Kapitel 14 - Gespräch bei Nacht

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Wenn die Finsternis alles verdunkelt
hat, werden Kinder des Lichts
die Sterne anzünden.
~Unbekannt~

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„Ashura...", sagte sie knapp und sah ihn kurz an. „Was machst du hier draußen?", fragte er und setzte sich neben sie. „Die Sterne beobachten.", antwortete sie ruhig. Er sah sie kurz an, dann folgte er schweigend ihrem Blick zum Himmel.
Nach einer Weile blickte der Mann wieder zu der Hitomi. „Sollten wir nicht reingehen?", wollte er von ihr wissen. „Mh... nein, ich bleibe draußen. Du kannst ja gehen.", erwiderte sie abwinkend, wendete dabei ihren Blick jedoch nicht vom Sternenhimmel ab. Der Blick des Otsutsuki wanderte wieder zum Nachthimmel, ohne dass er aufstand oder Anstalten machte, ins Haus zurück zu gehen, was Asai aus dem Augenwinkel beobachtete. „Du beobachtest die Sterne häufig...", stellte der Schwarzäugige fest. „Ja.", gab sie knapp zurück. „Warum?", wollte er wissen und sah sie fragend an. Sie zögerte eine Weile und blickte ihn schweigend an, ehe sie den Blick wieder zu den Sternen wendete. „Weil sie mich als einziges noch an meinen Vater erinnern.", murmelte sie, „Er hat mit mir so gut wie jede Nacht die Sterne beobachtet und gesagt, dass meine Mutter auch dort oben ist." Er sah die Unsterbliche kurz an, bevor er leicht nickte. „Verstehe... du hast nie etwas über deine Eltern erzählt...", meinte er dann leise. „Weil ich nicht gerne darüber rede. Meine Mutter habe ich sowieso nie gekannt... und mein Vater ist auch tot...", antwortete sie und versuchte dabei, ihre Gefühle so gut es ging zu verstecken, während sie den schlafenden Adler, der seinen Kopf auf ihrem Schoß gebettet hatte, sanft streichelte. Ashura sah sie mit geweiteten Augen an, dann sah er betroffen auf den Boden. „Das tut mir leid...", murmelte er. Sie drehte ihren Kopf leicht zu ihm und lächelte leicht, auch wenn ihr Lächeln sehr gezwungen aussah, was man im Dunkeln jedoch kaum erkennen konnte, zum Glück für Asai. „Da brauchst du dich doch nicht entschuldigen. Du kannst nichts dafür...", meinte sie ruhig, dann sah sie wieder zum Mond hinauf. Ashura hatte seinen Blick noch immer auf den Boden gerichtet und schweigt eine Zeit lang, genau wie Asai. Letztere macht sich mal wieder Gedanken um ihre unerträglich lange Vergangenheit, die sie am liebsten ausradieren und neu schreiben würde.
Vor zweitausend Jahren war sie in Japan geboren worden, ihre Mutter ist nicht mal eine Woche nach ihrer Geburt an einer fieberähnlichen Erkrankung gestorben. Ihr Vater war sieben Jahre danach, als er mit seiner Tochter mit einem Fischerboot unterwegs war, ertrunken, ebenso wie die Hitomi. Diese jedoch war nach einer Weile wieder aufgetaucht - in einem ihr unbekannten Land, wo sie, aufgrund ihrer fremden Sprache, für eine Hexe gehalten wurde, was sie selbst jedoch nie verstanden hatte. Mehrmals wurde sie verbrannt oder auf andere Wege getötet, aber sie war immer wieder aufgetaucht, nur um dann wieder getötet zu werden, das einzig und allein weil sie japanisch gesprochen hatte. Irgendwann war sie dann in einer Steppe aufgewacht, umringt von vielen Tieren.
Ungefähr 1000 Jahre war sie dort geblieben und hatte viele Zeichnungen angefertigt, von den Tieren, die sie sah, und vom Meer, welches die riesige Insel umrundete. Sie hatte mehr als ein Jahr gebraucht, um einmal komplett das Ufer zu umrunden, dabei hatten einige Tiere sie begleitet. Zu dieser Zeit hatte sie auch damit angefangen, die Vögel genauer zu beobachten und abzuzeichnen, insgesamt hatte sie so fast hundert Tagebücher gefüllt, die sie dort sorgfältig versteckt hatte, um sie irgendwann mal wiederzufinden, bevor sie wieder „weitergewandert" war, denn sie hatte gelernt, bei ihrem „Tod" zu kontrollieren, wo sie danach landete. Ihr fotographisches Gedächtnis war ihr dabei immer eine große Hilfe gewesen.

„Asai?", holte Ashura sie aus den Gedanken, während er eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie zuckte leicht zusammen und drehte langsam den Kopf zu ihm. „Ja?", fragte sie leise. „Was ist los?", wollte er leicht besorgt wissen. Die Braunhaarige wendete sofort den Blick ab und starrte ins Nichts, da sie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen bildeten. „Nichts...", murmelte sie so ruhig und glaubhaft, wie sie konnte, doch das überzeugte den Otsutsuki nicht. „Du kannst mir sagen, was los ist.", meinte er lächelnd, doch es kam keine Antwort mehr von der Hitomi. Stumm rollten einige Tränen ihre Wangen hinab, einige fielen auf den Boden und andere auf den Adler, der noch immer auf ihrem Schoß schlief. „Asai?", wiederholte der junge Mann ihren Namen und sah sie besorgt an. Er bemerkte nicht, dass sie weinte, da sie den Kopf von ihm weggedreht hatte, aber ihr Adler wachte deswegen langsam auf und hob verschlafen Kopf. „Was ist denn los?", fragte der Otsutsuki sorgenvoll. „Nichts...", flüsterte sie so leise, dass Ashura es kaum hörte. „Ich möchte allein sein...", fügte sie genauso leise hinzu und schluckte leicht, als der Braunhaarige sich nicht bewegte. Vor ihrem inneren Auge blitzte das Bild eines Jungen auf, seine kurzen, dunklen Haare waren komplett zerzaust und seine braun-grünen Augen waren halb geschlossen, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, was ihm insgesamt ein ruhiges Aussehen verlieh, als wäre alles in Ordnung, doch der Hintergrund sprach genau vom Gegenteil: eine tote Frau lag auf dem Boden, neben ihr ein Mädchen im selben Zustand. So schnell wie das Bild gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Die Grünäugige blinzelte einige Male und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, was jedoch nicht sonderlich gut klappte. Ständig tauchten neue Bilder in ihren Gedanken auf, vom Krieg, von ihrem Vater, von vielen Toten, die sie nicht mal beim Namen genannt hatte oder grade so diesen. Ashura versuchte währenddessen vergeblich, sie zu beruhigen, doch sie nahm ihn wegen ihrer wirren Gedanken kaum wahr. Ein letztes Bild tauchte auf, bei dem ihre Gedanken dann stehen blieben. Ein Mann stand vor ihr und lächelte sie an, während er ihr eine Hand entgegen hielt. Seine blauen Augen funkelten sanft, seine zerzausten, hellbraunen Haaren wehten im starken Wind um sie herum. Sie wurde jäh aus den Gedanken gerissen, als Ashura sie in eine Umarmung zog und ihr beruhigend über den Rücken strich. „Nicht weinen...", murmelte er leise. Eine Weile saßen sie stumm da, während Asai ab und zu leise schluchzte. Nach einer Weile verklang ihr Schluchzen dann und sie entspannte sich langsam. Erst nach einigen Minuten bemerkte Ashura, dass die junge Frau eingeschlafen war. Vorsichtig und langsam stand sie auf und nahm sie im Brautstil hoch. „Komm mit, Kemono.", flüsterte er dem Adler, der noch immer im Gras lag und in den Himmel blickte, zu, bevor er dann ins Haus lief, gefolgt von dem Raubvogel. Der Schwarzäugige trug die Hitomi in ihr Zimmer und legte sie in ihrem Bett ab, ehe er sie zudeckte und das Zimmer langsam verließ. Der Haast-Adler legte sich auf ein großes Kissen neben dem Bett und beobachtete seine Besitzerin eine Weile, bevor auch er einschlief.
Der Otsutsuki setzte sich in seinem Zimmer auf das Bett und sah nachdenklich aus dem Fenster. Er überlegte, warum sie so plötzlich angefangen hatte, zu weinen, oder ob es damit zu tun hatte, dass er über ihre Eltern gesprochen hatte. Schließlich ließ er sich nach hinten fallen und seufzte niedergeschlagen auf, als er zu keiner Lösung kam. Nach einer Weile schlief er dann auch ein, da es schon lange nach Mitternacht und er ziemlich erschöpft war.

Zum Fliegen Geboren ||Naruto FF|| [Abgebrochen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt