Passion - Linsey - One

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„Hey." Er hauchte die Worte beinahe, als hätte er Angst, dass ihre Wucht die Gestalt vor ihm zerplatzen lassen würden. Doch so leise er auch sprach, sie drehte sich dennoch zu ihm um und schenkte ihm ein schmales Lächeln, fast so, als würde sie sich darüber freuen, ihn wiederzusehen.

„Hallo Mike." Unsicher ging er einige Schritte auf sie zu, stets darauf bedacht, eine gewisse Distanz zu bewahren, wollte er sie doch nicht wieder in Bedrängnis bringen.

„Tut mir Leid wegen der Kommentare letztens", schien sie seine Gedanken zu lesen während sie mit einer Kopfbewegung einige der braunen Strähnen in ihr Gesicht fallen ließ, als wollte sie ihre roten Wangen vor Mike verbergen. „Ich weiß, dass du eigentlich kein schlechter Kerl bist."

„D-danke", fand er nun auch seine Stimme wieder. „Sag mal, Anna..."

„Ja?" Sie lugte fragend hinter den Strähnen hervor, während sie einen Schritt auf ihn zuging, um die absurd wirkende Distanz zwischen ihnen zu verkleinern.

„Verbringst du eigentlich den ganzen Tag hier?" Immerhin war er auf gut Glück hierhergekommen und hatte sie trotzdem angetroffen, dieses Mal an einen Baum gelehnt.

„Sieht es wirklich danach aus?" Wieder schenkte sie ihm ein schmales Lächeln, das immer noch weit von einem richtigen Lachen entfernt war. Aber ein Anfang, ein starker Kontrast zu ihren großen Augen, in denen immer eine gewisse Traurigkeit lag.

„Eigentlich schon." Mike spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht kroch, während Anna ihm mit einem Kopfnicken bedeutete, sie auf einen Spaziergang durch den weitgehend menschenleeren Park zu begleiten.

„Ich kümmere mich um die Menschen hier", verlautbarte sie schließlich nach einigen Momenten der Stille, den Blick immer fest auf die wenigen Meter vor ihren nun wieder bloßen Fußspitzen gerichtet. „Ich finde sie, helfe ihnen, gib ihnen einen Platz in dieser Welt", erklärte sie mit leiser Stimme, die Mike deutlich machte, dass sie nicht weiter darauf eingehen wollte. Wahrscheinlich, weil dies unweigerlich zu der Frage führen würde, die jedem hier unter den Nägeln brannte und die trotzdem niemand beantworten konnte. Die niemand gerne stellte. Stattdessen beschloss er, sich nach etwas anderem zu erkundigen. Etwas, das ihn seit ihrem bisher längsten Treffen beschäftigte.

„Woher kennst du eigentlich Elisa?" Ein Name, der sie merklich zusammenzucken ließ, brachte er doch augenblicklich Erinnerungen zurück. Erinnerungen an einen Verlust, der noch nicht allzu lange zurück lag. Und zugleich schien Annas dünnes Kleid nun zu einer undurchdringbaren Rüstung zu werden, fast so als ob hätte Mike sie persönlich angegriffen.

„Tut mir leid", murmelte er, verdattert von ihrer unerwarteten Reaktion, während Anna abrupt stehen blieb und ihn plötzlich anblickte. Doch wider Erwarten lag in ihrem Blick keinerlei Abneigung oder gar Hass, sondern nur eine unglaubliche Traurigkeit, die Mike beinahe dazu brachte, sie in seine Arme zu schließen. Die Erinnerung an das Messer, das sie stets bei sich trug, hielt ihn jedoch davon ab.

„Kein. Problem", kam die Antwort abgehackt, gefolgt von einem Seufzer. „Wir sollten unsere Lieben, die nicht mehr unter uns sind doch in Erinnerung behalten, oder?"

Eine Frage, die Mike unerwartet hart traf. Vergaß man in all dem Trubel hier doch nur zu leicht, wer der ständige Begleiter in dieser Welt war: der Tod.

„Ich habe die zwei gefunden, als sie angekommen sind. Bin bei ihnen geblieben, bis Elisa aufgewacht ist. Sie hat Brad geweckt und ich habe mir gedacht, ich lasse den beiden ein wenig Zeit miteinander. Um ehrlich zu sein", sie zögerte kurz, „bin ich davon ausgegangen, dass sie sich alleine zurecht finden. Immerhin waren sie zu zweit, eine Seltenheit in dieser Welt."

Between the Wor(l)ds |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt