„Verdammte Axt, wieso passt das denn schon wieder nicht?"
Stefan stand fluchend vor der Haustür am Straßenrand und versuchte nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit ihr Urlaubsgepäck in ihrem Kombi unterzubringen. Sie hatten Karins Smart inzwischen verkauft und sich dafür einen neuen Wagen gekauft. Glücklicherweise hatte er gute Überzeugungsarbeit leisten können und seinen heiß geliebten Mercedes behalten können. Mit Karins Smart wäre er schließlich nicht in die Schule gefahren, da fühlte man sich wie ein Elefant im Porzellanladen und für die ganzen Babyutensilien, die sie seit knapp drei Monaten überall mit sich hin schleppten, war er ebenfalls viel zu klein.
Als er endlich den Kinderwagen und alle Koffer und Taschen verstaut hatte, kam Karin auch schon vollgepackt mit Frida im Maxi-Cosi, ihrer Handtasche, der Wickeltasche und ihrem Nackenkissen nach unten. Er nahm ihr die schlafende Frida ab und befestigte sie ordnungsgemäß und sicher auf der Rücksitzbank hinter dem Beifahrersitz.
Als er die Tür schloss, stand Karin direkt neben ihm an der geöffneten Beifahrertür. Sie trug flache Schuhe, eine bequeme Hose und ein lockeres Oberteil. Ihr Gesicht war frei von Makeup und ihre Haare hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Ihre Augen waren klein und sie sah müde und kaputt aus. Er legte seine Arme um sie und drückte ihr einen Kuss auf die Haare. Beide genossen für eine kurze Zeit die Wärme des Anderen und Karin schloss die Augen.
Die letzte Nacht war anstrengend gewesen. Aus irgendeinem Grund war Frida die ganze Nacht quengelig gewesen und hatte immer angefangen zu weinen, wenn man sie wieder in ihr Bettchen gelegt hatte. So lange ihr Haus noch nicht bezugsfertig war, mussten sie sich mit der Enge in Stefans Wohnung arrangieren und sie schlief in ihrer Wiege neben Karins Bettseite. Im Hinblick auf ihre knapp sechsstündige Autofahrt heute in den Urlaub, war sie irgendwann mit Frida ins Wohnzimmer auf die Couch gegangen, damit wenigstens Stefan noch etwas Schlaf bekam. Dort brachte nach endlosem Ausprobieren verschiedenster Methoden erst der direkte Körperkontakt beim Kuscheln unter der Decke in Kombination mit ihrem Kirschkernkissen auf dem Bauch, ihrem Schnuller im Mund und dem leisen Summen eines Schlafliedes im Ohr Beruhigung, sodass auch Karin zumindest noch ein kleines bisschen dösen konnte.
„So, bevor du mir jetzt im Stehen einschläfst, setzt du dich schon mal ins Auto. Ich checke nochmal kurz, ob wir alles haben."
Karin setzte sich in den Pkw und Stefan lief in die Wohnung.
Als er wiederkam, waren seine beiden Mitfahrerinnen bereits in einen tiefen Schlaf gefallen. Karins Kopf lehnte gegen die geschlossene Beifahrertür und sie hatte ihr Nackenkissen um den Hals gelegt. Stefan ließ sich auf den Fahrersitz sinken und programmierte ihre Zieladresse ins integrierte Navigationsgerät ein. Nachdem er den Motor gestartet hatte, lenkte er den blauen Wagen in Richtung Autobahn und damit geradewegs in den Urlaub an der Ostsee, den sie sich noch einmal gönnten, bevor die große Haussanierung ihr alltägliches Leben vollends bestimmte.Nach ungefähr der Hälfte der Fahrtstrecke vernahm Stefan ein leises Gurgeln von der Rücksitzbank. Bei einem Blick in den Rückspiegel sah er wie ein kleines Paar Füße, die mit blau-weiß gestreiften Söckchen bedeckt waren, und zarte Händchen sich über den Rand der Babyschale hin und her bewegten.
„Na, meine Kleine. Hast du deinen Schlaf von heute Nacht endlich nachgeholt? Wir machen gleich eine Pause. Du hast bestimmt schon wieder Hunger."
An der nächsten Tank- und Rastanlage lenkte er den Wagen in eine freie Parklücke, stieg aus und nahm Frida aus ihrem Maxi-Cosi in den Arm. Diese schaute ihren Vater strahlend an.
„Du strahlst ja so, bist wohl noch gar nicht hungrig. Dann können wir deine Mama doch noch ein paar Minuten schlafen lassen."
Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange und rückte ihr grünes Mützchen mit dem gelben Schriftzug „Frida" zurecht. Dies war ein Geschenk von ihrem großen Bruder Jonas gewesen, ebenso wie der Stoffhase Hasi, der neben dem Maxi-Cosi lag. Stefan lief mit Frida auf dem Arm neben dem Auto auf und ab und hing seinen Gedanken nach.
Jonas hatte nach seiner Rückkehr aus Uganda inzwischen tatsächlich ein Lehramtsstudium für die Fächer Sport, Germanistik und Biologie in Köln begonnen. Stefan war unglaublich stolz auf seinen Sohn, aber gleichzeitig auch ziemlich traurig, dass er einen Großteil seines bisherigen Lebens verpasst hatte. Glücklicherweise wohnte er inzwischen in der selben Stadt, sodass sie sich häufiger sahen, als sonst. Außerdem hatte er angekündigt seinem Vater in den Semesterferien beim Hausbau zu unterstützen.
Umso glücklicher war er, dass er nun das Aufwachsen bei Frida erleben darf und seine beiden Kinder nah bei sich hat. Frida hatte so viel Glück in sein Leben gebracht, um genauer zu sein war es Karin gewesen, denn sie war es, die genau weiß, was sie möchte. Seitdem die beiden das zweite Mal zusammen waren und er endlich die Gewissheit hatte, dass er Fridas Papa war, war er viel ausgeglichener und ruhiger geworden. Vom alten Vollmer, der jedem Rockzipfel hinterher gelaufen war, war nicht mehr viel übrig. Lediglich in manchen Situationen kamen ihm seine typischen Vollmersprüche über die Lippen. Manchmal führten diese zu Meinungsverschiedenheiten und kleinen Streits zwischen ihnen, jedoch brachte er Karin die meiste Zeit damit zum Lachen. Er war unglaublich froh darüber, dass es zwischen ihnen beiden noch eine zweite Chance gab.
Jetzt freute er sich erst mal auf den ersten gemeinsamen Familienurlaub bevor die große Bauhektik endgültig begann. Eine Woche lang hatten sie sich eine kleine Ferienwohnung direkt an der Ostsee gemietet. Morgens hatten sie die Möglichkeit in einem Restaurant, welches zur Ferienanlage gehörte, zu frühstücken und ansonsten waren sie auf sich alleine gestellt. Sie wollten die gemeinsame Zeit voll auskosten, denn in den nächsten Wochen und Monaten würden viele Belastungen und Strapazen auf ihre Familie zukommen. Stefan hatte sich für die Sanierung des Hauses einiges vorgenommen und wollte während des Urlaubs noch einmal Kraft und Energie sammeln, um dann gut erholt und voller Tatendrang endlich seine große Aufgabe, eine Heimat für seine Familie zu schaffen, anzugehen.
Frida wurde langsam ungeduldig und begann dies lautstark mitzuteilen. Stefan stieg mit ihr auf der Fahrerseite ein, um Karin zu wecken. Hätte er ihre Tür aufgemacht, wäre sie wahrscheinlich aus dem Auto gefallen, da sie immer noch mit dem Kopf an der Tür lag. Als sie wach war, reichte er ihr Frida und sie positionierte sie in ihrem Arm, damit sie sie stillen konnte. Stefan zog das Spucktuch aus der Wickeltasche und reichte es ihr.
„Ich hole mir mal einen Kaffee. Willst du einen Tee?"
„Ja, grün bitte."
Er drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen und schloss dann die Tür hinter sich, um ihr die Stille fürs Stillen zu geben.
Als er mit zwei Bechern in der Hand wiederkam, stand Karin mit Frida auf dem Arm neben dem Auto. Ihr Köpfchen lag auf ihrer Schulter und sie hielt diesen mit einer Hand fest.
„Na, Hunger gestillt?"
Sie nickte und beugte sich zu Stefan für einen Kuss, den er ihr nur zu gerne gab. Er stellte die beiden Becher auf das Fahrzeugdach und legte seine Arme um die beiden. Seinen Kopf lehnte er gegen ihren und schöpfte den Moment mit seinen beiden Lieblingsmenschen im Arm voll aus.
Karin nahm auf der Rücksitzbank neben Frida Platz, um diese die restliche Zeit etwas zu beschäftigen.
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Ein perfekter Moment, den möchte man am liebsten einfrieren
Fanfiction„Manchmal gibt es so einen perfekten Moment, den möchte man am liebsten einfrieren." (Karin Noske, „Der Lehrer" - Staffel 5, Folge 7) Eine Sammlung von kleinen, perfekten Momenten aus dem Leben von Karin, Stefan und Frida mit dem Staffelfinale #5 de...