Kapitel 33 - Der Brief

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Hyeon's P.O.V:

"Komm schon, mach auf!" Zum gefühlt 50000 Mal hämmerte ich gegen die braune, morsche Holztür Kaija's und versuchte irgendeine Reaktion auf der anderen Seite zu bekommen. Irgendetwas, dass mir zeigte, dass ich den Hauch einer Chance hatte, ihr alles zu erklären. Ja, ich liebte sie. Ich liebte sie schon seit Jahren. Ich wusste auch, dass es schwierig für uns beide war ernst und erwachsen miteinander zu reden. Wenn wir zusammen waren, waren wir wie kleine Kinder. Stellten die dümmsten Dinge an, kamen auf sonderbare Ideen, die uns in Schwierigkeiten brachten und lachten irgendwann über diese Geschichten und jetzt? Jetzt stand ich vor ihrer Tür und bettelte förmlich, dass sie mich reinließ, damit ich mit ihr eines dieser unangenehmen Gespräche führen konnte.
"Kaija... Lass mich mit dir reden. Jebal..." Ich lehnte mich mit meinem Kopf an das alte Holz. Hoffend, dass sie auf der anderen Seite vielleicht dasselbe tat, merkte wie wichtig es mir war und die Tür endlich öffnete.
"Es tut mir leid... Wirklich, aber ich will nicht mit dir streiten. Lass uns reden, ich bitte dich." Meine Stimme wurde schwächer und flehender, dennoch ernster. Ich vernahm ein leises Seufzen von der anderen Seite und wenig später wurde mein Kopf von der sich langsam öffnenden Tür weggedrückt. Kaija sah mich undefinierbar an. Ich erwiderte ihren Blick ein wenig unsicher. Solche Situationen war ich nicht gewohnt. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen, während ihre Augen die Konturen meines Gesichtes musterten.
"Du willst reden? Dann rede." Sie gestikulierte mit einer Handbewegung, dass ich mit meinem Vortrag beginnen sollte, doch ich blieb still stehen und wusste nicht, was ich sagen konnte. Sie seufzte. "Hast du doch nichts mehr zu sagen?"
Wieder schwieg ich und blickte ein wenig beschämt auf den Boden. Die Sole meiner Schuhe glitt in unregelmäßigen Tempo über den Betonboden. Ich war nervös. Es gab so viel, dass ich sagen wollte. So viel, dass ich erklären musste, aber ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wo ich hätte anfangen können und der durchbohrende Blick des Mädchens, dass ich liebte, machte es nicht gerade einfacher einen Anfang zu finden.
Sie atmete laut auf, fuhr sich durch ihr gewelltes Haar und legte die Hand an den Türknauf, bereit mich wieder auszusperren. Bevor sie das jedoch tat, warf sie mir einen raschen Blick zu, um meine Reaktion zu beobachten, ob ich sie leichtfertig diese Tür schließen ließ. Als ich jedoch noch immer wie versteinert dort stand und nur unbeholfen in ihre Augen schaute, zögerte sie keine Sekunde mehr. Gesenkten Blickes schob sie die Tür in Richtung Schloss. Sie war enttäuscht.
Bevor sich diese sich jedoch vollständig schließen konnte, bahnte sich mein Fuß reflexartig den Weg in die, sich schließende Lücke, die noch übrig war bevor sie sich vollständig schließen konnte. Ohne ein weiteres Wort öffnete ich sie und zog Kaija schroff am Handgelenk zu mir auf die Türschwelle.
"Ich war noch nie in so einer Situation! Ich habe das nicht geplant und..." Begann ich ein wenig frustriert und ratlos. Seufzend ließ ich ihr Handgelenk los und fuhr mir durch mein Braun-Blondes Haar.
"Du bist mein bester Freund! Wir sind zusammen aufgewachsen! Weißt du wie sehr ich dich gerne schlagen würde für das, was du zu mir gesagt hast?" Erwiderte sie und verschränkte protestierend die Arme vor der Brust.
"Ich würde es dir nichtmal übel nehmen..." Brachte ich bloß beschämt heraus. Ja, ich schämte mich. Dafür, dass ich mir nicht helfen konnte. Ich schämte mich, dass ich sie liebte...
"H-Hör zu... Es tut mir leid, dass ich dich ignoriert hat, ich war nur-"
"Das sollte es auch! Ich weiß, dass ich nicht unbedingt am besten darauf reagiert hab. Ich war überfordert, ok? Was dachtest du machst du? Du hast mich bestraft, weil ich deine Gefühle nicht erwidern kann! Ich kann doch nichts dafür! Wenn du mich damit sauer oder enttäuscht machen wolltest, oder wenn du wolltest, dass ich traurig bin und mich schuldig fühle, dann herzlichen Glückwunsch!" Sie warf frustriert die Arme in die Luft, drehte ihren Kopf zur Seite und atmete laut auf, ehe ihre Hände auf ihrer Hüfte Platz nahmen.
"... Ich weiß, dass das falsch und doof von mir war. Ich wollte dich nie bestrafen deswegen. Ich war nur ein wenig verwirrt und überfordert, das ist schon alles. Ich war sogar bei deinem Vater und habe mich bei ihn für mein Verhalten entschuldigt. Es tut mir wirklich leid." Sagte ich mit sanfter Stimme und ging ein paar Schritte auf sie zu. Ihr Kopf war noch immer von meinem weggedreht, doch ihre Gesichtszüge wurden weicher.
"Wirklich..." wiederholte ich und beugte mich zu ihr vor, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Ich wusste, dass sie mir nie lange böse sein konnte. "Du Pabo..." Zischte sie und sah zu mir. Ich grinste schief und zuckte mit den Achseln, worauf sie mich anlächelte.
"Verzeihst du mir?"
"Ja... Vielleicht..."
Ich lächelte breit. "Saranghae!" Rief ich glücklich, worauf sie mir sofort einen Schlag auf den Overarm verpasste. "Hör auf das zu sagen!" Sie verschränke die Arme erneut. "Ich bin verliebt in meine beste Freundin!" Rief ich und sah sie provokant an. Sie fing an empört auf meine Brust einzuschlagen, worauf ich bloß lachte.
"Noona?! Du und Hyeon-Ah seid ein Paar?!" Die Tür hatte sich geöffnet und drei neugierige Gesichter blickten uns ein wenig geschockt an. Schlagartig entfernte Kaija sich von mir. "NEIN! Und jetzt rein! Ihr sollt keine Gespräche von eurer Schwester belauschen. Aishhhh..." Knurrte Kaija und warf allen dreien einen mahnenden Blick zu. Minou kicherte, während Kien und Micah neckisch die Augenbrauen hoch und runter zucken ließen. Ich schmunzelte bloß und sah belustigt Kaija's Reaktion zu. Die Röte stieg ihr ins Gesicht und trotzdem versuchte sie ernst zu bleiben, was ihr nicht gerade gut gelang.
"Uhhhh Noonaaaa!" Entfuhr es Micah frech grinsend. Kaija schlug mit der Handfläche gegen ihre Stirn.
"Kinder! Jetzt lasst eure Schwester und mich alleine." Sagte ich und zwinkerte, worauf Micah und Kien sich entgeistert ansahen und dann kichernd zusammen mit Minou wieder ins Haus verschwanden. Kaija drehte sich mit leicht geöffneten Mund zu mir.
"Jetzt denken Sie, dass wir..." Sie brach den Satz ab, um ihn in einem langen, Genervten Seufzer ausklingen zu lassen.
"Ich muss Mrs. Lee besuchen, kommst du mit?" Wechselte sie das Thema und sah mich erwartungsvoll an.
Ich nickte und folgte ihr stumm, als sie stehen blieb. "Ist etwas?" Fragte ich.
"Was ist los mit Miu? Wo ist sie eigentlich?" Ich spürte, wie ihr Körper sich anspannte. Miu hatte mir erzählt, dass sie sauer war. Warum verstand ich nicht ganz, um ehrlich zu sein.
Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf.
"Ach... Ich weiß auch nicht, was mit ihr ist. Entweder, sie ignoriert mich und meine Nachrichten, oder sie ist die ganze Zeit in meinem Haus und übernachtet bei mir..."
Kaija seufzte andächtig und auf einmal erhellte sich ihr Gesicht, als hätte sie eine Erleuchtung.

