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Marks Sicht:

In der Schule war alles merkwürdig normal. Die Schüler, die Gänge, der Unterricht.
Niemand hatte eine Ahnung, was gestern Nacht passiert war.

In der ersten Stunde hatte ich ihre Klasse.
Ich atmete einmal tief durch und betrat dann den Raum.

Mein Blick suchte den Raum ab. Sie war nicht da. Beide waren nicht da. Natürlich waren sie nach den gestrigen Ereignissen zu Hause geblieben.
Der Tisch an dem Laura und Emica sitzen war leer.

Ich stellte meine Tasche aufs Pult und begann mit dem Unterricht.
Nach einer Weile schrieb ich eine Buchseite an die Tafel und forderte die Schüler gerade zur Stillarbeit auf, als es klopfte.

"Herein!", rief ich und sah zur Tür.

Laura hastete herein und hinter ihr Emica. Laura sagte etwas von Bus verpasst und ich sah nur Emica in die Augen.
Zu meiner Freude wich sie meinem Blick nicht aus.

Emicas Sicht:

Mark stand wie angewurzelt vorne und wir warteten vergeblich auf die Erlaubnis uns hinzusetzen.
Als das Schweigen peinlich wurde sah ich unsicher zu Laura und die zog mich einfach zu unserem Tisch, wo wir uns setzten.

Es war bestimmt nicht meine Idee gewesen, herzukommen. Laura hatte lange auf mich eingeredet, wie wichtig es ihr wäre, jetzt zu zeigen, dass sie sich nicht versteckte.

Obwohl ich das für Blödsinn hielt, hatte ich nachgegeben, denn sie wusste ja nichts von meinen Gründen nicht herkommen zu wollen.

Eigentlich war es nur ein Grund und der stand vorne, räusperte sich jetzt und sagte dann:" Okay, also dann lesen wir jetzt erstmal gemeinsam laut den Text. Sarah, fang bitte an."

Er lies mich nicht aus den Augen und wann immer ich den Blickkontakt zu ließ, brannte mein Hals und mein Bauch zog sich zusammen. Mark hatte heute einen schlichten Pullover an und seine Augen leuchteten. Er fuhr sich mehrmals durch die Haare, die immer aussahen als wären sie etwas zu lang.

Ich hatte keine Ahnung, woher sich Mark und Steven kannten, aber inzwischen wusste ich, dass Steven und Leon ein Team waren und Steven schon seit er in der Stadt war, bei Mark wohnte.

Ich ging nach Stundenende aus der Klasse und Mark kam mir hinterher. Seine Haare bewegten sich durch den nervösen Gang und ich hätte mich am liebsten einfach von ihm in den Arm nehmen lassen.

Als er mich fast erreicht hatte, trat eine Lehrerin vor mich und sprach ihn an. Er lächelte gezwungen und lies sich von ihr in eine Unterhaltung verwickeln. Ich drehte mich um und ging.

Ich steuerte den Gang mit den Toilleten an, da ich spürte, dass ich den Tränen nahe war.
Auf der Treppe begegnete ich Laura und Lucas, die sich überglücklich küssten und miteinander flüsterten.

Mir wurde plötzlich richtig schlecht und ich sprintete das letzte Stück. Ich riss die Tür auf und klammerte mich mit beiden Händen ans Waschbecken. Mein Spiegelbild sah müde und elend aus.

"Emica?"

Laura kam zu mir und sah mich besorgt an.

"Es geht mir gut", schluchzte ich und sie umarmte mich.

"Erzählst du mir endlich, was mit dir los ist?", fragte sie und ich schluckte. "Du bist im Unterricht seit längerer Zeit immer abwesend und du ziehst dich von deiner Familie und deinen Freunden zurück!"

Ich starrte sie an. War das so auffällig?
Ich machte mich von ihr los und zog ein Tuch aus dem Papierspender. Dann wischte ich mir die Tränen ab, atmete tief durch und lehnte mich rückwärts ans Waschbecken.

"Rede mit mir, Emica! Ich möchte doch nur für dich da sein."

Ich umklammerte mit beiden Händen den Rand des Waschbeckens.

Mark hatte mich angelogen. Er hatte mir nichts von Steven gesagt. Ich wusste nicht, ob er mit Steven und Leon zusammen gearbeitet hatte.
Was hielt mich also davon ab, Laura einfach die Wahrheit zu sagen?

Er verdiente es nicht mehr beschützt zu werden.

Marks Sicht:

Als ich beim Betreten meiner Wohnung Geräusche hörte, dachte ich zunächst, Emica wäre hier.

Eine Zimmertür öffnete sich und Steven kam heraus mit einem Koffer und einem Rucksack bepackt.
Die Hoffnung, Emica wäre gekommen, fiel in sich zusammen und ich biss die Zähne zusammen vor Schmerz.

"Hey...ich. Bin schon weg.", sagte er ohne sich zu rühren. "Leon ist in Untersuchungshaft."

Ich nickte.
"Sagst du mir die Wahrheit, bevor du gehst?", fragte ich, da ich bis jetzt keine Ahnung hatte, was zwischen den beiden abgelaufen war.

Er lächelte.
"Was hat eigentlich deine Affäre..."
"Ich liebe sie.", schnitt ich ihm das Wort ab.

Jetzt nickte er. "Tja, ich liebe Marie auch. Und das heißt du verstehst, warum ich nicht mit die reden kann."

"Wer ist Marie?"
Ich erwartete kein Antwort. Wir sahen uns noch einen Moment an, dann ging er an mir vorbei hinaus.

Ich ging in das Zimmer, in dem er gewohnt hatte und stellte fest, dass er tatsächlich alles mitgenommen hatte.
Ich wartete einen Moment, dann holte ich meine Autoschlüssel und verließ selbst die Wohnung.

Hey! Hat etwas gedauert, aber jetzt geht's zügiger weiter.

So sehr ~ A long way to love                                      Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt