Kapitel 13 - Wegrennen

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James

„Sie wird nicht kommen, Jim."
„Doch", erwiderte ich.
Theresia, meine Freundin aus Kindertagen, schob sich in mein Blickfeld.

„Sie weiß doch noch nicht mal, wo das Schiff ist. Das muss ich dir lassen, das Schiff ist so gut versteckt, das es keiner findet. Auch nicht, wenn man es finden soll", merkte sie an. Ich raufte mir die Haare.

Irgendwo hatte sie Recht, die Bucht lag versteckt etwas abseits der Stadt.
Ehrlich gesagt war ich froh, dass das Schiff noch hier war, als ich eben wieder hier angekommen war. Ich hatte schon damit gerechnet, dass die Crew ohne mich weggesegelt war.
Ein Hoch auf die Loyalität.
„So gut ist es nun auch wieder nicht versteckt", murmelte ich.
„Immer noch der Alte, was? Kannst nicht zugeben, wenn jemand anderes Recht hat. Also ich würde wetten, dass sie nicht kommt...", sagte Theresia leichthin, trat dann aber näher und flüsterte, „Und wenn sie nicht kommt, würde ich an deiner Stelle verschwinden. Die Männer scheinen nicht besonders gerne enttäuscht zu werden."

Die Drohung von Meuterei saß. Selbst ich konnte mich nicht gegen mehr als zehn mordlustige Piraten verteidigen. Theresia sah mich mit ihren warmen braunen Augen vielsagend an.

„Hol sie", sagte sie leise.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und sprang vom Boot.
Während ich in Richtung Stadt eilte, ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich ohne Widerrede auf Theresia gehört hatte.
Ich war ihr Caept'n.

Ich hätte ihr befehlen sollen, Victoria zu holen.

Stattdessen rannte ich wie der letzte Idiot los um sie persönlich zu holen.
Aber jetzt war ich nun mal unterwegs.
In der Nähe der Stadt verlangsamte ich mein Tempo und machte mich auf in Richtung Hafen. Dort würde Victoria ja wohl als erstes nach dem Schiff suchen, oder?
Tatsächlich stand sie am Kai und sah sich um. Ich nahm mir die Zeit, sie eine Weile lang anzusehen.
Sie trug noch immer die Jacke eines Soldaten über ihrem Hochzeitskleid.
Ihr Hochzeitskleid.
Sie war verheiratet.

Das hätte sie unerreichbar gemacht... wenn ihr Mann noch leben würde. Earl hatte ihn getötet.

Warum?

Nicht, dass ich das diesem Hund das nicht gewünscht hätte, aber ich hätte es lieber selbst getan. Der Gedanke, wie er auf Victoria lag, sie küsste, ließ Galle in mir aufsteigen.
Ich würgte kurz und zwang mich dann an unsere bevorstehende Flucht zu denken.
Ich pfiff durch die Finger, Victoria drehte sich zu mir um. Gerne hätte ich sie lächeln sehen, aber das tat sie nicht.
Sie kam zu mir herüber.

„Warum ist das Schiff nicht hier?", war das erste, was sie mir entgegen schleuderte.

„Ich konnte es ja schlecht vor der Stadt abstellen über Nacht, mit Piraten an Bord, die alle nicht sonderlich scharf auf ihre Hinrichtung sind", geb ich zurück.
„Worauf ich ja hingegen sehr scharf war", blaffte sie. Ja, sie war definitiv wütend auf mich. Ich grinste.

„Hör sofort auf zu grinsen!"

Ich hatte ihren Zeigefinger vor der Nase.
„Wenn du nicht aufhörst...", drohte sie, kam aber nicht zum Ende, weil ich ihre Hand wegschlug und das Wort ergriff, „Kleine, ich weiß nicht ob du es schon gemerkt hast, aber ohne mich bist du gerade so gut wie Tod. Also tust du jetzt was ich sage."
Sie stemmte empört die Hände in die Hüften.

Kleine?", fragte sie, „Was ist denn in dich gefahren? Seit wann nennst du mich so? Und ja, ich muss wohl tun was du sagst. Hier bleiben kann ich schlecht. Aber merk dir eins: das mit uns ist noch nicht vorbei!"

Der Tonfall, in dem sie den letzten Satz sagte, löste in mir das Gefühl aus, dass sie ihn anders meinte, als mein Kopf ihn gerade verstehen wollte. Ich hörte auf zu grinsen, nahm ihre Hand und zog sie hinter mir her. Wir kamen kaum zwei Straßen weit.

„Da sind sie!"

Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass fünf Soldaten uns entdeckt hatten. Wir mussten nicht reden, um zu verstehen, dass wir besser rennen sollten.
Die Straße entlang, dann links, durch einen Hinterhof. Leute sprangen uns schreiend aus dem Weg.
„Du ziehst mich in die falsche Richtung!", rief ich zu Victoria und musste erschrocken feststellen, dass wirklich sie es war, die mich zog. Nicht andersherum.
Sie ließ den Zug nach und ich zerrte uns in die andere Richtung, die Soldaten noch immer schreiend hinter uns und dann rannten wir in das kleine Waldstück, durch das wir zum Schiff kamen. Mittlerweile keuchten wir, als es hinter uns knallte.

„Die schießen doch nicht etwa auf uns!?", rief Victoria mit nicht zu überhörender Angst. „Klingt ganz so!", rief ich zurück.

Ein Baum mit großen Wurzeln zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Ich packte Victoria etwas fester und zog sie zu dem Baum und zu den Wurzeln.
Mit riesigen Augen starrte sie mich an und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Die Soldaten rannten an uns vorbei.

„Sie sind weg", flüsterte Victoria und wollte aufstehen, ich hielt sie unten.

„Die müssen wieder zurück und an uns vorbei. Warten wir lieber noch etwas", sagte ich, begann wieder zu grinsen und sagte, „Wir könnten die Zeit ja auch anderweitig verbringen."

„Vergiss es!", fauchte Victoria und rückte ein Stück von mir ab. Ich seufzte.

Es war doch immer das gleiche mit den Mädchen...

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Ahoj!

Irgendwie finde ich Jim in letzter Zeit recht bemittleidenswert: er versucht immer einen auf harten Typen zu machen und lässt sich am Ende doch herumkomandieren. Wo er doch eigentlich keine Liebe empfinden kann.

Wir nähern uns langsam und allmählich dem Ende, trotzdem fehlt noch ein wichtiger Charakter...

Will wer raten?

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