12. Kapitel

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Einbuchtung 1123, Einbuchtung 1124, Einbuchtung 1125.....
Stöhnend zog ich mich zur nächsten Kante, an der ich mich festhalten konnte. Meine Muskeln zitterten so dermaßen, dass ich das Gefühl hatte sie wollten aus meinem Körper hüpfen. Meine Wunde am Bein war wieder aufgerissen und ich hatte meine Jogginghose an den Beinen zerrissen und um das verletzte Bein gebunden. Bloß nicht nach unten sehen!
Und was tat ich?
Nach unten sehen.
Ich konnte den Boden nicht mehr erkennen, da wir schon mitten in dem Nebel kletterten, der und die Sicht versperrte. Nimus der über mir unterwegs war, schien überhaupt nicht aus der Puste zu sein. Nicht mal ein verfluchter Schweißtropfen rollte seine Stirn runter. Unter mir kletterten Susanne, die schon ziemlich grün im Gesicht war. Höhe war wohl nichts für sie. Hinter Susanne konnte ich noch so gerade Will erkennen, der sich verbissen an dem gewaltigen Stamm nach oben arbeitete. Siria, die als letzte angefangen hatte zu klettern, konnte ich gar nicht mehr sehen. Ich dachte an meine Mutter. Was sie wohl gerade machte und ob sie schon bemerkt hatte, dass ich verschwunden war? Als nächstes wanderten meine Gedanken zu meiner Schule. Wenigstens waren diese Mädchen, die einfach nur schön waren und bei denen keine einzige Birne brannte um ihr nicht vorhandenes Gehirn zu erleuchten, mal zu etwas gut. So konnte ich mich prima von der Kletterei und der Tatsache, dass ich mich in schwindelerregender Höhe in einer magischen Welt befand, ablenken. An meiner Schule hatte ich nicht wirklich Freunde, weil in meiner Klasse nur diese aufgebrezelten Gänse rumstolzierten, die der Welt mitteilten, wie schön sie doch waren. Da konnte ich gut auf Freundschaften verzichten. Über mich wurde meistens gelacht. Wegen meinen zweifarbigen Augen und den feuerroten Haaren. Trotzdem wollte ich wieder dorthin zurück. Nach Hause.
Hier hatte ich schon genug Blut gesehen. Ich schüttelte mich, als ich an den Moorgurgler denken musste. Und dann passte ich einmal nicht auf. Ich griff neben der hervorstehenden Kante ins Leere. Ich schrie erschrocken auf und ruderte mit dem Arm. Ich konnte mich aber noch rechtzeitig mit der rechten Hand festhalten. So baumelte ich an dem Baum über dem Abgrund. Nimus kletterte schnell zu mir, packte meinen Arm und drückte mich wieder an den Stamm, damit ich wieder Halt fand. Zitternd hing einfach erstmal da. Ich wagte einen Blick nach unten. Will, Susanne und Siria hatten aufgehört nach oben zu kraxeln und starrten zu mir und Nimus. "Warum müssen wir auch diesen verfluchten Baum hochklettern?" , zischte ich wütend. Nimus der neben mir hing hob die Augenbrauen: "Ihr tretet dem Widerstand bei. Jeder von uns ist einmal diesen Baum hochgeklettert."
"Also hätten wir auch anders hier rauf kommen können?"
"Natürlich." , meinte Nimus mit zuckenden Mundwinkeln. Ich sah ihn entgeistert an. "Wir können sterben, wenn wir von hier runterfallen!" , maulte ich los. "Jeder stirbt hier früher oder später. Wenn ihr in Niggland überleben wollt, solltet ihr besser gut ausgebildet sein." "Ach? Und einen Baum hochklettern gehört auch dazu?" , pflaumte ich ihn an. Nimus grinste wieder und seine dunklen Augen funkelten: " Sieh es als Aufnahmeprüfung. "
Dann kletterte er einfach weiter und ließ mich im wahrsten Sinne des Wortes hängen. Susanne erreichte mich und versuchte mir aufmunternd zu zulächeln. Sie  scheiterte aber kläglich und das Lächeln mutierte zu einem Zähnefletschen. "Wir schaffen das schon... Irgendwie... Hoffe ich jedenfalls." Ich grinste unweigerlich: "Das mit dem Aufmuntern musst du aber noch üben!" Sie grinste auch: " Ich bin Susanne Polski, wollen wir Freunde sein? " Ich sah sie einen Moment lang an, bevor ich antwortete: "Ich bin Ella Sommer und ich nehme dein Angebot an."

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