52. Wir wissen nicht was kommt, wir wissen nur was ewig bleibt

845 21 6
                                    

„Wer hat Lust auf ein Experiment?", rief Stefan in den Garten als er barfuß in grauer Shorts mit weißem T-Shirt und mit einem großen Tablett in der Hand aus der Terrassentür trat.
„Ich", jubelte Jakob euphorisch und sprang aus der Sandkiste. Er klopfte leicht auf seine Oberschenkel mit der grünen Hose und schüttelte wild seinen Körper, sodass der Sand von seiner Kleidung rieselte.
„Papi, ich möchte auch." Seine acht Jahre alte Tochter rutschte von ihrer roten Schaukel und gemeinsam kamen die Geschwister nur wenige Augenblicke später bei ihrem Papa auf der Terrasse an, der bereits das Tablett auf den Tisch gestellt hatte. Neugierig wollten die Zwei auf ihre Plätze klettern, um einen Blick auf die Utensilien zu erlangen, doch Stefan stoppte sie: „Erst Hände mit Seife waschen und dann können wir loslegen."
Frida und Jakob nickten und liefen schnellstmöglich ins Haus, da sie sofort mit ihrem Experiment beginnen wollten.
Stefan stellte zwei tiefe Teller auf die Plätze seiner Kinder, legte ihre beiden Kittel über die Stühle und platzierte ein kleines Schälchen mit Geschirrspülmittel dazwischen. Die Milch und die Lebensmittelfarbe in blau, gelb, grün und rot stellte er ebenfalls zu den Wattestäbchen auf den Tisch.
„Papi, Papi, wir haben unsere Schutzbrillen mitgebracht", verkündete Frida, als sie in ihrem roten Kleidchen dicht gefolgt von ihrem kleinen Bruder nach draußen kam, die die Brillen ihm stolz entgegen streckten.
„Unser Experiment ist aber gar nicht gefährlich für die Augen", erklärte er.
„Aber Papi", streckte sie ihren Zeigefinger ernst nach oben in die Luft. „Du hast gesagt, dass richtige Chemiker bei ihren Versuchen immer Schutzbrillen tragen."
„Und wir sind richtige Chemiker", stemmte sein vier Jahre alter Sohn ernst die Hände in seine Hüfte.
Zwei grimmige Gesichter schauten ihn an und er hob abwehrend grinsend seine Hände. „Okay, okay. Setzt eure Brillen auf und eure Kittel müsst ihr auch anziehen."
Sofort saßen die durchsichtigen Schutzbrillen auf ihren Nasen und Frida griff nach ihrem blauen Kittel, um sich ihn anzuziehen. Stefan half seinem Sohn beim Hineinschlüpfen über sein grünes T-Shirt mit dem Aufdruck eines Dinosaurier und schloss erst seine Knöpfe und danach die seiner Tochter auf deren Rücken. Die Zwei streiften ihre Sandalen von ihren Füßchen, kletterten auf ihre Stühle und knieten sich darauf, die Stefan an den Tisch schob. Neugierig schauten sie sich durch ihre Brillen die Gegenstände an, die ihr Papa für sie bereit gestellt hatte. Liebevoll schob Stefan den geflochtenen Zopf seiner Tochter von ihrer Schulter nach hinten.
„Welches Experiment machen wir heute, Papi?"
„Heute machen wir zusammen die magische Milch", rieb sich Stefan freudig die Hände.
Die Zwei lachten lauthals, als sie den Titel hörten und Frida prustete: „Milch ist doch nicht magisch."
„Wartet ab, ich zeige es euch", erwiderte er geheimnisvoll und griff nach der weißen Flüssigkeit, die er in die flachen Teller füllte, sodass der helle Boden bedeckt war. „Jetzt dürft ihr euch eure Farben aussuchen und ganz vorsichtig auf die Milch klecksen."
„Ich nehme gelb und blau", entschied sich seine Tochter schnell und schob sich eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr bevor sie sich die Farben griff.
„Und ich nehme alle Farben", erwiderte Jakob, der sich mal wieder nicht entscheiden konnte.
Aufmerksam steckten beide ihre Zungen heraus, die sich konzentriert über ihre Lippen bewegten, während sie ihre Aufgaben ausführten und die Farben auf der Milch schwammen. Frida war ein bisschen früher fertig, als ihr Bruder und sie wartete geduldig auf ihn. Stefan reichte ihnen jeweils ein Wattestäbchen und erklärte: „Jetzt müsst ihr das Stäbchen vorsichtig in das Spülmittel tunken, von oben in eure Milch tauchen und genau beobachten, was passiert."
Die bunte Farbe auf der Milch verteilte sich schlagartig und flitzte an der Oberfläche ineinander über, sodass ein magischer Effekt entstand, der seine Kinder fasziniert in ihren Bann zog.
„Wow, ist das wunderschön", staunte Frida mit großen, blauen Augen, die ein leichtes Glitzern bekamen. Bewundernd öffnete sich auch Jakobs Mündchen und die beiden betrachteten enthusiastisch ihre Kunstwerke. Glücklich schaute Stefan auf seine Zwei und verlor sich in der Betrachtung ihrer Faszination.
„Wie funktioniert das?", unterbrach sie ihre Stille.
„Die kleinen Fetttröpfchen in der Milch, werden durch das Spülmittel kaputt gemacht, sodass die Farbe Platz hat sich auf der Milch zu verteilen und bunt zu vermischen."
„Ich habe es verstanden", bestätigte sein Sohn stolz und auch Frida nickte, während sich beide synchron ihre Brillen ins Haar schoben und nicht vom vielfältigen Anblick ihrer Bilder loskamen.
„Wir müssen unbedingt ein Bild für Mami machen, damit sie unsere Kunstwerke auch sehen kann, wenn sie fertig mit ihrer Arbeit ist."

Ein perfekter Moment, den möchte man am liebsten einfrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt