Konfrontation

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„Schatz, rede mit uns." flehte meine Mutter. Wir befanden uns in einem Zimmer im Krankenhaus. Meine Mutter saß zur hälfte auf meinem Bett und griff nach meiner Hand. Mein Vater stand stützend hinter ihr.
„Bitte, Kathy. Alles ist gut, du bist wieder bei uns. Jetzt wird alles besser. Aber du musst mit uns reden." Doch ich hatte ihnen nichts zu sagen.
Nachdem ich aus dem Krankenwagen in dieses Zimmer gebracht wurde, waren meine Eltern hereingeplatzt. Meine Mutter hatte mich mit Tränen in den Augen umarmt und so fest gedrückt als ob ich ihr wieder entgleiten würde. Ich hatte sie auch gedrückt, schließlich hatte ich beide schrecklich vermisst. Aber trotzdem musste ich jedes mal wenn ich sie betrachtete an den jungen, ausgestoßenen Adrian denken. War das wirklich war? Ich wollte sie danach fragen, doch ich wusste nicht wie.
Deshalb antwortete ich ihnen im Moment garnicht. Doch meine Mutter gab nicht auf.
Und jetzt schloss mein Vater sich ihr auch noch an. „Liebling, was ist los? Wieso redest du nicht mit uns? Du kannst uns alles sagen." er wirkte unheimlich gefasst für diese Situation. Als ob er das Szenario schon hunderte Male in seinem Kopf durchgegangen wäre.

„Ich kann euch alles sagen?!" fragte ich aufgebracht. „Und was ist mit euch? Sagt ihr mir denn auch alles?"
Sie sahen sich geschockt in die Augen. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. „Was...was meinst du, Schatz?" flüsterte meine Mutter.
„Oh...tut doch nicht so! Ihr wisst genau, was ich meine. Ihr habt doch bestimmt schon erfahren wo ich die Liebe lange Zeit war." zischte ich ihnen entgegen.

Sie sahen sich beide Schuldbewusst an. Dann wendete mein Dad das Wort an mich. „Liebling, wir wissen, welche Person dich entführt hat. Und er wird auch seine gerechte Strafe dafür bekommen, das versprechen wir. Aber jetzt wollten wir ihn nie mehr in unserem Leben erwähnen, so ein Mensch soll nicht in die Nähe unseres Engels kommen." Er drehte sich weg. Für ihn war dieses Thema damit offenbar abgeschlossen. Doch ich sah das anders. Ich wollte alles wissen.
„So ein Mensch? Meint ihr einen Mann, der als Kind von seinen Eltern im Stich gelassen wurde? Der deshalb in die Drogenszene gerutscht und letztendlich von zuhause weggelaufen ist, weil er dort keine Liebe und Zuneigung bekommen hat? So ein Mensch vielleicht?"
„Er war ein Teufel in Menschenform." zischte meine Mutter ausgebracht. Anscheinend hatte ich einen Wunden Punkt bei ihr getroffen. Doch das war mir im Moment egal. „Er war Respektlos und hat dich in Gefahr gebracht. Er hätte dich fast in der Badewanne ertrinken lassen, weil er zu High war, um klar zu denken. Und einmal hat er seine Drogen offen liegen lassen. Du hast es gefunden und damit gespielt. Überall an dir war dieses Zeug. Du hast es eingeatmet und in den Mund genommen. Wir mussten mit dir in die Notaufnahme. Als wir dann wieder zuhause waren, war Liam weg. Wir haben ihn nie wieder gesehen und das war gut so."

Kurz war ich verwirrt, dass sie ihn Liam nannten, doch so hieß Adrian schließlich mit Vornamen. Aber was sagten sie da über den Unfall in der Badewanne?
„Ihr habt mir erzählt, dass Adrian mich ertränken wollte und nicht, dass er auf Drogen war. Wie konntet ihr nur so lügen. Das war doch nicht seine Absicht gewesen! Und wieso habt ihr gesagt, dass er gestorben ist? Ich war so traurig darüber."

„Er hätte es auch genauso gut mit Absicht machen können. Das spielt keine Rolle. Und nach seinem Verschwinden war es für uns als ob er gestorben wäre. Wir waren ihn endlich los." ihre Wörter tropften vor Abschaum. 

Ich war geschockt. Geschockt von ihren Aussagen und wie sie ihren eigenen Sohn so behandeln konnten. Wieso hatte ich das nie mitbekommen? Ich war klein, ja, aber so etwas musste man doch bemerken.
Ich hatte eine tolle Kindheit. Sie hatten mir Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen, wir waren jedes Jahr im Urlaub und ich konnte immer zu ihnen, wenn es mir schlecht ging. Wie konnten solche Menschen so Gefühlskalt gegenüber ihrem anderen Kind sein.

„Ihr kotzt mich an. Adrian ist so ein toller Kerl und ihr redet so schlecht von ihm. Ich...ich will, dass ihr geht. Ich möchte jetzt allein sein. Ich muss alles verarbeiten." meine Gedanken warren so wirr. Ich wollte eigentlich im Moment nur zu Sam. Wie es ihm wohl ging?

„Aber Liebling, wir-„ begann mein Dad, doch er wurde von dem Arzt, welcher die Tür öffnete, unterbrochen.

„Hallo Catherina...störe ich?" er war mitten im Raum stehengeblieben. Wahrscheinlich spürte er die dicke Luft im Raum.

Ich sah ihn geradewegs in die Augen. „Nein, überhaupt nicht. Schicken sie meine Eltern bitte raus." sagte ich mit einen eiskalten Blick in die Richtung meiner Eltern.

Der Arzt sah nochmals zwischen uns dreien hin und her, dann legte er ein typisch professionelles Doktorenlächeln auf und sagte zu meinen Eltern: „Herr und Frau Willson, da ich den Gesundheitszustand ihrer Tochter untersuchen will, würde ich sie freundlich aus den Raum schicken. Beruhigen sie sich und trinken einen Kaffe in unsere Mensa."

Meine Eltern standen auf und gingen ohne ein Wort zu sagen zur Tür. Meine Mutter drehte sich nochmal um und öffnete ihren Mund, als ob sie etwas sagen wollte. Doch ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nichts mehr hören.
Dann drehte sie den Kopf um und schloss die Tür hinter sich.

Der Racheakt - erste Begegnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt