32. Kapitel

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OMG *-* Ich danke euch für die fast 80.000 reads :* <3 Ihr seid die Besten! *~*

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32. Kapitel || "Zu lang."

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Liam

Fünf Jahre und dreiundneunzig Tage. Mit dem weißen Stück Kreide in meiner Hand zog ich einen weiteren Strich auf der ohnehin schon überfüllten Wand. Ein Blick über die Schulter bestätigte meine Vermutung, dass Victoria immer noch regungslos da lag. Trotz der erhöhten Dosis, die ich ihr von der weißen Brühe gegeben hatte, schlief sie länger als ich. Jeder Vernünftige hätte die Hoffnung schon längst aufgegeben. Hätte sie begraben oder sie verbrannt, doch ich nicht. Ich war nicht vernünftig. War ich noch nie und werde ich nie sein. Mit einem neutralen Gesichtsausdruck schmiss ich das Kreidestück auf den Schreibtisch.

In den letzten Jahren hatte sich nichts wirklich verändert. Der Wald draußen war dichter geworden. Mein Aussehen gleich. Mein Alter gleich. Die Villa verstaubter und mein Alltag eintöniger. Seitdem Victoria im Tiefschlaf lag, hatte sich alles zum negativen geändert. Mein Aufgabe bestand lediglich darin wenige Eindringlinge umzubringen, Victorias Körper frisch zu halten und sie Tag und Nacht zu beobachten. Jede Minute in der ich sie ansah wünschte ich ihre Augen würden sich öffnen. Ein Wimpernschlag, der dieses wunderschöne grün wieder blicken ließ. Ein Moment in dem ich wahrscheinlich nicht mehr die Einsamkeit verspüren würde, die Tag um Tag mehr Besitz von jeder Zelle meines Körpers nahm. Ohne sie fehlte etwas. Etwas, was Farbe in mein graues dunkles Leben brachte. Es war unerträglich in diesem großen leeren Haus zu leben und seit dem Victoria nur da lag und schlief fragte ich mich immer wieder wie ich es, bevor sie da war, hier allein ausgehalten hatte. Damals dachte ich alles wäre gut so und es war mein Schicksal allein zu sein, doch alles änderte sich schlagartig durch ihr Auftauchen. Mein Blick schweifte aus dem Fenster. Ich hatte es geöffnet, ließ die kühle Nachtluft herein. Das Geräusch der Bäume im leichten Wind klang beinahe wie ein Wellenrauschen wenn man die Augen schloss und das leise Zirpen der Grillen verleihte der nächtlichen Atmosphäre einen sommerlichen Anstrich. Mit einigen Schritten stand ich vor dem geöffneten Fenster und stützte mich mit den Händen auf dem Fensterbrett ab. Meine Augen erfassten die funkelnden Sterne im düsteren Nachthimmel und ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Victoria würde dieser Anblick gewiss gefallen.

Meine Mundwinkel sanken wieder und ich schloss die Fensterläden, bevor ich die verstaubten Gardinen davor zog. Mit einem Gedanken, einer Idee, die ich noch nie hatte, drehte ich mich in die Richtung des braunhaarigen Mädchens.

Mit den Händen in den Hosentaschen lief ich herüber zu dem Bett. Vor dem Bettgestell ließ ich mich langsam auf die Knie sinken. Meine Hände verschränkte ich und meine Unterarme stützte ich auf die Bettkante. Meine Augen schlossen sich und mein Kopf beugte sich nach unten.

"Herr im Himmel, bitte bring sie mir zurück. Ich fühle mich so einsam. Die Tage werden öder und es erscheint mir, als würde ich mich selbst nicht mehr ausstehen könnte. Lass mich bitte dieses stechend leuchtende Moosgrün ihrer Augen wieder sehen. Ihr Lächeln. Sogar ihre Wutausbrüche wären mir lieber als diese Stille in diesen Räumen hier. Dieses unendliche Schweigen. Es bringt mich noch um, trotz dass ich nicht sterben kann. Bitte lass mich ihre Anwesenheit spüren. Ihre Hand in meiner. Ihre zierlichen Finger auf meiner Haut. Ihre weichen Lippen auf den Meinen. Wie sie auf meine Berührungen reagiert. Sie erwidert. Ich bitte dich. Vergib mir die Sünden die ich tat. Die Zeiten in denen ich sie verletzte. Ihr seelische und physische Schmerzen zufügte. Ich habe längst eingesehen das es falsch war. Jede Sekunde plagen mich die Schuldgefühle. Bestraft mich bitte nicht noch mehr indem ihr sie mir nehmt. Sie ist das kleine Stück, dass ich immer suchte. Das Puzzleteil, das mich komplett machte. Das Gute in mir. Sie brachte das in mir hervor, was sonst niemand erreicht hatte. Gefühle. Sie ist eine so liebevolle Person und ich Bereue jede meiner taten. Ich bitte dich nur dieses eine Mal etwas für mich zu tun. Bitte erhöre mein Gebet. Amen." Meine wehleidige Stimme brach, und ich hob schwermütig meinen Kopf und öffnete die müden Augen. Ich musterte das immer gleiche Gesicht der jungen Frau vor mir und es fiel mir etwas auf. Ein winziges Detail, was sonst nicht da war. So minimal, dass es sonst wohl niemand zu sehen mag, doch ich sah es genau. Es war eine so große Veränderung für mich. Eine Sache die meinem tristen Alltag eine Hoffnung gab. Eine nicht zu beschreibende Hoffnung. Ein Zeichen was mir Gott sandte.

Demon. || l.p.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt