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Marks Sicht:

Ich stieg aus dem Auto und rannte auf Lauras Haus zu. Auf dem Weg hierher hatte ich bestimmt drei rote Ampeln überfahren.
Als ich die Haustür erreicht hatte, klingelte ich und hämmerte dagegen.

Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich gerade spätabends gegen die Tür einer Schülerin schlug, aber ich war mittlerweile so fertig mit den Nerven, dass mich das nicht mehr schockierte.

Steven hatte ich einfach im Schnee liegen gelassen.

Plötzlich bildete ich mir ein, Schreie im Haus zu hören.
Kurzerhand überlegte ich, die Tür aufzutreten. Sie sah nicht sehr stabil aus, doch da hörte ich Schritte und die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet.

"Was wollen sie denn hier?", fragte eine Männerstimme.

Die Kette war vorgelegt, aber ich roch bis nach draußen, dass der Kerl getrunken hatte.

"Ich würde gerne mit Laura sprechen."

"Sie hat keine Zeit", murrte er und wollte die Tür wieder schließen, doch ich klemmte meinen Schuh dazwischen.

"Bist du das Leon? Wo ist Laura?"

"Warum bist du hier? Hat Steven dir alles gesagt?"

Er klang plötzlich verunsichert und ich beschloss zu pokern, denn ich wollte nicht riskieren, dass er die Tür wieder zumachte.

"Ja. Er hat mir alles gesagt und jetzt lass mich rein. Lass uns reden. Überleg doch mal ich steck' da doch auch mit drin! Ich will doch auch, dass das alles geregelt wird!"

Ich wartete einen Moment zitternd vor Anspannung, denn seine Antwort jetzt war entscheidend.

"Du steckst da doch überhaupt nicht drin!"

Sehr gut. Steven hatte ihm nichts von meiner Affäre mit einer Schülerin gesagt.

Stevens Sicht:

Ich stand im Bus. In einigen Minuten würde ich die Straße erreicht haben, in der Laura wohnte.
Vielleicht wäre es das beste, einfach meine Sachen aus der Wohnung zu holen und aus der Stadt zu verschwinden, aber ich hatte hier eine gute Stelle und Mark hatte mein Auto.

Ich wollte nicht schon wieder abhauen.

Der Bus hielt und ich joggte los.
Was würde mich gleich erwarten? Mark war mit Sicherheit schon hier, aber Leon würde doch nicht so blöd sein, sich bei einer Dummheit von ihm erwischen zu lassen? Oder etwas von seiner Macht über mich sagen?

Ich bog um die Ecke und stand in der Einfahrt zum Haus. Zwei Polizeiautos standen hinter meinem Wagen.
Ich ging langsam aufs Haus zu.

Zwei Beamten führten Mark in Handschellen zu einem Auto.
Ich stand wie angewurzelt da. Als auch Leon und Laura aus dem Haus geführt wurden, zeigten sie beinahe gleichzeitig auf mich und redeten auf die Polizisten ein.

Einige Zeit später waren wir alle auf der Wache.
Ich saß neben Leon in einem Raum und wartete darauf, verhört zu werden.

"Was ist passiert?", fragte ich ihn.

"Als dieser Herr Fender geklingelt hat, hab' ich Laura einfach in so einen Raum geschubst und abgeschlossen.
Ich hab dann an der Tür mit ihm geredet.

Anscheinend hatte die kleine Hure ein Handy dabei und hat währenddessen die Polizei gerufen.

Als die kamen hatte ich ihn gerade reingelassen.
Wenn wir beide gegen ihn aussagen, könnte es für ihn schwer werden, da raus zu kommen."

Ich stöhnte und massierte meine Schläfen.

"Und was ist eigentlich mit dir passiert?", fragte er und deutete auf mein von Marks Schlag geschwollenes Auge.

"Ich werde gegen dich aussagen. Ich werde sagen, dass du mich die ganze Zeit erpresst hast und Mark nichts getan hat."

"Das ist ein Witz! Dir ist klar, dass dann im Verhör erzähle, wie Marie mich ausgenutzt hat."

"Meinetwegen. Das wird dich auch nicht besser aussehen lassen. Glaubst du, dass du als ausgenutzter Schüler dastehst, wenn Laura dich der sexuellen Belästigung bezichtigt, zwei Lehrer gegen dich aussagen und die Lehrerin, die dich angeblich ausgenutzt hat, damals in einer Beziehung war und das mit dir vollkommen abstreitet?!

Ach und außerdem bist du betrunken. Das kommt bei Polizisten nie gut an."

Mit einem Lächeln stand ich auf und ging in den Verhörraum.

Marks Sicht:

Gott sei dank sagten die Beamten mir nach 30 Minuten, dass ich gehen könnte.
Ich würde mit Steven reden und mir alles erklären lassen, aber fürs erste schien alles gut gegangen zu sein.

Auch Laura ging es gut. Ihre Eltern hatten sie eben abgeholt.
Müde stieg ich in ein Taxi und nannte dem Fahrer die Adresse meiner Wohnung.

Ich hatte keine Ahnung, ob Steven mich wegen Emica verraten würde, aber wie ich jetzt hier saß und glücklich war, beschloss ich etwas.

Ich würde meinen Job kündigen. Ganz egal, was Steven sagte oder nicht sagte. Meine Gefühle für Emica waren echt und sie verdiente mehr als eine geheime Affaire.

Als das Taxi hielt, bezahlte ich den Fahrer. Ich lief das Treppenhaus hoch.
Ich würde nur kurz duschen und dann mit meinem eigenen Wagen zu Emica fahren.

Überglücklich wollte ich die Tür aufschließen, doch zu meiner Überraschung war sie offen.

Es brannte Licht.
Da stand Emica mit dem Rücken zu mir.

"Ich habe eben mit Laura telefoniert. Sie hat mir alles erzählt."

Ich stand bewegungslos da und wartete auf ihre Worte.

Sie drehte sich wie in Zeitlupe um und ihr Gesicht war tränenüberströmt.

"Er wohnt bei dir? Deswegen durfte ich deine Wohnung nicht sehen? Weil ich nichts mitkriegen sollte von deiner Freundschaft mit diesem ekligen... Was bist du eigentlich für ein Mensch?"

"N..nein!", stotterte ich und mein Herz schlug mir bis zum Hals.

"Ich.. kenne dich gar nicht!", schluchzte sie und rannte an mir vorbei aus der Wohnung.

Ich stolperte ihr hinterher.
Als ich unten war fuhr sie schon in meinem Taxi davon.

So sehr ~ A long way to love                                      Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt