Sturzflugexperte Ed

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Also um mal kurz etwas festzuhalten, ich habe weder geschrien als Michael plötzlich Flügel bekam, noch als er mich in die Luft hob, noch als er mich losließ und jetzt im Freienfall wo ich am liebsten geschrien hätte konnte ich es nicht, weil mir die Luftmassen es verbat und auch mein Frühstück.

Meine Körper wirbelte unkontrolliert um her. Manchmal sah ich die Erde, manchmal den Himmel. Mein Bauch kribbelte auf eine unangenehme Weise und ich spürte wie mein Frühstück in meinem Magen hin und her schwappte. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr dazu geboren zufliegen.

Ich stellte mir große Engelsflügel wie die von Michael vor, die meinen Fall aufhalten würde. Gerne würde ich sagen das mich jetzt grelles Licht umfing und sich zu goldenen Flügeln formte und ich danach wie ein junger Gott, ich meine Engel durch die Luft segelte. Aber mein Flug ähnelte dem einer Ente, einer Blei-ente.

Der Boden kam immer näher und meine Flügel, falls ich welsche hatte, wollte einfach nicht erscheinen. Ich wäre als Edward-Matchhaufen geendet, hätte Uriel nicht meinen Sturz bei etwa 200 Meter langsam abgefangen.

Er setzte mich auf meinen Füßen ab, doch die gaben direkt nach. Ich keuchte und ließ mich auf den Rücken fallen. Mein ganzer Körper zitterte vor Schock und ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Ich schloss die Augen und ordnete langsam wieder meine Gedanken.

„Alles klar?", fragte Uriel über mir. Ich öffnete wieder die Augen und bemerkte erst jetzt seine orangen Flügel mit den silbernen Schattierungen. Sie sahen aus wie die von Michael und auch sie leuchteten nur die Farbe war anders. Uriel legte die Flügel an und mit einem kurzen aufleuchten waren sie verschwunden.

„Sicher, dass ich ein Engel bin. Schließlich wachsen mir keine Flügel.", meinte ich. Uriel schüttelte den Kopf: „Das funktioniert beim ersten Mal meistens nicht. Vor allem wenn du keine Ahnung hast wie du deine Kräfte nutzt." Ich sah ihn entsetzt an und fragte: „Warum hat mir das keiner gesagt und warum musste Michael mich in den Tot stürzten lassen?"

„Das war die Strafe dafür das du Gabriel geholfen hast.", erklärte Michael und trat in mein Sichtfeld. „Außerdem müssen wir doch auch unseren Spaß haben.", kam es von Raphael.

Uriel hielt mir seine Hand hin und sagte: „Komm. Ich zeig dir wie man das mit den Flügeln macht." Ich nahm seine Hand und er half mir auf. Die Erzengel und Sophia sahen dabei zu wie Uriel mich unterrichtete. Er war ein sehr guter Lehrer, der einem alles so erklären konnte das man es verstand.

„Also, Ed. Unsere Flügel sind keines Falls eine physische Sache. Du kannst sie erscheinen lassen, sie werden sich physisch anfühlen, aber du kannst sie auch jeder Zeit wieder verschwinden lassen.", erklärte mir Uriel.

„Und wie genau kann ich sie erscheinen lassen?" „Du musst komplett damit einverstanden sein ein Engel zu sein. Schließlich haben wir alle unseren Freien Willen." „Okay, ich muss also eins mit der Macht werden.", schloss ich. „Ja, so in etwa.", stimmte Uriel zu.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich, sowie es ein Jedi machen würde. In meinen Gedanken ließ ich wieder die Tür von heute Morgen erscheinen. Sie war immer noch halb offen. Ich atmete tief ein, dann stieß ich sie auf.

Es ist schwer zu beschreiben. Ich spürte, dass sich eine Kleinlichkeit änderte und durch meine Adern schoss eine seltsam bekräftigende Wärme. Dazu bemerkte ich eine weitere, neue Sicht der Realität, doch ich konnte nicht wirklich sagen was neu war. Ich öffnete meine Augen und schaute verwundert Uriel an. Dieser lächelte mich aufmunternd, sowie freudig an und meinte: „Jetzt die Flügel."

Uriel packte mich und ließ seine Flügel erscheinen. „Hatten wir das gerade nicht schon?", fragte ich, doch er erhob sich Wortlos mit mir in den Himmel. In etwa sechs Kilometer Höhe, hielt uns Uriel an einer Stelle.

