49. Und du küsst mich, nebenbei

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„So Frida, sattle dein Pferd", rief Stefan ihr zu, als er an diesem sonnigen Samstag in grauer Jeans und weißem T-Shirt durch die Terrassentür nach draußen in den blühenden Garten kam. „Mama und Jakob warten vorne auf uns."
„Aber Papa, ich habe doch gar kein Pferd", erwiderte sie verwirrt und rutschte von ihrer roten Schaukel, die an dem dicken Ast des großen Baumes hing.
„Stimmt", lachte Stefan. „Ich meinte natürlich auch dein Laufrad, deinen Helm habe ich schon mitgebracht..." und hob diesen für sie sichtbar nach oben „... und Mama kommt mit Jakob im Kinderwagen durch die Haustür, dann können wir zum Spaziergang in den Park und zu den Enten starten."
„Yeah, endlich und auf den Spielplatz gehen wir auch", jubelte sie fröhlich und rannte zum Schuppen. Stefan war ihr dicht auf den Fersen, um die Tür aufzuschließen und gemeinsam zogen sie das hellgrüne Rad heraus. Gerade als Stefan ihr den Helm auf den Kopf setzte, begann Frida ihre Meinung zu ändern. „Papi, ich möchte lieber meinen Roller nehmen", grinste sie ihn putzig an, sodass sie noch einmal das Fortbewegungsmittel tauschten und Frida glücklich durch die Gartenpforte in Richtung Haustür rollte.

Das kleine Mädchen fuhr fröhlich mit ihrem silbernen Roller immer ein paar Meter vor ihren Eltern auf dem Gehweg voraus, die ihr im gemächlichen Tempo folgten. Ihr rot geblümtes Kleidchen, unter dem sie eine helle Leggings trug, wehte locker im Wind und sie stieß sich immer wieder sanft mit ihren roten Schuhen vom Boden ab. Ihr geflochtenes Zöpfchen lugte unter ihrem grünen Helm heraus.
Stefan schob seinen schlafenden Sohn in seinem dunkelblauen Kinderwagen hinterher. Der gerade neun Tage alte Vollmer schlummerte friedlich und auf Grund der Wärme lediglich in einem weißen kurzen Body in seinem Wagen. Das weiße Sonnensegel schützte den kleinen Körper vor den warmen Strahlen. Seine beiden Ärmchen streckten sich über sein Köpfchen, seine Händchen waren zu Fäustchen geballt und immer wieder schwangen seine nackten Füßchen im Schlaf hin und her. Ein paar kurze, blonde Härchen kräuselten sich in seinem Nacken.
Karin in ihrem dunkelblauen Sommerkleid mit ihren braunen Sandalen griff nach Stefans Hand und verschloss ihre Fingerspitzen liebevoll miteinander, während sie nebeneinander her schlenderten. Ihre blonden Haare waren unbesorgt zu einem Messy Bun auf dem Kopf gebunden und die schwarzen Sonnenbrillen saßen auf ihren Nasen, während die Sonne vom wolkenlosen, hellblauen Himmel strahlte.
„Hallo, Leonie", rief Frida euphorisch, als sie ihre Kindergartenfreundin auf der Hofeinfahrt mit ihrer Mutter entdeckte. „Wir wollen Enten füttern und zum Spielplatz, kommt ihr mit?", erfragte sie hoffnungsvoll, als sie bei Marie und Leonie ankam, die gerade an ihrem Auto standen.
Betrübt schüttelte das braunhaarige Mädchen ihren Kopf. „Wir fahren zu Oma und Opa in den Strebergarten zum Erdbeeren essen", erklärte sie dann jedoch freudestrahlend.
„Schade", zogen sich Fridas Mundwinkel enttäuscht nach unten.
Marie, Karin und Stefan, die inzwischen auch bei den Dreien angelangt waren, lachten. „Du meinst wohl den Schrebergarten", verbesserte Stefan das vier Jahre alte Mädchen.
Sie grinste vergnügt: „Upsi. Darf ich mal gucken?" deutete Leonie auf den Wagen und schaute Stefan fragend an, der ihr fröhlich zunickte. Er hob sie unter ihren Achseln nach oben, damit sie einen besseren Blick auf den kleinen Jakob erhaschen konnte. Auch Marie guckte neugierig hinein, um den kleinen Vollmer zum zweiten Mal aus nächster Nähe zu sehen, da sie der Familie in den ersten Tagen Zeit und Ruhe geben wollten, waren sie bisher erst einmal zu einem kurzen Besuch noch im Krankenhaus vorbeigekommen. Verträumt betrachtete sie den Säugling, der gelassen an seinem blauen Schnuller nuckelte.
„Der schläft ja", äußerte sich Leonie überrascht.
„Ja...", verdrehte Frida genervt die Augen und legte ihren Roller auf den Boden. „... der schläft die ganze Zeit und wenn er nicht schläft, dann pupst er in seine Windel, so doll, dass man sich die Nase zuhalten muss oder er schreit und weint. Total laut und stinkig."
Die Erwachsenen brachen in lautes Gelächter aus.
„Das hast du auch nur gemacht, als du klein warst", strich Karin ihrer Tochter zärtlich den Rücken und schloss sie in ihre Arme. Frida hatte sich seit Jakobs Geburt noch nicht komplett daran gewöhnt, dass sie nicht mehr alleine im Mittelpunkt stand, sondern besonders der Kleinste im Moment die größte Aufmerksamkeit bekam, da er noch nicht für sich selbst sorgen konnte. Deshalb kam bei Frida in manchen Situationen die Eifersucht durch, obwohl sie sich die meiste Zeit aufopferungsvoll um ihren kleinen Bruder sorgte und ihre Eltern versuchte zu unterstützen.
„Der Kleine ist ja noch süßer als auf den Bildern, die du mir geschickt hast und definitiv ein kleiner Vollmer, nur ein bisschen sehr zierlich", bewunderte Marie den kleinen Jakob, während sich Frida und Leonie neugierig den Murmeln zuwandten und sich auf die Pflastersteine setzten.
„Wir haben uns gestern Abend erst Babybilder von Stefan angeschaut und er war früher auch ein kleiner Hänfling", neckte Karin ihren Mann.
„Dafür bin ich aber jetzt groß und stark", grinste er. Stefans nackter Unterarm schlang sich um Karins Hüfte und er zog sie liebevoll dicht an seine Seite. „Aber er hat die wunderschönen, durchdringenden, blauen Augen seiner Mama." Zärtlich drückte er verliebt einen Kuss auf ihre Schläfe und sie schmiegte sich fest an seinen vertrauten Körper, während sie für einen kurzen Moment die Augen schloss.
„Was macht ihr denn morgen?", erkundigte sich Karin bei ihrer Freundin. „Wir bekommen Besuch von den beiden Omas, Günther und Jonas mit dem Hund."
„Und Timmi kommt auch", erklärte Frida, die einen Teil der Unterhaltung aufgeschnappt hatte.
Stefan schüttelte den Kopf: „Nein, Frida. Tim muss doch morgen arbeiten."
„Stimmt", grinste sie und schlug sich leicht gegen die Stirn. „Der muss morgen Rettungswagen fahren."
„Also, wie sieht es aus? Ihr kommt doch", sagte Stefan und ließ quasi keine andere Antwort als eine Zustimmung zu.
„Ich weiß nicht, ist ja schließlich ein Familientreffen."
„Ihr seid auch Familie, außerdem würde sich Frida freuen, wenn sie mit Leonie ins Planschbecken kann und die Zwei mit Benny spielen können", erwiderte Stefan ehrlich.
„Dann bringe ich aber einen Erdbeerkuchen mit oder was habt ihr vor?"
„Kuchen essen und abends grillen, jeder bringt was mit", erklärte Karin.
„Dann mache ich fürs Grillen noch mein Faltbrot mit den getrockneten Tomaten."
„Das klingt super, dein Faltbrot ist grandios", stimmte Karin begeistert zu.
„Wir sehen uns morgen."
„Wir freuen uns", lächelte Karin und die beiden Frauen schlossen sich zum Abschied fest in die Arme.
„Frida, kommst du? Ihr könnt morgen Nachmittag weiter zusammen spielen. Die Enten warten auf uns."

Ein perfekter Moment, den möchte man am liebsten einfrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt