oder nicht. Und mich haben sie nicht geliebt."

Ich wollte nicht weiter darauf eingehen. Plötzlich fiel mir etwas wichtiges ein.
"Du kannst gar nicht mein Bruder sein. Er hieß nämlich Logan." sagte ich erleichtert.
"Stimmt, er heißt Liam Adrian Willson."
"Nein, bitte nicht." Immer mehr Tränen liefen meine Wangen hinunter. Ich konnte es nicht fassen. Mein Entführer, der Mann, der mich geschlagen und zu wilden Tieren gesteckt hatte, war mein Bruder, der eigentlich tot sein müsste.

Adrian stand auf und ging auf mich zu. Ich zuckte zurück, als er mich berühren wollte.
"Bitte nicht." schluchzte ich.
"Hey Cathy. Alles wird gut. Das verspreche ich dir."
"Nichts wird gut. Ich will nach hause zu meinen...unseren Eltern. Kannst du das nicht verstehen?"
"Ich verspreche dir, dass du sie Wiedersehen wirst." sagte er ruhig.
"Und wann? Wie lange willst du mich noch festhalten?"
"Eigentlich solltest du gar nicht so lange bei uns bleiben, dich ich wollte dich nicht schon wieder verlieren. Ich liebe dich Cathy. So wie ein Bruder seine kleine Schwester liebt. Auch wenn du mich fast gar nicht kennst. Ich habe dich dein ganzes Leben beobachtet. Wie du in die Schule gekommen bist. Als dich der Nachbarsjunge fast verprügelt hätte-"
"Das warst du! Du warst der unheimliche Typ, der Tim verprügelt hat oder?" als mich Tim, der Nachbarsjunge verprügeln wollte, K ein fremder Junge und schlug Tim ins Gesicht. Dann war er schon wieder verschwunden und ich musste einen Krankenwagen rufen, da Tim ohnmächtig war.
"Er lag wegen dir 2 wichen im Krankenhaus, weil er eine schlimme Gehirnerschütterung hatte."
"Er wollte dich schlagen. Da müsste ich eingreifen."
"Auch wenn du andere eingreifen können hättest. Danke, dass du mir geholfen hast."
Urplötzlich war es mir egal, dass er mich entführt hatte. Er war mein verloren geglaubten Bruder und ich hatte ihn wieder. Er war die ganze zeit mein Schutzengel.
Ich umarmte ihn, als ob er gleich wieder verschwinden könnte.
"Es tut mir alles so leid Cathy. Ich wollte doch nur eine Familie. Ich wusste keinen anderen Weg."
"Hättest du es gleich gesagt, wär alles nicht so schlimm gewesen."
"Kann sein, dich ich hab mich nicht getraut. Ich wollte erst sehen, ob du dich auch so wie unsere Eltern entwickeln würdest."

Wir umarmten uns noch eine Weile, bis ich ihn loslies und fragte: "Wie lange muss ich noch hier bleiben? Ich hab Heimweh."
Adrian seufzte traurig. Ich konnte Tränen in seinen Augen schimmern sehen.
"Du kannst gehen, wenn du willst. Einer der Jungs wird dich wieder nachhause bringen. Aber ich wäre froh, wenn du noch ein paar Tage bleiben würdest. Jetzt, wo alle Geheimnisse aufgedeckt sind, könnten wir u.s richtig kennenlernen."
Ich überlegte kurz. "Darf ich wirklich gehen? Wann ich will? Kann ich jetzt gehen?"
Traurigkeit machte sich in Adrian's Gesicht breit. Er schluckte, dann sprach er. "Ja, wenn du jetzt gehen willst, dann geh schon mal in die Küche. Einer der Jungs wird dich holen und nachhause bringen."
Ich stand auf und griff nach der Zimmertür, um sie zu öffnen.

Der Racheakt - erste Begegnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt