19. Kapitel

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19. Kapitel || "Victoria?"
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Observer

Noch immer geschockt von der vergangenen Situation stand Victoria in der zerstörten Küche und versuchte ihre immer noch vorhandene Wut zu zügeln. Am liebsten hätte sie in diesem Moment selbst ein paar Kessel demoliert, jedoch wusste sie das dies nur in eigenen Schmerzen enden würde. Ein unkontrollierter Wutschrei entfloh ihr und sie fing an zu fluchen. "Dieser Bastard." schrie sie, darauf hoffend, das er es hörte. Immer wieder fragte sie sich wie er so etwas nur behaupten konnte. Ihr würde die Wut gut stehen. Er hatte unrecht und das wusste sie auch, denn noch machte sie sich darüber Gedanken. Was ist wenn er nun doch recht hatte. Er hatte sie bis jetzt noch nie angelogen und er hätte auch keine Gründe dazu. Victoria war unentschlossen und sich nicht sicher, wo sie doch sonst immer so genau über sich bescheid wusste. Krampfhaft versuchte sie die absurden Gedanken zu unterdrücken, während sie das Chaos ignorierend aus der Großküche stampfte und in den Gängen umher irrte. Immer noch hatte sie nicht das ganze Haus gesehen. Jedes mal aufs neue konnte man hier neue Räume entdecken. Ihr kamen die Erinnerungen an den Tag zurück, wo sie mit Riley die Folterkammer oder als sie Liam's Sammlung entdeckt hatte und ihre Armhaare stellten sich auf. Sie wollte nicht noch einmal so ein traumatisierendes Erlebnis haben und hielt sich deshalb von den ihr fremden Türen fern. Die langen Gänge schienen sich immer mehr zu verzweigen und langsam hatte sie das Gefühl, sich verlaufen zu haben, doch mach der nächsten Ecke kam es ihr wieder etwas bekannter vor. Die Gänge waren alle leer, feucht und rochen modrig. Sie konnte fast nichts erkennen, da sie eine schaurige Dunkelheit umgab. Draußen war es etwa sechs Uhr abends und es dämmerte, doch das konnte sie nicht wissen, da sie ihr Zeitgefühl komplett verloren hatte. Nach ein paar Minuten die sie wahllos in den Fluren umher geirrt war, kam sie in dem riesigen Eingangsbereich an. Ein wenig verwirrt schaute sie sich um. Das erste was sie bemerkte war der große Kamin in der Ecke, worin mehrere Holzscheide angezündet waren. Die Flammen flackerten in einem orange-rot und leises Knistern erfüllte den Raum. Die alten verstaubten Sessel und der kleine runde Holztisch wurden schwach beleuchtet und umso näher Victoria sich dem Feuer näherte, um so wärmer wurde es ihr und sie fühlte sich seit langem mal wieder geborgen. Als sie vor dem Tisch stand, bemerkte sie erst den Teller essen und den Kelch Wasser, die dort standen. Ein Gefühl von Erleichterung überkam sie. Hätte sie nicht bald etwas zu essen bekommen, dann wäre sie womölich verhungert. Ohne zu zögern setzte sie sich in einen der Sessel und griff nach dem stückchen Brot mit dem Schinken darauf. Herzlich biss sie hinein und kaute genüsslich. Was für andere normalität gewesen wäre, war für sie Überlebenswichtig.

Nach etwa einer halben Stunde saß sie einfach in dem fein besticktem Sessel und starrte in die etwas hinuntergegangenen Flammen. Die Wärme hatte ein wenig nachgelassen und Victoria fing an ein bisschen zu frösteln. Das erste mal fragte sie sich, ob überhaupt jemand nach ihr oder den anderen suchen würde. Sie bekam nichts von draußen mit, war vollkommen abgeschottet von dem Rest der Welt und sie war allein. Liam hauste zwar auch in dieser Villa, doch er war nun wirklich kein angenehmer Gefährte.

Was sie nicht wissen konnte, war, das schon seit einer geraumen Zeit Suchtrupps der Polizei unterwegs waren und nach den verschwundenen Jugendlichen suchten. Die Eltern saßen Tag und Nacht da und sorgten sich. Die Mütter weinten und die Väter waren vollkommen überfordert. All diese Eltern werden irgendwann mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Kinder gestorben waren, nur eine nicht. Die Mutter von Victoria. Sie würde, wenn alles gut gehen würde, ihr Kind wieder in die Arme nehmen können. Nur war da dieser eine Aspekt. Könnte Victoria je wieder ein normales Leben führen? Könnte sie Abends einschlafen ohne mit den Gedanken und Bildern ihrer toten Freunde konfrontiert zu werden? Würde sie überhaupt wieder Anschluss finden in der Gesellschaft? Wahrscheinlich nicht und dies war fast noch schlimmer als zu wissen das sein Kind tot war. Es war schlimmer eine Tochter zu Hause zu haben, die nie das Haus verließ, sich komplett abschottete und in Schuldgefühlen versank. Sich komplett hilflos zu fühlen und nichts für das eigene Kind tun können, war weitaus ein schrecklicheres Schicksal als ein verstorbenes Kind, welches man gehen lassen konnte und die schönen Erinnerungen blieben. Mit einer psychisch kaputten Tochter, würde die Mutter die schönen Erlebnisse verdrängen und nur noch mit allen Mitteln versuchen an die Tochter heranzukommen. War dies ein schönes Leben? Sicherlich nicht.

Demon. || l.p.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt