Stöhnend rieb ich mir den Kopf. Ich lag in einem von Falsas Schaukelstühlen. Ich war glücklicherweise wieder ein Mensch und hatte keine mörderischen Gedanken mehr. Die Tür ging knarrend auf und Falsa trat mit wehendem bunten Kleid ein.
"Oh, du bist wach. Das ist gut." , sagte sie, als sie merkte, dass ich sie beobachtete.
"Was ist passiert?"
Sie sah mich entschuldigend an.
"Ich musste dich mit einem Zauber ins Land der Träume schicken, sonst hätten wir dich nicht bändigen können. Tut mir Leid."
Ach, ab und zu mal einen Schlag auf die Rübe kann bei dir bestimmt nicht schaden.
Muff blinzelte mich mit seinen kleinen dreisten Augen an. Ich knurrte genervt:
"Dich kann ich jetzt gar nicht gebrauchen."
Der kleine Drache verzog sein Maul zu einem gehässigen Grinsen. Ich wandte mich betont wieder an Falsa.
"Warum wollte ich euch töten?" , fragte ich stockend. Falsa seufzte und ließ sich in einen der Stühle fallen.
"Du bist eine Wandlerin Ella. Ein Mensch, der sich in ein Tier verwandeln kann. Du kennst ja schon Estus. Er kann sich in einen Raben verwandeln. Revel wird zu einem Wolf und du wirst zu einem Drachen."
"Aber warum wollte Revel mich töten?"
"Naja, es sind bis heute keine Fälle bekannt in denen ein Wandler die Form eines Drachen angenommen hat. Das ist praktisch unmöglich."
"Genauso unmöglich wie diese Kette." Ich tippte auf den funkelnden Rubin. Falsa lächelte und stand auf. Sie verschwand in einer Tür und kam schließlich mit einem halbwegs gesunden Estus zurück. Er musste sich noch auf sie stützen, konnte aber laufen. Seine Wunden waren mit Blättern bedeckt. Falsa drückte ihn in einen Stuhl.
"Ging das nicht etwas sanfter?" , maulte Estus. Die Magierin starrte ihn böse an. Er hob ergeben die Hände.
"Schon gut."
Dann drehte er sich zu mir um. Seine blauen Augen funkelten als er den Rubin sah.
"Du bist dann wohl Fogbonds Tochter."
"Muss ich wohl sein." , gab ich knapp zurück. Estus lächelte leicht.
"Bin ich denn wirklich seine Tochter?" , wollte ich wissen.
"Kanntest du deinen Vater Ella?" , konterte Falsa.
"Nein, Mama meinte immer er musste weg und sei nie wieder gekommen. Sie hat niemals über ihn gesprochen. Wer er war, wie er aussah. Nicht mal wie er hieß hat sie mir gesagt."
"Da hast du deine Antwort." , brummte Estus. Ich sah ihn giftig an.
"Also, warum wollte ich als ich ein Drache war, so viele umbringen wie möglich?" , wechselte ich das Thema. Ich wollte nicht über meinen Vater reden. Dafür war es einfach noch zu unwirklich.
Ja ich weiß, dass ich in einer magischen Welt festsitze, keine Sorge.
"Als Wandler hast du zwei Formen," begann Falsa , "die Form des Menschen und die des Tieres. Das Tier in dir ist wild und ungezähmt. Jeder Wandler muss lernen, es unter Kontrolle zu kriegen."
"Das dauert bei jedem unterschiedlich lange. Aber du musst trainieren dich zu verwandeln und dich zu beherrschen. Ich war auch mal so wild wie du in meiner anderen Form." , erklärte Estus. Ich begann zu grinsen und er starrte mich verwirrt an.
"Tut mir leid ich muss mir gerade bildlich vorstellen, wie ein verrückter Vogel Leute angreift." , kicherte ich. Jetzt war es an ihm giftig zu gucken.
"Ich habe einem hier ein Auge ausgestochen." , knurrte er. Ich riss erschrocken die Augen auf.
"Ich konnte das Auge mit Magie wieder einsetzten." , besänftigte Falsa mich schnell. Estus verschränkte selbstgefällig die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
Soll ich diesem Kerl auch mal die Augen auskratzen? Muff glotzte Estus vielsagend an.
"Nein, lass das lieber." , flüsterte ich.
"Mit wem...?" , setzte Falsa an. Dann sah sie den kleinen Drachen und zog ihn aus seinem Versteck. Muff zappelte und schnappte nach ihr.
Zum tausendsten Mal du Ungetüm: lass mich los!
Falsa sah den zischenden Drachen böse an.
"Du solltest bei deinen Geschwistern im Korb sein."
Ja, sollte ich. Will ich aber nicht.
"Ich bringe ihn eben nach oben. Bin gleich wieder da.", murmelte Falsa und ging die Treppe hoch.
Neiin! Ella! Lass das nicht zu. Oh du alte miese... Ab da stellte ich auf Durchzug.
Moment! Welche Treppe? Ich starrte ihr verwirrt hinterher.
"Diese Hütte ist verzaubert. Sie ist größer als du denkst." , meinte Estus lachend. Brummend ließ ich mich in den Stuhl zurückfallen. Wo war eigentlich Jarus?
Gerade als ich an die Kette fassen wollte, merkte ich, dass meine Nägel lang, rot und gekrümmt waren. Meine Hand war mit roten Schuppen überzogen.
"Ah!" , schrie ich so laut auf, dass Estus heftig zusammenzuckte. Er sah sofort den Grund meines Schreckens.
"Meine Güte. Willst du den Stuhl zerlegen?"
"Nicht. Hilfreich." , knurrte ich. Ich spürte wie mein Körper sich langsam veränderte. Meine andere Hand bekam auch lange Krallen und Schuppen.
"Ella, konzentrier dich! Denke an schöne Momente in deinem Leben. Dränge den Drachen zurück." , half Estus nach.
Schweiß rann meine Stirn herunter, als ich versuchte die Oberhand zu behalten. Dem Drachen gefiel das überhaupt nicht. Wütend kämpfte er gegen mich an. Meine Sicht verschärfte sich schon. Wenn ich in der Hütte blieb, würde ich sie zerstören. Ich hastete zur Tür, riss sie auf und stürmte hinaus. Gerade fand das Training auf der Lichtung statt. Alle strömten erschrocken von mir weg. Ich sah wie Litus und Ledo die Anderen von mir wegdrängten. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Estus, der auch aus der Hütte gekommen war. Er presste eine Hand auf die Verbände. Er schien Schmerzen zu haben. Keuchend sank ich auf die Knie. Mein Körper begann meine eigenen Knochen zu brechen, um die Verwandlung auszuführen. Wie hatte ich das beim ersten mal überlebt? Es tat verdammt weh.
"Ella," rief Estus mir zu, "du kannst ihn besiegen. Zeig deiner anderen Form, wer der Chef ist."
Ich knurrte vor Schmerz und wand mich am Boden. Der Drache kratzte zischend von Innen an mir. Jetzt wurde ich auch wütend und drängte ihn zurück.
"Ja! Du schaffst es! Komm schon Ella, zeig mir was du kannst!" , rief Estus und spornte mich an.
Fauchend griff ich meine andere Form an, nach gefühlten Stunden gab er auf und ich wurde wieder komplett zu einem Menschen. Schwer atmend lag ich da. Erst jetzt sah ich wer alles um mich herum stand. Litus, Ledo, Nimus, Siria, sogar Susanne und Will. Selbst Revel lehnte an einem Baum und sah mich aus dem Halbschatten heraus an. Estus kniete sich neben mich und strich mir über die Schulter.
"Sehr gut."
Ich nickte und dann wurde (schon wieder) alles schwarz.
Blinzelnd wachte ich wieder in einem Stuhl auf. Falsa stand neben mir und hatte mir anscheinend ein kühlendes Blatt auf die Stirn gelegt. Estus und Jarus standen neben ihr und musterten mich.
"Bin ich so interessant?" , murmelte ich amüsiert.
"Ella!"
Jemand stürzte sich auf mich und umarmte mich. Susanne, eindeutig.
"Geht's dir gut? Falsa hat Will und mich nicht zu dir gelassen. Jarus hat sie aber genug bearbeitet."
Ich sah mich um. Will trat neben mich und grinste mich an.
"Du hast uns einen ganz schönen Schreck eingejagt Drachenmädchen."
Ich verpasste ihm einen Schlag.
"Arsch."
"Ihr geht's eindeutig wieder gut." , meinte Jarus.
"Noch einer von der Sorte." , erwiderte ich.
Susanne schob Will beiseite und hielt mir eine Holzschüssel mit getrocknetem Fleisch unter die Nase.
"Hier. Du musst was essen." , meinte sie. Ich griff dankbar nach dem Fleisch. Ich wollte erst gar nicht wissen, was das war. Jedenfalls war es lecker.
"So," brummte ich, "wie kriege ich meine andere Form unter Kontrolle?"
"Ich werde dich solange trainieren, bis du es richtig kannst." , erklärte Estus.
"Was? Bist du verrückt? Deine Wunden sind nicht mal ganz verheilt." , fuhr Falsa dazwischen.
"Sollen wir sie etwa Revel überlassen?" , schnaubte Jarus.
"Aber..."
"Falsa, " sagte Estus sanft, "momentan ist kein anderer Wandler hier. Die sind alle auf dem Außenposten. Ich sitze sowieso hier fest. Du lässt mich hiermit nicht gehen." Er deutete bedeutungsvoll auf seine Wunden.
"Estus hat recht. Lass ihn das übernehmen." , versuchte Jarus Falsa zu überreden.
Die Magierin wedelte mit einem Finger vor Estus' Nase herum.
"Wenn auch nur eine Wunde schlechter wird, hörst du sofort auf. Klar?!"
"Natürlich Falsa."
Estus deutete sogar eine leichte Verbeugung an.
Falsa drehte sich zu Will, Susanne und mir um.
"Ihr geht in die Hängematten und zwar schnell. Ella morgen früh kommst du zu mir und Estus. Wir werden sich trainieren. Danach ist Litus mit dem Schwertkampf dran." , befahl sie.
Wir stöhnten kollektiv auf.
Mit gutem Recht. Die nächsten Wochen wurden wirklich, wirklich mies.
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Blue Darkness
Paranormal"Heiliges Kanonenrohr!" Mich hätte gerade fast ein Drache abgefackelt! Ich hatte aber nicht die geringste Lust als menschlicher Barbecuespieß zu dienen. Die 15-jährige Ella bekommt zu ihrem Geburtstag ein mysteriöses Buch geschenkt. Ohne darüber na...