Milenas Pov
Emmet und Jamie waren schon verschwunden, als ich immer noch im Flur stand und etwas verwirrt auf den Zettel blickte. Wieso gab er mir einen Zettel, anstatt einfach zu sagen, was er wollte? Naja. Ich faltete das Papier auseinander und las, was draufstand.
Bitte anfunken. Sie möchte mit dir reden.
Darunter stand eine Nummer.
Naja, okay, das hätte er mir wirklich schlecht sagen können. Aber wer wollte mit mir sprechen? Da es eine weibliche Person sein sollte, konnte es sich nicht um meinen Erzeuger (ich werde immer noch nicht die Bezeichnung Vater benutzen) handeln. Da es im Moment sowieso nichts gab, was meine Präsens erforderte, entschloss ich mich dazu, einfach zu tun, worum mich Emmet gebeten hatte. Ich lief durch das Flurlabyrinth zur Anlage und machte mich daran, die Bedienungshinweise, die auf einem Zettel an die Wand gepinnt waren, nach und nach in die Tat umzusetzen. Emmet hatte recht, ich wusste, wo sich die Anlage befand, aber ich hatte keine Ahnung, wie man sie benutzte.
Nach gefühlten dreihundert Versuchen gelang es mir schließlich und ich gab die Nummer ein, die auf dem Zettel stand. Es dauerte einen Moment, bis etwas passierte, was mich in den Glauben versetzte, das Ding kaputt gemacht zu haben, doch dann lud das Gerät kurz und auf dem Bildschirm erschien ein Bild. Ich kannte das Mädchen, das sich auf dem Bildschirm befand nicht, aber sie schien mich zu kennen, denn ihre Mundwinkel schnellten nach oben und ließen Grübchen in ihrem hübschen Gesicht erscheinen. Sie hatte helle braune Haare, die sie an der Seite zu einem lockeren Zopf gebunden, der so grob gemacht war, dass ihr Gesicht von mehrere Strähnen umrahmt wurde. Eine davon hing halb über ihre strahlenden blauen Augen. Sie war hübsch. In etwa so hübsch wie ich nie sein könnte, obwohl ich es mir wünschen würde. Aber für Eifersucht und Selbstmitleid war gerade nicht die Zeit.
"Hi!" sagte sie.
Ein wenig unsicher lächelte ich zurück. "Hi." Ich faltete den Zettel zusammen, der noch offen auf der kleinen Ablage lag und spielte damit herum, völlig verständnislos für meine Nervosität. "Ähm, Emmet wollte, dass ich anrufe, er sagte, jemand will mit mir sprechen."
Sie lachte. "Richtig, ich wollte mit dir reden. Ich bin Lissa, Emmet hat mir von dir erzählt und was so alles passiert ist."
Ich blinzelte. "Ach ja?" fragte ich. Diese kleine Plaudertasche!
Sie zog die Mundwinkel noch höher. "Ja. Wir haben gerade eben miteinander gesprochen und er hat mir ein Bild von dir und Jamie gezeigt, deswegen wollte ich wissen, wie es so läuft und habe erfahren, was bei euch los ist."
"Achso...okay." brachte ich dazu hervor. Lissa! Genau, sie war Emmets Freundin. Wieso war mir das nicht gleich eingefallen? Nicht zu fassen, wie sehr mir das alles die Nerven raubte. "Er hat dir alles erzählt?" fragte ich.
Sie nickte. "Hier." Sie hielt ihr Handy hoch und auf dem Display war ein Foto zu sehen. Aber...das war ja von Jamie und mir! Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ich konnte spüren, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Emmet! Wenn ich den zu packen bekam! "Ähm..." stammelte ich.
Lissa kicherte. "Keine Sorge, außer mir und ihm weiß es niemand. Emmet hat das Foto gemacht, als er Jamie gesucht hat. Er hat es mir geschickt, weil er sich für Jamie so gefreut hat. Danach haben wir telefoniert und das Bild hat mich natürlich neugierig gemacht. Also hat er mir alles erzählt, was er wusste." erzählte sie.
Ich nickte. "...und was war alles?"
"Nun, ich durfte nicht mit auf die Mission, der Chef wollte um jeden Preis Jamie losschicken und da Emmet am besten mit ihm kooperieren kann, sollte er ihn begleiten. Also sitze ich hier rum und warte auf die Informationen, die hin und wieder zu uns Agenten durchsickern. Glaub mir, du willst nicht wissen, wie es ist, wenn sich alles nur um eine Mission dreht, die von so extremer Bedeutung ist, dass das komplette Wissenschaftlerteam rund um die Uhr in seiner Arbeit steckt und fast die kompletten erfahreneren Agenten ausgerückt sind und du als Novizin nur dabei zusehen darfst, obwohl du helfen könntest, wenn man dich nur lassen würde." beklagte sie sich. "Da ich also hier festsitze, ist Emmet so freundlich und erzählt mir ein bisschen von dem, was bei euch so passiert, wenn er Zeit hat. Ich weiß also alles von dem Tag, an dem du aufs Schiff gekommen bist, bis zu dem Vorfall gestern Abend, ausgenommen von dem, was passiert ist, als du rausgerannt bist. Allerdings kann ich mir einen Teil davon ausmalen, da das Foto wirklich Bände spricht." Sie lächelte und legte den Kopf leicht schief. "Weißt du, da du nur mit den beiden Jungs da drüben bist, dachte ich mir, es wäre vielleicht ganz nett, wenn du dich mit jemandem über den ganzen Mist unterhalten könntest."

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Spuren im Sand
FantasiIm Leben der sechzehnjährigen Milena läuft gerade alles schief. Ihre Mutter, der wichtigste Mensch in ihrem Leben, stirbt bei einem Unfall. Für die einsame Blondine bricht eine Welt zusammen. Sie soll zu ihrem Vater ziehen. Während ihrer Reise schli...