„Wehe du lässt mich los.", warnte ich ihn. Er grinste nur und meinte: „Keine Angst, jetzt wird es klappen. Stabilisiere deinen Flug indem du dich mit dem Bau zur Erde legst und durch deine Beine und Armen den größtmöglichen Luftwiederstand erzeugst. Dann stell dir vor wie sich die kleinsten Teilchen deiner Umwelt zu Flügeln verfestigen, die dich tragen." Ich wollte noch Fragen warum ich keinen Zauberspruch gesagt bekomme, aber Uriel löste seinen Griff und ich stürzte wieder in die Tiefe.

Ich werde wohl der beste Engel im Sturzflug ohne Flügel. Wenigstens überschlug ich mich nun nicht mehr als ich nach unten raste, da ich mich an die Anweisung hielt. Ich schloss die Augen und stellte mir vor wie die Moleküle, die in der Luft umher schwebten, sich an meinem Rücken vereinten und große Schwingen bilden.

Plötzlich wurde mein Körper nach oben gerissen. An meinem Rücken erzeugte etwas einen großen Luftwiederstand. Ich öffnete meine Augen und bemerkte das ich langsam gegen Erde sank. Zunächst dachte ich Uriel hätte mich abgefangen, doch als er neben mir flog, ahnte ich was meinen Sturz ausbremste.

„Nicht schlecht. Ich dachte es würde ein paar viele Anläufe brachen.", lobte mich Uriel. „Was? Du hast gesagt das es dieses Mal funktioniert.", meinte ich entgeistert. „Oh, ich muss wohl das vielleicht vergessen haben." „Hör auf zu grinsen, das ist nicht lustig.", beschwerte ich mich.

Wir landeten, wobei ich etwas Gras schluckte, da ich eventuell eine flache Bauchlandung hinlegte. Uriel hingegen landete wie ein echter Profi, indem er geschickt mit seinen Flügeln schlug. Während ich noch Gras aushustete, kicherten Gabriel und Raphael wie kleine Mädchen über den Klassenclown. Sophia hingegen sah mich oder besser gesagt das auf meinem Rücken interessiert an.

Michael half mir auf und berührte meine Flügel, was ich auch spürte. Jetzt betrachte auch ich meine Flügel. Sie färbte sich in verschiedenen Blautönen, von oben mit einem fast schwarzen Blau bis nach unten zu einem fast weißen Blau. Die einzelnen Schäfte waren nicht wie bei Michael und Uriel weiß, sondern Gold. Dazu waren einige der Äste die von den Schäften abgingen Silber und so schimmerten meine Flügel leicht in der Sonne.

„Nicht schlecht.", bewunderte ich meine Flügel, „Grün hätte mir mehr gefallen, aber das Blau schmeichelt meinen Augen." Ich sah Sophia an und wackelte mit meinen Augenbrauen, woraufhin diese nur die Augen verdrehte.

Raphael und Gabriel hatten sich wieder gefasst und betrachtete nun auch meine Flügel. Die vier Erzengel tauschten einige vielsagende Blicke und schienen eine stumme Übereinkunft zutreffen.

„Naja, noch ein wenig mehr Übung und du bist ein halbwegs Passabler Flieger.", meinte Uriel zu mir. „Okay. Aber ich hätte da noch eine Frage. Wie bekomm ich die Dinger wieder weg?", fragte ich. „Lass die Teilchen wieder fei.", meinte Raphael als sei es das Logischste der Welt. Mit dem Gedanken „Ihr seid frei" ließ ich die Moleküle los und meine Flügel leuchteten kurz auf, dann waren sie wieder verschwunden.

„Wie genau funktioniert das mit den Molekülen und Flügeln?", wollte ich wissen. Raphael lachte kurz auf und meinte dann: „Das ist ein komplexes Thema mit dem sich viele Engel befassen. Auch die Menschen suchen nach der Antwort, nur dass sie, was auch immer es sein mag, nicht benutzen können."

„Es sind also keine Moleküle?", schloss ich verwirrt. Raphael nickte und erzählte weiter: „In unserer Umwelt ist etwas noch viel kleineres, vielleicht sogar unerkennbares das uns Engel erlaubt in gewisser Weise unsere Umwelt zu verändern."

Eigentlich hatte ich mit einer Erklärung wie „Es ist uns von Gott gegeben" oder so ähnlich erwartet. Aber mit einem Bericht wie von einem Chemie- oder Physiklehrer hatte ich nicht gerechnet. Ich versuchte verzweifelt mein Weltbild nach all den neuen Gegebenheiten zu Ordnen.

Uriel legte mir die Hand auf die Schulter und versicherte mir etwas: „Trotz unseres Alters verstehen auch wir Erzengel nicht wie unsere ganze Welt funktioniert und wir werden es auch nie ganz verstehen."

Engels Chroniken ~ David ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt