2. Dass da die Chance ist, dass es ewig bleibt

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Frida schlummerte friedlich in ihrem Kinderwagen, als Karin die Haustür öffnete und den Kinderwagen mit den Einkäufen in den Hausflur bugsierte. Auf dem Weg zur Wohnungstür hielt sie noch schnell am Briefkasten und zog einen Stapel Post heraus. Den Wagen stellte sie neben ihre Wohnungstür und brachte, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, ihre Einkäufe in die Küche. Danach holte sie die schlafende Frida herein und legte sie in ihre Wiege, die im Wohnzimmer stand. Während Frida unbeeindruckt ihr Nickerchen fortführte und dabei zufrieden an ihrem Schnuller nuckelte, verstaute Karin ihre Besorgungen in die passenden Schränke, Schubladen und Regale.
Gerade als sie sich den Briefen auf dem Küchentisch widmen wollte, hörte sie ein leises Quengeln aus Richtung Wohnzimmer und schaute nach Frida. Es war Zeit für ihr Mittagessen und die beiden ließen sich zum Stillen auf dem Sofa nieder.
Nachdem Frida wieder im Traumland versunken war, setzte Karin sich zurück an den Tisch und schaute die Post durch. Neben ihren Gehaltsabrechnungen und einem Haufen Werbeprospekten erspähte sie den Brief, dessen Ankunft sie bereits ungeduldig und gleichzeitig mit Beklommenheit erwarteten. Karin ließ ihn nervös in ihren Händen rotieren und obwohl es warm genug war, begann sie zu frösteln, als sie mit ihrem rechten Zeigefinger vorsichtig und wie in Zeitlupe das Schreiben öffnete. Sie zog es vorsichtig heraus und begann aufgeregt zu lesen.

Stefan parkte hektisch und gestresst seinen Mercedes vor ihrer Haustür und spurtete zur Eingangstür. Sein G-Kurs hatte mal wieder in einem unbeobachteten Moment einen Versuch gemacht und den kompletten Chemieraum in Cola getränkt, obwohl er extra gesagt hatte, dass niemand etwas anfassen solle und sie das Experiment gleich gemeinsam draußen auf dem Schulhof machen. An seine Anweisungen hatte sich natürlich niemand gehalten, als er noch kurz in den Materialraum verschwunden war. Das Reinigen hatte länger gedauert, als der eigentliche Unterricht und so war er spät dran und beeilte sich, um zu seiner Familie zu kommen.
Bevor er die Wohnungstür aufschloss, atmete er noch einmal tief ein und aus und auf seinem Gesicht breitete sich ein Strahlen aus. Dies fiel ihm jedoch schnell wieder aus diesem, als er die Tür öffnete und Karin sah, die mit Tränen in den Augen am Küchentisch saß und ihren Blick auf einen Brief in ihrer Hand gerichtet hatte. Er ließ die Tür ins Schloss fallen und war sofort an ihrer Seite. Auf seine Frage, was los sei, bekam er jedoch keine Antwort und er nahm ihr stürmisch das Schreiben aus den Händen.

Sein Atem stockte, als er den an ihn adressierten Briefkopf des Instituts der Rechtsmedizin der Uniklinik Köln las. Seine Hände begannen zu zittern, sein Herz laut zu pochen und seine Ohren zu rauschen. Ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt. Ganz langsam bewegten sich seine Augen weiter nach unten und er las sich die Zeilen nach und nach durch. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen und er rieb sie sich, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht verlesen hatte. Dann lies er das Testergebnis auf den Küchentisch sinken und zog Karin blitzschnell in seine Arme, um sein Gesicht in ihrer Halsbeuge zu vergraben. Sie legte ihre Arme fest in seinen Nacken und beide schlossen die Augen. Wie ein Mantra murmelte er die beiden Sätze immer wieder an ihrer Haut und erst als er sie das gefühlt tausendste Mal reproduzierte, verstand Karin sein Raunen: „Frida ist meine Tochter. Ich bin ihr Papa."
Plötzlich und ohne Vorankündigung wirbelte er sie ein paar Mal im Kreis, um sie schließlich auf den Boden der Tatsachen zu stellen. Er legte seine Hände auf ihre Wangen und zog sie zu einem stürmischen Kuss zu sich. Karin ließ sich von seinen Glücksgefühlen anstecken und intensivierte den Kuss, sodass beide eine Weile knutschend in der Küche standen.

Wie aufs Stichwort regte es sich im Wohnzimmer und Stefan ließ Karin einfach in der Küche stehen, als er sich gut gelaunt auf den Weg zu seiner Tochter machte.
„Papa übernimmt das, Frida." Er erspähte sie auf ihrem Rücken liegend, ihre Arme über ihren Kopf gestreckt und wild mit den Füßen wackelnd. Den Bewegungsdrang hatte sie eindeutig von ihm geerbt. Sachte hob er sie heraus auf seinen Arm und redete auf dem Weg zum Sofa mit ihr, was sie sofort entspannte.
Mit einem frechen „Papa, kann zwar einiges, aber fürs Essen ist immer noch Mama zuständig" legte er sie Karin, die ihm gefolgt war und sich bereits auf dem Sofa fürs Stillen fertig gemacht hatte, in die Arme. Nachdem er für Karin noch ein Glas Wasser aus der Küche geholt hatte, ließ er sich neben seinen beiden Frauen auf der Sitzgelegenheit nieder. Seinen Arm schlang er um Karins Schulter und beobachtete Frida verliebt beim Trinken, während er ihr liebevoll über ihr Köpfchen streichelte. Ohne nur ein einziges Wort zu sagen, genossen die drei die Ruhe, die einzig von Fridas kaum hörbaren Schmatzen durchbrochen wurde.
Als Stefans Blick auf die Uhr fiel, konnte er ein etwas zu lautes „Verdammte Axt" nicht unterdrücken, sodass Frida verwirrt aufschreckte und eingeschüchtert aufhörte zu trinken. Sofort sprach er besänftigend auf sie ein und setzte seine Streicheleinheiten auf ihrem Kopf fort. Dies entspannte sie und sie begann hungrig weiter zu saugen, während sie ihr kleines Fäustchen vertraut an Karins Brust platzierte.
„Was ist denn los?", erfragte Karin überrascht.
„Jetzt ist es leider schon zu spät, aber ich möchte morgen schnellstens mit euch zum Standesamt, um die Vaterschaftsanerkennung abzugeben und mich als Fridas Papa in ihre Geburtsurkunde eintragen zu lassen."
„Das kann dir ja gar nicht schnell genug gehen", stellte sie fest.
„Natürlich nicht, jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Da möchte ich mit Haut und Haaren und allen Rechten und Pflichten dabei sein und uns auch offiziell zu einer Familie machen."
Karin war gerührt von seiner Aufopferung gegenüber Frida und beugte ihr Gesicht zu seinem hinüber. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, sagte sie: „Wir haben morgen am späten Nachmittag die U3. Du kommst doch mit?"
„Ja, definitiv und davor können wir direkt zum Standesamt."
Um ihre Abmachung zu besiegeln, überbrückte Stefan glücklich die letzte Distanz zwischen ihnen und küsste sie gefühlvoll.
„Karin?", murmelte er in den Kuss hinein, den beide nun unterbrachen. Gespannt schaute sie ihm tief in die Augen, während er ihre Gesichter mit seiner Hand an ihrer Wange nah beieinander hielt. Den Zeigefinger seiner anderen Hand hatte Frida beim Trinken fest umklammert. „Ich liebe dich."
Sie war so überrascht über seine Worte, dass sie gar nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Er zeigte jeden Tag auf seine Art und Weise, was er für sie empfand, aber es war das erste Mal, dass er diese drei Worte ihr gegenüber aussprach und es machte sie unfassbar glücklich. In ihren Augenwinkeln bildeten sich kleine Freudentränen, von denen eine den Weg über ihre Wange fand. Sanft strich er sie mit seinem Daumen weg und sah sie einfach nur voller Liebe an.
„Ich liebe dich auch", bekam sie nur unter Schluchzen und ebenso gefühlvoll heraus.
Schon lagen ihre Lippen wieder liebevoll aufeinander, wobei er zärtlich mit seiner Nase gegen ihre strich.

Ein perfekter Moment, den möchte man am liebsten einfrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt