"Bald wird es Frühling", sage ich und blinzle gegen die Sonne, die gerade aus dem grau weißen Himmel hervorlugt. Aus einem inneren Impuls heraus greife ich nach seiner Hand. Ich mag es, wie er so neben mir läuft. Seine warme Hand. Ich genieße die Sonnenstrahlen und schließe die Augen halb. Lasse mich von ihm leiten, setze nur einen Fuß vor den anderen. Ich mag diese Art von Sonne. Die Sonne, die an einem grauen und dunklen Tag hervorschaut, als wolle sie sich kurz versichern, ob alles in Ordnung ist. Diese Sonne kann ich am besten wertschätzen. Ich sage zwar immer, ich hasse die Sonne, ich bin ein Winterkind. Aber das stimmt so nicht. Ich mag sie nur nicht in Übermaßen.
"Warum?", fragt er. Es stört ihn nicht, dass ich seine Hand genommen habe. Sein Daumen zieht kleine federleichte Kreise über meinen Handrücken. Wärme breitet sich nun auch in meinem Magen aus. Warum? Es ist ein Gefühl. Das schöne Gefühl nach einem bitteren wunderbaren langen Winter, wenn die Sonne immer öfter beginnt einen zu necken und die Vögel beginnen immer lauter zwitschern und zu singen. Ich spüre es an der Art der Luft und der Weise, wie das Wasser in dem Bachbett plätschert. Wie ein Instinkt, in einem Moment, meist bei einem Spaziergang, wie diesem, überkommt es mich. Es wird Frühling. Und ich freue mich. Es kommt mir immer so vor, als würde das neue Jahr erst mit dem Frühling beginnen. Silvester ist nur der offiziel festgelegte Termin für den Beginn eines neuen Jahres. Aber der wirkliche Beginn ist der Frühling. Die Frische des Neuanfangs ist förmlich zu riechen. Irgendetwas liegt in der Luft, das jedem Lebewesen neue Kräfte verleiht und etwas wachsen bringt. Der Frühling verleiht neue Lebenslust.
"Keine Ahnung", lächle ich. Er lässt es darauf beruhen. Ob er es auch fühlt? Ich weiß es nicht. Aber ich frage nicht. Erkläre nicht. Wenn ich wichtige Worte ausspreche verlieren sie für mich an Wert und meist verändert sich ihre Bedeutung. Manche würde mich als wortkarg beschreiben. Ich glaube, sie haben Recht. Ich selbst bin manchmal überrascht, wenn ich mehr als nur zwei Sätze am Stück rede. Dann kann es passieren, dass ich es mitten im Satz bemerke und dann mehr über die Worte stolpere, als das sie fließen würden. Eine lästige Angewohnheit.
Ich wische gedanklich die Gedanken aus dem Weg und konzentriere mich wieder darauf zu laufen. Schritt für Schritt. Atmen. Seine Wärme neben mir. Ich glaube sie durch die zwei Schichten Jacken zu spüren, was natürlich Blödsinn ist. Aber es fühlt sich so an. Es ist schön, jemanden neben sich zu haben. Nicht einmal methaphorisch gemeint. Einfach nur jemanden zu haben, der neben einem läuft, den Schritt an den eigenen anpasst. Das bildet eine Verbundenheit.
Wenn ich laufe fällt es mir am einfachsten meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Manche stellen sich unter die Dusche oder legen sich aufs Sofa, um tiefsinnige Gedanken zuzulassen. Ich laufe. Schritt für Schritt setzen sich auch meine Gedanken in Bewegung. Ich krame im Laufen in alten Erinnerungen. Lasse Peinlichkeiten, schlechte Erfahrungen, wie auch schöne Erinnerungen und Gefühle noch einmal hochkommen. Durchlebe sie nocheinmal und denke darüber nach. Nur so komme ich darüber hinweg.
Wenn man neben jemandem läuft, geht man gleichermaßen auf den anderen ein. Das gleiche Tempo, die Schritte passen sich einander an, man spürt die Anwesenheit des anderen stärker, als normal. Wenn sich zwei Menschen noch nicht gut kennen, merken sie es besonders, wenn sie nebeneinader laufen. Es strengt einen an, sich auf einander abzustimmen, wenn man wenig mit dem neben einem gemeinsam. Doch mit der Zeit funktioniert es. Oder eben auch nicht. Laufen ist der ultimative Test, ob man gut mit jemandem auskommt.
Im Laufen hatte ich schon die tollsten Gespräche. Mit Menschen, die ich gut kenne, mit denen ich im Einklang gehen kann. Mit diesen Menschen habe ich schon die längsten Strecken zurückgelegt, ohne es zu merken. Und genau das passiert gerade Die Zeit und Strecke verfliegen. Wir laufen zusammen, ohne uns wirklich für längere Zeit zu kennen und trotzdem funktionieren wir. Und das auch ohne viel zu reden. Ich mag Menschen, mit denen man nicht viel reden muss, doch mit denen die Stille trotzdem nicht unangenehm wird. Aber so jemanden zu finden, ist nicht einfach. Ich kann die Menschen, mit denen das möglich ist an einer Hand abzählen.
Links, rechts. Und wieder links. Seine Hand immer noch in meiner. "Tyler", spreche ich ihn an. Sein Gesicht wendet sich mir zu und seine dunklen Augen mustern mich aufmerksam. Ich kratze all meinen Mut zusammen und frage: "Willst du mit mir gehen?"
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Twenty One Pilots |-/ OneShots
Fiksi PenggemarEin paar Kurzgeschichten über twenty one pilots. Hoffe du hast Spaß beim Lesen. Stay alive my fren! |-/