Epilog

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Gedankenverloren sah ich zwei dicken Tropfen zu , wie sie ein Wettrennen an der Scheibe unseres Autos machten.
Draußen regnete es. Dicke dunkle Wolken verdeckten die Sonne und ließen die Stadt trist und farblos erscheinen.
Seufzend wand ich meinen Blick von den Tropfen ab, die jetzt  am unteren Rand zum Halt gekommen waren und fokussierte mich auf die Menschen, an denen wir vorbeifuhren. Trotz des schlechten Wetter sahen sie glücklich aus. Sie mussten ja auch nicht vor Gericht und eine Aussage gegen den Menschen machen, den sie liebten.

Seit Vier Wochen bin ich nun zuhause. Doch so fühlte es sich nicht mehr an. Meine Eltern wichen mir keine Minute von der Seite. Ich wusste, dass sie mir nur helfen wollten, aber es war komisch wieder bei ihnen zu sein. Meine Gedanken drehten sich stets um die letzten Monate. Das alles, die vielen Information und Ereignisse, hatten mein Leben verändert.
Ich wusste einfach nicht, was ich von meinen Eltern, Adrian, Sam und meiner neuen Psychologin Fr. Dr. Ried denken sollte.

Fr. Dr. Ried oder auch Stella, wie ich sie nennen sollte - weil wir doch so gute Freundinnen wären, die uns alles erzählen konnten - war seit meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, meine therapeutische Unterstützung, um mich wieder selbst zu finden.
Dr. Fischer, Sie und meine Eltern waren nämlich der Meinung, dass ich an einem Stockholm- Syndrom leide. Davon hatte ich davor schonmal gehört, jedoch weiß ich, dass ich das nicht habe.
Sie sagen, dass ich garnicht wirklich in Sam verliebt wäre. Es wäre mein Gehirn, dass mir diese Gefühle vorgaukelt, damit ich dieses schreckliche Erlebnis besser verkraften könne.
Zu Beginn war ich unsicher und glaubte ihnen, doch jetzt bin ich mir sicher, dass sie mich nur verunsichern wollen. Sie alle wollen nicht, dass ich mit dem Mann glücklich werden kann, den ich liebte. Sie wollen ihn mir wegnehmen, für immer einsperren. Doch das weiß ich zu verhindern.

Eigentlich war heute meine Aufgabe gegen die Jungs auszusagen. Sie auszuliefern. Die letzte Woche musste ich immer und immer wieder wiederholen, was Fr. Dr. Ried mir aufgeschrieben hat. Damit ich vor Gericht ja keinen Fehler mache. Mir wurde sogar vorgeschlagen zu weinen, um die Herzen der Geschworenen zu erweichen.
Ich hatte brav mitgespielt und alles getan was sie von mir verlangt hatten.

„Erde an Cathy, hörst du mir zu?" wurde ich von meiner Mutter aus meinen Gedanken gerissen. Ich sah zu ihr, wie sie mit ihrer Hand vor meinem Gesicht wedelte.
„Du hast nicht zugehört, oder?" sie atmete theatralisch aus, „Ich hab gesagt, dass wir gleich da sind. Wenn wir aussteigen, schau auf den Boden und rede mit keinen, verstanden?"

Mit „keinen" meinte sie die Journalisten, die seit ich aus dem Krankenhaus gekommen war ständig vor unserer Haustüre stehen und ein Interview mit mir machen wollten. Doch meine Eltern und auch ich wollten das nicht zulassen. Ich stand schon genug in der Öffentlichkeit ohne ein Interview zu geben.
Ganz Deutschland kannte mich jetzt, als das Mädchen, das von ihrem irren, gewalttätigen Bruder entführt und festgehalten wurde. Da musste ich ihnen nicht auch noch mehr Stoff zum antreiben der Gerüchte geben.

Noch als ich auf ihre Frage zur Antwort nickte, kam das Auto zum stehen. Schon als ich aus dem Fenster blickte, drehte sich mir der Magen um. Mindestens zwanzig Personen mit Kamera, Mikrofon oder Notizblock standen vor dem Gericht und drängten sich mittlerweile zu unserem Auto.

Ich atmete einmal tief ein und folgte meiner Mutter. Mein Blick glitt zu Boden. Auf hässliche Bilder von mir in den Nachrichten konnte ich noch mehr verzichten.
Meiner Mutter nahm meine Hand und zog mich durch die Menge.
Ich erkannte, wie wir durch eine Tür gingen, welche laut hinter mir geschlossen wurde. Sofort wurden die Fragen der Journalisten von der Tür hinter uns ausgeschlossen. Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte garnicht gemerkt, dass ich meinen Atem angehalten hatte.

Mein Blick wanderte wieder nach oben und ich erkannte sofort, wo sich der Gerichtssaal befand. Denn an der rechten Seite stand eine große dunkelbraune Flügeltür offen. Davor standen bereits Fr. Dr. Ried und mein Anwalt. Sie lächelten mir unterstützend zu. Aus Höflichkeit lächelte ich zurück, doch dies wirkte anscheinen nicht so überzeugend. Denn beide tauschten einen kurzen, unsicheren Blick aus.

Der Racheakt - erste Begegnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt