Milenas Pov
Ich war durcheinander. Und durcheinander war noch nicht einmal das richtige Wort. Es kam mir etwas so vor, als hätte ich bis jetzt ein falsches Leben gelebt. Ich meine, wie kann es denn richtig sein, wenn man die Wahrheit nicht kennt? Und zwar eine sehr bedeutende Wahrheit. Zumindest ist es meiner Ansicht nach wichtig, zu wissen, wer seine Eltern sind. Oder?
Mit dem Chaos aus Gedanken in meinem Kopf hörte ich dem Gespräch zu, das stadtfand, ohne dass ich richtig daran beteiligt war. Mir ging so viel Mist durch den Kopf, dass es anfing übel wehzutun. Ich bewunderte mich dafür, dass ich es noch schaffte, hinter den anderen herzulaufen. Eigentlich wartete ich nur auf den Moment, indem ich lang hinfiel oder in irgendetwas reinlief. Ja, ich glaube, das würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen. Ich war ja nicht einmal traurig oder verzweifelt. Nein, ich war sogar glücklich (sofern man das bei mir jemals so nennen konnte)! Ich war einfach nur verwirrt. Und die Tatsache, dass ich glücklich war, setzte der Verwirrung nur noch zu.
"Alles okay?"
Ich erschrak. Ich hatte in meinen Gedankengängen gar nicht gemerkt, dass Jamie sich zu mir zurückfallen lassen hatte. Ich nickte. "Klar, ich bin nur etwas durcheinander."
Er musterte mein Gesicht. "Ich hätte eher gesagt, dass du Kreislaufprobleme hast. Hast du mal dein Gesicht gesehen?"
Oh. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich hielt mich so ziemlich die ganze Zeit in der Sonne auf, hatte noch nichts getrunken und bis auf das Brötchen zum Frühstück nichts gegessen. Ja, es war doch gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass die Kopfschmerzen nicht nur vom Chaos im Inneren kamen. "Vielleicht hast du recht."
"Kommt, ich geb euch eine Erfrischung aus." verkündete Emmet.
Wir gingen auf die Terrasse und setzten uns an einen langen Tisch, um den herum auf beiden Seiten je eine Reihe Barhocker stand. Dann bestellten Jamie und Emmet je einen großen Kaffee Latte und Jenna und ich je einen großen Eiskaffee. Es dauerte gar nicht lange, bis unsere Getränke vor uns standen. Ich legte meine Lippen an den Strohalm und konnte das erleichterte Seufzen nicht verdrängen, als der kalte, süßliche Kaffee in meinen Mund floss. Eigentlich war ich kein begeisterter Kaffeetrinker und eher der Typ für Saft, Tee oder Cappuccino (okay, in Cappuccino ist Kaffee drin, aber das Zeug besteht zu einem viel größeren Teil aus Kakao, also ist der Geschmack von Kaffee in vielen Sorten tot), aber jetzt merkte ich erst, wie lecker Kaffee sein konnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals dankbar für einen Kaffee sein würde. Aber in letzter Zeit hatte sich ja mehr als deutlich bewiesen, dass Denken in vielerlei Hinsicht unnütz war, da die Dinge am Ende doch immer ganz anders waren als man es sich hätte vorstellen können.
Das Leben war eine Wundertüte und man hoffte immer wieder auf bestimmte Dinge, um dann etwas daraus zu ziehen, was nicht im Geringsten seinen Vorstellungen oder Wünschen entsprach. Für mich hatte bis jetzt jeder Griff in die Wundertüte nur Enttäuschungen und allerlei negative Dinge mit sich gebracht. Die eine meist schlimmer als die andere. Aber man konnte auch mal etwas Gutes bekommen, was ich mir an Jamie bewies. Er war ein verdammt großer Glücksgriff gewesen. Und Emmet... naja, sagen wir, er gehörte auch zu guten Dingen. Immerhin hatte er sich nach der Sache mit meiner Nase gut gemacht und ich hatte ihn eigentlich ganz gern. Er war etwas verrückt, aber das war doch jeder irgendwie. Und seine Verrücktheit verlieh ihm einen sympatischen Charakter. Ja, Emmet war der zweite Glücksgriff gewesen. Und dann kam Jenna. Alle guten Dinge sind drei. Bei dem Gedanken musste ich schlucken. Wenn diese drei Dinge nun da waren, was würde dann als nächstes kommen? Scheiße, ich wollte lieber nicht daran denken. Meine Mutter hatte mir mal etwas dazu gesagt. Ich erinnere mich an ihre Worte, als würde sie sie mir jetzt gerade sagen:
Du denkst viel zu viel, Milena. Versuch, weniger steif zu sein und gehe nicht nach deinem Kopf sondern lass die Dinge kommen und gehe nach deinem Herz. Denn wenn du deinem Herzen folgst, kann nichts Schlimmes passieren. Dein Herz zeigt dir immer den richtigen Weg.
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Spuren im Sand
FantasíaIm Leben der sechzehnjährigen Milena läuft gerade alles schief. Ihre Mutter, der wichtigste Mensch in ihrem Leben, stirbt bei einem Unfall. Für die einsame Blondine bricht eine Welt zusammen. Sie soll zu ihrem Vater ziehen. Während ihrer Reise schli...