Kapitel 16

216 21 12
                                    

Jamie bekam ich an diesem Tag nicht mehr zu Gesicht. Ich machte mir keine Sorgen, immerhin hatte er gesagt, es wäre nicht nötig. Aber es fühlte sich an, als würde etwas fehlen, wenn er nicht da war. Ein ziemlich blödes Gefühl...genau so blöd wie diese millionen anderen Gefühle, wenn er da war.

Ich musste mich allerdings mit den Träumen aus den Erinnerungen zufrieden geben. Ich war eigentlich nicht der Typ, der früh schlafen ging. Aber als ich mich hinlegte, war ich relativ schnell weg und schlief so tief wie schon lange nicht mehr.

Ich befand mich in einer unendlichen Traumwelt, ohne jede Anzeichen einer Störung. Und diese Welt war nicht nur irgendeine. Nein, es war meine Kindheit. Ich war in die Vergangenheit abgetaucht und konnte mir meine Kindheitstage ansehen, als würden sie auf einer Leinwand laufen.

Meine Mutter lief mit mir an der Hand über einen Parkplatz. Ich war sieben Jahre alt und in meinem Gesicht blitzten mehrere Zahnlücken. Meine Mutter sah wie eh und je aus wie das blühende Leben. Frohe Farben und ein gesundes rotes Leuchten im Gesicht. Wir überquerten eine kleine Brücke und liefen auf eine Reihe kleiner Häuschen zu an deren Dächern jeweils ein Schild mit der Aufschrift Kasse 1 , Kasse 2 und so weiter zu sehen war. Ein Stück darüber hing von einer Seite zur anderen ein riesiges Schild, auf dem Giraffen, Zebras und Affen abgebildet waren. Der Zoo!

Ich kann gar nicht beschreiben, wie gern ich in den Zoo gegangen bin. Ich liebte es einfach, mir all diese Tiere anzusehen und sie genau zu studieren. Was sie aßen, wie sie aßen, was sie machten, wie sie auf Bewegungen und Geräusche reagierten und und und. Meine Mutter bezahlte den Eintritt. Auf der anderen Seite des Zaunes stand ein Mann. Er hielt einen Stapel Zettel in den Händen. Als wir an ihm vorbeiliefen, ging er in die Knie und sah mich an. Ich versteckte mich hinter meiner Mutter, die zu lachen anfing. "Warte mal, Mäuschen, hör doch mal, was der Mann dir sagen möchte." Sie ging in die Knie und ich drückte mich an sie, als sie mich zwischen ihre Beine zog und festhielt, um nich zu ermutigen.

Der Mann lächelte. "Hallo, Kleine. Kennst du unseren Streichelzoo?"

Ich klammerte mich an den Arm meiner Mutter und nickte.

"Ich bin Zac und ich kümmer mich darum, dass die Tiere im Streichelzoo gut behandelt werden." sagte der Mann. "Gehst du die Tiere denn später besuchen?"

Ich nickte nochmal.

Zac hielt mir einen der Zettel hin. "Magst du dann einen Gutschein mitnehmen? Wenn du ihn mir später zeigst, bekommst du eine Schachtel mit Futter, ohne dass deine Mama Geld bezahlen muss."

Meine Mutter spielte erstaunt. "Oh, Milena, hast du das gehört? Das ist doch super."

Ich lächelte und griff nach dem Zettel. Ich hielt ihn fest in der Hand und wisperte ein "Danke.", während ich zu ihm hochsah.

Er stand auf und wuschelte mir leicht durchs Haar. "Gern geschehen. Wir sehen uns dann nacher."

Nacher bedeutete in zwei Stunden. In der Zeit besuchten meine Mutter und ich die Gehege der Elefanten, der Giraffen, der Pinguine, der Seelöwen und der Affen. Vom Affengehege aus gingen wir dann zum Streichelzoo. Eine der Ziegen hatte einen Jungen gebissen. Deswegen traute ich mich nicht rein. Da lief uns Zac wieder über den Weg. "Nanu, wieso bist du denn noch draußen, Kleine?"

"Sie hat gesehen, wie die Ziege den Jungen gezwickt hat." sagte meine Mutter.

Zac verstand. "Ah, hast du Angst?" Er ging wieder in die Knie, um auf meine Augenhöhe zu kommen. "Das hat die Ziege nur gemacht, weil er ihr wehgetan hat. Die sind alle ganz lieb. Sollen wir beide zusammen gehen?"

Ich sah meine Mutter an. Die nickte mir zu. "Geh ruhig. Zac ist doch der Papa von den Ziegen, die tun ihm nichts. Und wenn du bei ihm bist, tun sie dir auch nichts."

Spuren im SandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt