Sie standen da, gefangen in ihrer eigenen Wunderwelt, einem Ort, der so nicht existieren dürfte. Einem Ort ohne Regeln, und einem Ort ohne Verpflichtungen. Sprachlos von der Enthüllung, die Elisa vor, was sich nun wie eine Ewigkeit anfühlte, gemacht hatte. Standen einfach nur da, wie Statuen, erstarrt als wären sie eingefroren worden. Eiskalt und leicht zerbrechlich. Doch auch ohne ein schlagendes Herz in ihrer Brust, ohne einen Ort, den sie als Sitz der Menschlichkeit bezeichnen konnten, brachte sie die Liebe dann doch dazu, wieder aufzutauen.
„Das muss dir nicht leidtun." Robs ruhige Stimme brach den Zauber schließlich, der sich um sie herum ausgebreitet hatte. An seine Stelle legte sich nun ein neuer Zauber, der Rob aus seiner Starre riss und, ganz entgegen seiner sonstigen Scheu, einen Schritt auf Elisa zugehen und ihr sanft eine Hand auf die Schulter legen ließ. Sie zuckte unter seiner plötzlichen Berührung zusammen, doch fand sie so den nötigen Mut, ihren Blick vom Boden zu heben und mit Tränen in den Augen in die Runde zu blicken.
„Vielmehr müssen wir uns entschuldigen, dass wir nicht schon früher bemerkt haben, dass du das nicht möchtest." Er zog seine Hand unsicher wieder zurück, fast so, als wäre er sich nicht sicher, ob er nicht einen schweren Fehler begangen hatte. Dabei war ihm klar, dass der weit größere Fehler erst dazu geführt hatte.
„Verdammt!" Chester hatte seine Hände zu Fäusten geballt, auf die er nun seine Stirn krachen ließ. Eine Reaktion, die noch mehr Verwirrung stiftete. „Verdammt, verdammt, verdammt!"
„Chaz", Elisa wandte sich aus Brads Umarmung und packte den Sänger sanft an den tätowierten Handgelenken. Sie konnte die Hitze der bunten Flammen beinahe spüren, als sie seine Hände langsam vom Kopf wegzog und über die Fäuste strich. „Es tut mir leid."
„Nein." Er schüttelte energisch den Kopf, ehe er aufsah und ihr in die Augen blickte. Die Trauer, die sie dabei in seinem Blick erkannte, brach ihr förmlich das Herz. „Ich habe schon wieder versagt. Dabei hab' ich mir geschworen, dieses Mal alles richtig zu machen." Er ballte seine Hände wieder zu Fäusten. „Einmal für andere da zu sein."
„Ich mache dir keine Vorwürfe, Chaz. Es ist nur, wenn ich daran denke...", der Kloß in ihrem Hals hinderte sie daran weiterzusprechen. Stattdessen flüchtete sie wieder in Brads Arme und ließ den Tränen freien Lauf. „Was ist nur aus mir geworden?"
Eine Frage, die sie alle wie ein Schlag ins Gesicht traf. Weil sie wussten, dass Elisa Recht hatte. Dass sie sich verändert hatten, keiner mehr die Person war, die er bei seiner Ankunft gewesen war. Sie alle hatten sich verändert, im Guten wie im Schlechten. Und es war das Schlechte, mit dem Elisa nicht länger umgehen konnte.
„Wenn ich nur daran denke", sie versuchte mit einigen tiefen Atemzügen die Stabilität in ihrer Stimme wiederzugewinnen, während sie ihre Stirn an Brads Schulter lehnte und den Blick erneut zu Boden richtete. Der Blick, aus dem die Lebensfreude gewichen war, die sonst immer in ihm lag. „Meine Eltern müssen jeden Tag mit der Ungewissheit leben, was aus mir geworden ist und ich? Ich werde genau zu dem, vor dem sie ich immer gewarnt hatte. Ich werde zu einer Kriminellen, während sie nicht wissen, wie sie das ungewisse Schicksal ihres einzigen Kindes verkraften können. Wenn ich ihnen doch wenigstens sagen könnte, dass sie nicht länger auf mich warten müssen, sondern ich hier auf sie warte. Dass es mir hier gut geht, trotz allem."
„Ich bin mir sicher, das wissen sie." Keiner wagte es, auch nur einen Mucks zu machen, als Brad Elisas Gesicht sanft zwischen seine Hände nahm und sie so dazu brachte, ihm in die Augen zu sehen. „Ich bin mir sicher, dass sie im Wohnzimmer sitzen und die Bilder über dem Kamin betrachten. Das erste, das dich als kleines Mädchen zeigt, in dem gelben Kleidchen, so strahlend hell wie die Sonne an einem wunderschönen Sommertag. Das von deinem ersten Schultag. Von deinem sechzehnten Geburtstag, auf dem du stolz aus deinem Auto lachst. Das Foto, das entstanden ist, als du die Universität abgeschlossen hast. Und das neueste, unser Hochzeitsfoto. Ich bin mir sicher, dass sie all diese Fotos anschauen und wissen, dass es ihrem kleinen Mädchen gut geht. Weil sie mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit selbst in die größte Dunkelheit, wie unüberwindbar sie auch scheinen mag, stets einen kleinen Lichtstrahl bringt." Er strich ihr mit dem Daumen vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du bist der Sonnenschein in meinem Leben."
DU LIEST GERADE
Between the Wor(l)ds |Linkin Park|
Fanfiction»Weiß ich, wo ich bin? Weiß ich, was passiert ist? Weiß ich, wer ich bin? Nein.« Als Mike eines Abends ohne Erinnerungen an die Vergangenheit im beinahe menschenleeren Los Angeles erwacht, beginnt für ihn das Abenteuer seines Lebens, das ihn näher...