Kaija's P.O.V:

Natürlich! Warum ist es mir nicht schon früher aufgefallen!

Nachdem mir dieser Gedanke gekommen war, wunderte mich gar nichts mehr. Es war doch klar. Warum sollte ein Mädchen ständig auf der Türschwelle des besten Freundes ihrer besten Freundin hocken? Warum sollte ein Mädchen sauer sein, wenn man ihn verletzt? Warum sollt ein Mädchen dich ignorieren, nur weil sie nicht versteht, dass du seine Gefühle nicht erwidern kannst, oder weil sie dich hasst, dass er dich liebt?

Miu war in Hyeon verliebt.

"Kiki?" Hyeon stupste mich an und riss mich aus meiner "Erleuchtung". Ich blinzelte einige Male, ehe ich mich ihn zuwandte. "A-Alles gut ehe... Ich habe nur nachgedacht. Ich werde mal mit ihr reden..." Ich lächelte kurz, ergriff dann sein Handgelenk und zog ihn vor die Haus Tür von Mrs. Lee, wo ich stoppte, kurz bevor ich, wie immer, mit meinen Fingern über das, nun gestrichene, Holz fahren wollte. Sie war geöffnet. Nur leicht. Man hätte meinen können, die Besitzerin des Hauses, sei nur kurz unmittelbar in der Nähe etwas holen gegangen, oder im Garten etwas tun und hatte die offene Tür genau im Blick. Mrs. Lee hasste es, wenn die Tür offen stand und Leute in ihr Haus schauen konnten, deshalb überraschte es mich. Mit langsamen Schritten trat ich ein. Hyeon hinter mir.
"Mrs. Lee?" Rief ich. Keine Antwort. Ich ging weiter, bis ich auf etwas trat und mein Blick nach unten huschte. Briefpapier. Der ganze Boden war voll davon. Seltsam, dass es mir erst jetzt aufgefallen war. Es war ziemlich viel. Überall zerstreut. Manche Briefe alt, manche neu, Konnte an den Briefmarken feststellen, oder der frischen Tinte und den Flecken, die sie hinterlassen hatte. Es war die Schrift von Mrs. Lee. Sie war nicht wie sonst. Ich erinnerte mich, wie sie uns Briefe aus dem Urlaub geschickt hatte. Sie schrieb immer eng zusammen, drückte doll auf, sodass es durchdruckte und schrieb mehrere Seiten, da sie alles detailliert beschrieb. Die Seiten, die hier zerstreut und verloren auf dem Boden lagen, waren einseitig oder nur halb beschrieben. Ihre Schrift war sanfter, als wäre ihre Hand zittrig gewesen. Als hätte sie Angst beim schreiben dieses Briefes gehabt. Manche Buchstaben, waren nicht ausgeschrieben und es erstreckten sich kleine Tintenflecke über das dünne Papier. Hyeon hob einen Brief vom Boden auf und räusperte sich, ehe er begann vorzulesen.
"Wie soll ich anfangen? Da dies mein Testament ist, werde ich es schreiben, wie ich es für richtig halte. Weniger formell, als es wohlmöglich sein sollte.
Die alten, staubigen Bücher in meinem Schrank möchte ich Kien überlassen. Ich weiß, dass er sie immer bestaunt hat, wegen ihres Wertes jedoch nicht anfassen durfte. Ich hoffe er findet gefallen daran sie zu lesen, denn es lohnt sich wirklich. Das alte Bild, dass an der Wand im Wohnzimmer hängt, möchte ich ihm auch schenken. Mein Mann hat es gemalt, es bedeutet mir viel und da auch Kien gefallen am malen findet, denke ich, das er davon einiges lernen kann.
Micah soll die Vase bekommen, die auf dem Tisch im Abstellraum steht. Früher habe ich ihm erzählt, dass wenn er tief genug reinschaut und gut zuhört, er die Stimmen der früheren Besitzer hören kann.
Außerdem vermache ich ihm mein altes Tagebuch. Eines der wertvollsten Dinge, die ich besitze, wie ich finde. Alles ist vergänglich, aber Erinnerungen bleiben. Ich weiß, dass er eine schwere Zeit durchmacht und an einem Punkt angekommen ist, an dem er sich fragt "Wer bin ich überhaupt?". Ich habe in seinem Alter mit einigen Dingen zu kämpfen gehabt und hätte oft aufgegeben, aber ich habe durchgehalten. Auch, wenn viel privates drin steht, ich hoffe, es kann ihm Kraft schenken.
Für Minou habe ich eine Kassette mit Liedern. Es gab eine Zeit, in der ich auch sehr introvertiert war und mit keinem reden wollte. Ich war viel allein und habe immer diese Lieder gehört. Sie haben mir geholfen mich nicht immer so einsam zu fühlen und mutiger zu werden. Musik kann Kraft schenken, ich hoffe, dass auch Minou das erfahren wird.
Kaija... Mit Kaija möchte ich persönlich reden. In einem Brief werde ich das nicht erklären können.
Das war alles. Ich hoffe jeder nimmt sich, was ihm zusteht.

Yi-So Lee."




Cry... Das war ein etwas traurigeres Kapitel, ich weiß... Was wird wohl mit Mrs. Lee passieren? Und mit Miu...? Weil see! Im übernächsten Kapitel werde ich eine Art Serie von Kapiteln anfangen, also mit Teil 1 und Teil 2 und so, nur dass ihr nicht verwirrt seid. Es sind einfach Kapitel, die sozusagen voneinander abhängig sind. Ich hoffe ihr freut euch drauf, ich tue es auf jeden Fall. Daaaanke für eure Reads, Votes und Commis! I love uuuu!

No more Scars {BTS Min Yoongi FF} BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt