Kapitel 15 - Theresias Geschichte

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Victoria

Hier war ich also wieder.
Wieder auf einem Piratenschiff.
Wieder im Mastkorb.

Gut, diesmal war ich als Frau hier, verheiratet und verwitwet.

Auf der Flucht.
Als Piratin gebrandmarkt.

Und wie Arthur ganz richtig erkannt hatte, durch mein Kind wohl zum Tode verurteilt. Warum war ich eigentlich hier hochgeklettert?

Ich hatte schließlich Angst vor der Höhe. Vorsichtig sah ich nach unten. Alles blieb wo es war, nichts drehte sich.
Seltsam.

Ich lehnte mich gegen den Mast und schloss die Augen.

Was war nur aus meinem Leben geworden?
Was war aus mir geworden?
Wie oft hatte ich mir die Frage jetzt schon gestellt?
Allmählich wurde ich diesen Gedanken leid. Stattdessen begann ich über Theresia nachzudenken.
Wer war sie?

Jedenfalls war sie hübsch mit ihren rötlichen Haaren und den hellbraunen Augen.

Sie sah fast schon lieblich auch, wären da nicht das fleckige Kopftuch und das kurze Kleid gewesen, dass kurz über dem Knie endete.

Wie ordinär.

Und gerade das war es, was mir Angst machte, Angst, die ich mit Schrecken als Eifersucht identifizierte.
Die Piraten waren alle nicht sonderlich ansehnlich – bis auf Jim.
Weshalb sollte sie sonst hier sein als wegen ihm?

Die Eifersucht machte mir Angst. Ich hatte das grässliche Gefühl, etwas für Jim zu empfinden, das mehr als nur Hass war.

Also rief ich mir in Erinnerung, dass er meine Hochzeitsnacht verhindert hatte.
Er hatte wieder einmal gegen meinen Willen in mein Leben eingegriffen.
Wie er Abraham von mir runter gezerrt hatte, sein Gesichtsausdruck dabei. Diese Mischung aus Hass und Wut.

Auch wenn er Abraham nicht umgebracht hatte... Ich wollte Rache.

Aber wie? Was würde ihn so sehr verletzen wie er mich verletzt hatte?
Der beste Weg wäre wohl ihn weiter eifersüchtig zu machen.
Dazu brauchte ich aber jemanden, der stärker war als er, den er mochte und durch den er sich eingeschüchtert fühlte.

Aber wo fand ich einen solchen Mann?

Vorerst würde ich mich wohl mit meiner Rache noch etwas gedulden müssen. Ich richtete meinen Blick auf den Horizont und staunte nicht schlecht, als ich ein Schiff erblickte. Wir waren doch kaum losgefahren.

„Schiff in Sicht!!!", brüllte ich nach unten. Hektisches Treiben auf dem Deck.

Alle sahen in Richtung des Schiffes. Ich verstand nicht, was sie sagten, bemerkte aber sehr wohl, als sie die Flagge hissten und diese plötzlich über meinem Kopf wehte: weiß auf schwarz ein Knochen, der einen Säbel kreuzte.
Es wurde Ernst. Ich packte meinen Degen fester und starrte das Schiff an, das immer größer wurde.
Es waren ebenfalls Piraten.

Piraten griffen also auch Piraten an.

Als unser Schiff nah genug an dem anderen war, sprangen die Männer auf das andere Schiff. Ich beschloss mich erstmal herauszuhalten und im Zweifel irgendwen zu retten, wenn es denn nötig wäre. Mir gegenüber hing ebenfalls ein Typ im Mastkorb. Er grinste mich bedrohlich an, aber ich erwiderte es nur mit einem kalten Blick und sah dann wieder nach unten.
Es sah gut aus für uns, keiner der anderen hatte es bisher auf unser Schiff geschafft.
Theresia stand auf dem anderen Schiff und sprach mit einem der anderen Crew. Sie wirkten vertraut, jedenfalls bis er ihr den Säbel an die Kehle hielt.

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