„Ich hätte ja wissen müssen, dass das früher oder später passiert. Also gut, hört zu Kinder, es gibt Bienchen und..." Wie durch eine dichte Nebelwand drang die etwas schockierte Stimme zu Mike vor, vermachte aber noch nicht, ihn aus der Traumwelt zu reißen. Viel zu wohl fühlte er sich dort, als wäre er komplett schwerelos.
„Chester! Es ist nicht das, wonach es aussieht!", protestierte eine andere, wesentlich hellere Stimme, die er genauso wenig zuordnen konnte, auf der Stelle.
„Bist du dir da sicher?", erkundigte sich die erste Person wieder, die, der Stimmlage nach zu urteilen, trotz der Uhrzeit von einem Ohr übers andere grinste.
„Außerdem sieht es nicht einmal danach aus." Etwas, oder besser gesagt jemand erhob sich von Mikes Oberkörper, der offenbar als Kopfpolster gedient hatte. Aber nun, da die Person verschwunden war, war auch die Wärme, die von ihr ausgegangen war, weg. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als doch die Augen aufzuschlagen, war nun an Schlaf nicht mehr zu denken.
„Wonach sollte es denn aussehen?" Chester sah Anna, die nun an der Bettkante hockte und ihr Gesicht in den Händen vergraben hatte, herausfordernd an. Und erst dann kehrten Mikes Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück. An Annas Geschichte, an das Vertrauen, das sie ihm entgegenbracht hatte. Und an die Tatsache, dass sie offenbar irgendwann an ihn gekuschelt eingeschlafen war. Von allen Personen hatte es natürlich wieder ausgerechnet Chester sein müssen, der sie so in der Früh gefunden hatte und nun seinen Spaß mit diversen Kommentaren hatte.
„Also ich weiß ja nicht wie ihr die Lage beurteilt, aber ich, als neutraler Beobachter, finde das halt schon sehr verdächtig euch zwei da um halb zwölf im gleichen Bett zu finden", unterstrich er seine Worte noch mit in die Luft gemalte Anführungszeichen und einem lauten Lachen.
„Wir haben nur geredet, Chester, okay? Nur. Geredet." Frustrierte rollte Anna mit den Augen und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, die von Mikes Umarmung noch etwas zerzaust waren.
„Jaja, das sagen sie alle, und dann sind sie schw..."
„CHESTER!!!" Mikes Unterstützung kam in Form seines Kopfpolsters, der trotz seiner Müdigkeit erstaunlich genau in Chesters Gesicht traf, dafür aber mit doppelter Kraft retourniert wurde.
„Bin ja schon still. Mike, in zehn Minuten proben wir, kipp' dir bis dahin ein paar Kaffee runter, sonst bist du ja für nichts zu gebrauchen. Und Anna", er deutete kurz auf sie, hatte er ihr doch für Nachts eines seiner T-Shirts überlassen, „ich glaube du kannst dir ab sofort Gewand von Mike ausborgen. Er hat sicher nichts dage-he-gen!", flötete er und tänzelte förmlich aus dem Zimmer, nur um im nächsten Moment eine Reihe schauriger Schreie von sich zu geben, eine Einstimmung auf die bevorstehende Probe.
„Guten Morgen." Seufzend wandte sich Anna nun an Mike, der sie nur schmunzelnd betrachtete, war er doch erleichtert, dass sie sich nun auf diese Weise mit Chester bekriegte. „Der glaubt doch nicht ernsthaft?"
„Chester? Keine Ahnung, ich glaube, der einzige, der seine Gedankengänge versteht, ist er selbst." Mit einem Gähnen rappelte er sich schließlich auf und blickte Anna einen Moment lang an, ehe beide in lautes Gelächter ausbrachen, war die Situation doch ein willkommener Kontrast zu den Tränen, die noch wenige Stunden zuvor vergossen worden waren.
„Alles bereit?" Chester sah zu seinen Bandkollegen, die sich um ihn versammelt hatten und ihm nun zunickten. Und doch konnte er sich die Gelegenheit für einen weiteren Seitenhieb nicht entgehen lassen. „Mike, du auch? Weißt du, ich verstehe, dass du müde bist, nach..."
„CHESTER!!!"
„Ruhe auf den billigen Plätzen!", brüllte er demonstrativ in sein Mikrofon und deutete auf Anna, die auf einem Sessel lümmelte und die Band neugierig betrachtete. Wusste sie zwar, dass Chester Musik liebte, doch hatte sie ihn nie gemeinsam mit einer Band singen hören. Und so war sie gespannt, was die sechs Jungs in den letzten Wochen auf die Beine gestellt hatten, weshalb sie ihm keinen Konter gab sondern einfach darauf wartete, bis die ersten Töne eines Songs namens Carousel erklangen und sie nicht anders konnte, als gebannt der Musik und dem Text zu lauschen.
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Between the Wor(l)ds |Linkin Park|
Fanfictie»Weiß ich, wo ich bin? Weiß ich, was passiert ist? Weiß ich, wer ich bin? Nein.« Als Mike eines Abends ohne Erinnerungen an die Vergangenheit im beinahe menschenleeren Los Angeles erwacht, beginnt für ihn das Abenteuer seines Lebens, das ihn näher...