Kapitel 2 - Vorbereitungen

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Mich wunderte stark, dass James sich auf dem Land auskannte und auch, dass er reiten konnte. Und am Ende des Tages hatten wir tatsächlich eine größere Stadt mit Hafen erreicht. James' Plan sah vor, dass wir in Pubs gingen und irgendwo einen Kapitän fanden, der eine Crew suchte, was James zu Folge nicht allzu schwer sein sollte.

„Ach und Victoria", sagte er noch, als wir von unseren Pferden stiegen, „Wir wollen einen guten Eindruck machen. Ein anderes Kleid wäre da bestimmt hilfreich." Er zog einen Geldbeutel aus der Tasche. Ich war sprachlos. In der Schmiede wurde das Geld in erster Linie für Essen und Werkzeug ausgegeben, Kleider kamen da eher zu kurz.

„Heißt das, du willst mir ein neues Kleid kaufen?", fragte ich verwundert.
„Ja, aber unter einer Bedingung", antwortete James. Ich schluckte. Was mochte das wohl sein?
„Das Kleid muss dich hübscher machen." James lächelte. Eine leichte Röte kroch auf meine Wangen.

Wir liefen durch die dunkler werdenden Straßen, bis wir eine Schneiderei gefunden hatten. In der Schneiderei sah es anders aus, als bei Mary zu Hause.

Es hingen viele grob genähte Kleider, Hosen und Hemden herum. Dazu gab es noch unzählige Stoffe in den unterschiedlichsten Farben. Ein klappriger kleiner alter Mann kam auf uns zu und mir war sofort unwohl.

„Was sucht Ihr?", fragte er mit seltsam hoher Stimme, „Ein Kleid für die Dame, eine Hose für den Herrn?" Der Schneider war so seltsam, dass ich nicht antworten konnte. Zum Glück sprang James für mich ein: „Ein Kleid für sie." „Natürlich, natürlich...", murmelte der Schneider und verschwand in den hinteren Teil des Ladens.

„Habt Ihr irgendwelche Wünsche bezüglich der Farbe?", rief er von hinten.
„Ähm...", machte ich, denn ich hatte offen gestanden noch nie die Wahl gehabt, da wir zu Hause immer das billigste genommen hatten.
„Ein dunkles Rot wäre doch hübsch, meint Ihr nicht, mein Herr?", rief James zurück.
Der alte Schneider kam zurück und trug eines dieser hässlichen, unförmigen Kleider mit sich. „Ich muss schon sagen, junger Mann, Ihr habt ein vorzügliches Auge was Farben angeht. Ich könnte einen Lehrling gebrauchen. Ich bin sicher Ihr...", begann der Alte, doch James unterbrach ihn: „Es tut mir leid, mein Herr, aber ich habe bereits eine Lehrstelle."
Der Schneider blickte James interessiert an. „Oh, und in welcher Kunst werdet Ihr unterrichtet?", fragte er.

Auf James' Antwort war aber auch ich gespannt, denn er würde hoffentlich nicht sagen, dass er ein Pirat war, weil wir dann nämlich schon mit einem Fuß im Grab standen. Für mich würde es genauso enden wie für ihn, da sich mit einem Piraten zu verbünden genauso strafbar war, wie selbst ein Pirat zu sein.

„Ich fahre zur See", sagte James leichthin, aber in einem Tonfall, der keine weiteren Fragen duldete.
Der Schneider nickte nur und rief dann über die Schulter: „Giselle! Wir haben Kundschaft!" „Verzeiht, wenn ich unhöflich klinge", sagte ich vorsichtig, „Aber mir scheinen diese Kleider doch ein wenig... nicht schön anzusehen zu sein."

„Oh, Ihr seid nicht unhöflich", lehnte der Schneider ab, „Nein, im Gegenteil. Viele meiner Kunden sind zunächst skeptisch, wenn sie meine Arbeit sehen, aber ich verrate Euch etwas: Weil ich jedes Kleid vornähe, spare ich Zeit. Und wenn meine Kunden die Sachen anprobieren, stecke ich sie ab und mache jedes Kleidungsstück zu etwas ganz besonderem." In diesem Moment kam eine rundliche Frau in die Schneiderei.

„Ah, Giselle. Würdest du bitte diesem Mädchen beim Umkleiden helfen?", fragte sie der Schneider.
„Selbstverständlich", antwortete die Frau, „Komm mit, Mädchen."
Ich folgte Giselle, die das Kleid mitnahm, nach hinten. Auf dem Weg drehte ich mich aber noch einmal zu James um und sah, wie er dem Schneider etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin dieser lächelte. Giselle führte mich hinter einen Paravent und begann ohne Vorwarnung mich auszuziehen.

My way downWo Geschichten leben. Entdecke jetzt