AMALIA
Als ich die Tür zu Hause aufmachte, stellte ich schnell fest, dass niemand da war. Erleichtert seufzte ich, ehe ich meinen Koffer zu meinem Zimmer brachte und ihn dort liegen ließ. Es würde wenig Sinn ergeben, wenn ich ihn auspacken würde, um meine Sachen, für den Umzug, wieder einzupacken. Müde legte ich mich auf mein Bett und sah mir einmal genau mein Zimmer an. Schon einige Jahre lang hatte ich hier nichts verändert. Desto fröhlicher war ich, da ich nun meine eigene Wohnung einräumen konnte. Es ist zwar keine besondere Wohnung und auch keine große Wohnung, aber groß genug für mich.
„Er will meine Eltern kennenlernen.", erschien es plötzlich auf meinem Bildschirm und ich wusste sofort, dass Nejla sehr glücklich darüber war. „Ich freue mich wirklich sehr für dich. In sha ALLAH klappt das mit euch beiden so wie du es dir wünschst.", schrieb ich zurück und legte erst einmal mein Handy weg. Obwohl ich müde war, beschloss ich auf meine Eltern zu warten und ihnen dann von der Wohnung und von meinem anderen Vorhaben zu berichten.
Ich wurde leicht Nervös als ich daran dachte. Sehr selten, ja sogar fast nie, habe ich mich gegen die Wünsche meiner Eltern gestellt. Vater wollte, dass ich mein Abitur auf einem Gymnasium mache und danach studiere. Ich tat es. Mutter wollte, dass ich alles für den Haushalt lernte, ich machte es. Ich wiedersprach so gut wie nie. Vielleicht hätte ich es des Öfteren tun sollen, dann hätten sie mich vielleicht nach meiner Meinung zu dieser Eheschließung gefragt.
Es ist nun die Zeit gekommen, wo von mir verlangt wird, auf mich selber zu hören und meinen Wünschen und Bedürfnissen nach zu gehen. Ich will selbstständiger werden und ich will auf keinen Fall eine Ehe mit diesem Demir. Wir würden beide nur unglücklich werden. Er weil er keine Frau haben würde, die sich ihm freiwillig hingibt und ihm Kinder schenkt. Eine Frau, die für ihn wirklich Frau ist. Und ich würde unglücklich werden, weil er nicht der Mann ist, den ich in Zukunft an meiner Seite sehe.
Es kann gut sein, dass es diesen Mann gar nicht gibt. Aber was ich weiß ist, dass mir mein Gefühl verrät, dass Demir es einfach nicht ist. Und diesem Gefühl muss ich nachgehen, egal wie sehr andere von mir das Gegenteil verlangen. Es würde mich nur unglücklich machen, wenn ich sie glücklich machen wollen würde. Jetzt ist es an der Zeit, an mich selber und meine Zukunft zu denken und nicht an das Gerede anderer.
Spät am Abend kamen meine Eltern zurück. Ich begrüßte sie, doch diese Begrüßung viel sehr kalt aus. Als sie es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten, setzte ich mich zu ihnen.
„Ich muss mit euch reden.", fing ich an. „Wir wissen es schon.", kam es monoton von meinem Vater. „Was wisst ihr?", hinterfragte ich. „Na das du und Demir so schnell wie möglich heiraten wollt. Weil ihr es nicht mehr aushalten könnt einfach nur verlobt zu sein.", ich schüttelte meinen Kopf und zog meine Augenbrauen zusammen. „Das stimmt nicht und ist auch nicht das, was ich euch sagen wollte. Ich habe mir eine Wohnung gemietet und werde ausziehen. Ich weiß, sowas ist in unserer Kultur sehr unüblich, aber ich fühle mich zu Hause nicht mehr wohl und der Hauptgrund ist Demir und die Verlobung mit ihm. Wo wir auch schon zum zweiten Punkt kommen und zwar werde ich die Verlobung mit ihm auflösen. Ich liebe ihn nicht und ich bin auch nicht gewillt ihn zu heiraten. Mir ist egal, was andere deswegen über mich denken oder sagen werden, aber ich alleine entscheide, wem ich meine Zukunft gebe möchte und das ist nicht Demir.", ich atmete erleichtert aus und konnte genau sehen, wie meine Eltern von einem zum anderen Moment ihre kalte Fassade fallen ließen.
„Du willst ausziehen und die Wohnung verlassen?", hinterfragte mein mittlerweile sehr wütender Vater. „Ja, das ist mein Vorhaben.", bestätigte ich noch einmal mein Erzähltes. „Dann verschwinde und lass dich hier nie wieder blicken. So etwas wie dich brauchen wir hier nicht. Pack deine Sachen zusammen, bis morgen bist du raus.", geschockt sah ich ihn an. Ich habe sehr vieles erwartet, aber dass er mich rausschmeißt gar nicht. Er stand auf und ich tat es ihm gleich. Wütend stand er mir gegenüber und in der nächsten Sekunde lag seine Hand flach auf meiner Wange und mein Kopf schoss zur Seite. „All die Jahre haben wir für dich und deinen Bruder gearbeitet und gesorgt und das ist nun der Dank dafür. Heimlich eine Wohnung mieten und dann noch nicht einmal den Jungen heiraten, den deine Eltern für dich ausgesucht haben, was bist du nur für eine Tochter. Du bist eine Schande, hörst du. Du bist eine Schande für diese Familie.", er wurde von Wort zu Wort lauter und schubste mich Schritt für Schritt aus dem Wohnzimmer raus. „Pack deine Sachen zusammen, morgen bist du hier weg.", ich war zu Stolz, um mich mit ihm zu streiten, weshalb ich sofort auf mein Zimmer ging. Meine wichtigsten Sachen zusammenpackte und nach und nach in mein Auto lud. Als auch die letzte Tasche fertig gepackt war, war es zwei Uhr morgens. Gerade als ich zur Tür lief, rief meine Mutter nach mir. „Hier nimm das, das war für dich bestimmt.", sie reichte mir ein Säckchen und drückte mich fest an sich. „Pass auf dich auf.", flüsterte sie, ehe sie sich von mir abwand und auf ihr Zimmer ging. Ich sah ihr hinterher und Träne bildeten sich in meinen Augen. „ALLAH steh mir bei.", flüsterte ich und lief runter zu meinem Auto, wo mir mein Bruder und meine Schwägerin entgegenkamen, die so lange bei den Eltern meiner Schwägerin zu Besuch waren. „Was wird das? Wo gehst du hin?", fragte mein Bruder. Ich packte die Tasche ins Auto und sah ihn an. „In meine Wohnung. Babo hat mich rausgeschmissen, weil ich diese Wohnung gemietet habe und weil ich die Verlobung auflösen werde.", erklärte ich ihm. „Spinnst du, komm wieder mit nach oben. Du kannst die Verlobung auch von zu Hause auflösen.", ich schüttelte meinen Kopf. „Nein Selim, das kann ich nicht. Babo hätte das nie im Leben zugelassen. Er muss sehen, dass ich selber entscheiden kann, wen ich heiraten möchte, ohne, dass er sich jemand einmischt. Außerdem hat Babo mich rausgeworfen, ich gehe nicht mehr zurück. Ich würde mich freuen, wenn wenigstens du und Elif mich besuchen kommt.", ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, umarmte kurz meine Schwägerin, stieg dann in meinen Wagen und fuhr, mit Tränen in den Augen, los.
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Das Band der Liebe
Romance"se̱e̱·len·ver·wandt", Adj. -so, dass zwei Menschen sehr ähnliche Gedanken und Gefühle haben und sich deshalb sehr gut verstehen. (Google-Definition) "Seelenverwandtschaft" -Als Seelenverwandtschaft bezeichnet man eine Verbindung zwischen zwei Per...