29. Kapitel

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"Prophezeiung?" , wiederholte ich verwirrt.
"Ja!" , rief Falsa und wuselte voller Tatendrang durch die kleine Hütte. Jarus folgte ihr ebenso verwirrt wie ich mit den Augen. Mit einem lautem Ha! zog sie eine Papierrolle aus einem Regal. Diese entrollte sie dann und legte sie auf den halben Tisch. Wir beugten uns über das Papier. In geschwungener Schrift, die so alt war, dass man sie kaum noch lesen konnte, stand etwas darauf:

                                        Die Prophezeiung

         Das Feuer wird in den Hallen des Königs brennen,
         und doch, wird die Zeit unaufhaltsam rennen.

         Der Nebel wird heraufziehen,
         niemand vermag davor zu fliehen.

         Das Feuer wird erlischen...

         In der Dunkelheit wird das Kind des Feuers erscheinen,
         mit zwei Freunden will ich meinen.

         Mit der Hilfe der Kälte werden sie siegen,
         die Funken beginnen erneut zu fliegen.

         Am Ende wird der Nebel sich lichten,
         und die Dunkelheit vernichten...

"Wisst ihr, wer mit dem Kind des Feuers gemeint ist?" , fragte Falsa. Jarus und ich sahen uns fragend an. Wir hatten keine Ahnung. Falsa seufzte und deutete auf das Papier.
"Du, Ella! Du bist damit gemeint!" , rief sie aufgeregt.
"Was?" , keuchte ich. Das konnte doch gar nicht sein! Ich gehörte nicht mal hier her. Wie sollte ich dann königliches Blut in mir haben? Jarus wollte gerade den Mund aufmachen, als wir Flügelschläge hörten. Adrog landete auf der Wiese und sah durch das Loch zu uns hinein.
"Falsa, wichtige Versammlung im Berg. Es geht um die Prophezeiung!"
Dann war er wieder weg.
"Tut mir leid Ella, du solltest schlafen gehen. Versammlungen sind noch nichts für dich." , meinte Falsa da auch schon.
"Aber..."
"Kein Aber! Und Jarus? Du passt solange auf Estus auf!"
Mit den Worten rauschte Falsa durch das Loch nach draußen. Ich war am kochen! Erst diese Heimlichtuerei und jetzt, wo es gerade mal eine heiße Spur gab, durfte ich nicht mehr erfahren? Nicht mit mir! Ich schnappte mir die Prophezeiung und wollte Falsa folgen.
"Was soll das werden Ella?" , rief Jarus mir hinterher.
"Was wohl? Ich gehe auf die Versammlung!"
"Bist du wahnsinnig? Du kannst da nicht einfach so hin."
"Das werden wir schon sehen." , knurrte ich wütend.
"Ella!" , brüllte Jarus mir nach. Ich achtete aber nicht auf ihn und marschierte weiter. Ich klaute eins von den kleineren Schwertern und band mir die Halterung dafür um. Das versteckte ich dann unter meinem kleinen Umhang. Ich schob den Blättervorhang zur Seite und lief über die Lichtung auf den Berg zu.
"Ella!" , hörte ich jemanden sagen. Susanne.
"Wo willst du hin?" , flüsterte sie, um die Aufmerksamkeit der Leute, die noch immer am Feuer saßen, nicht zu wecken.
"Kann ich nicht erklären. Komm mit oder bleib hier."
Sie sah mich entschlossen an.
"Du bist meine Freundin. Natürlich komme ich mit."
Ich lächelte sie dankbar an.
"He, wo wollt ihr hin?" , rief Will.
Ich stöhnte genervt auf. Susanne erklärte ihm schnell die Lage und dann kam auch er mit. Als wir an der Seite des Berges standen, mussten wir erstmal überlegen, wie wir ungesehen durch die Tür und in den Berg kamen.
"Wir können nicht einfach hereinspazieren. Das ist dir schon klar oder?" , zischte Will leise.
"Schon klar." , brummte ich.
"Und jetzt?" , flüsterte Susanne.
"Wie kommt eigentlich Adrog da rein und raus? Die Tür ist definitiv zu klein." , überlegte ich laut.
"Er fliegt durch ein Loch an der Spitze rein und raus." , erklärte Will.
"Woher willst du das wissen?" , fragte Susanne.
"Ich hab's einmal gesehen, wie er da oben raus gekommen ist."
"Also schön," meinte ich, " dann klettern wir darauf und legen uns an das Loch. So müssten wir genug hören"
Susanne seufzte. Ich packte den erstaunlich kalten Stein und begann nach oben zu klettern. Oben angekommen legten wir uns schwer atmend an das Loch. Wir konnten bequem hineinsehen.
Adrog saß in seinem Nest. Falsa war wie erwartet auch da. Ich konnte auch noch Litus, Ledo und sogar Nimus erkennen. Ein weiterer Vogel war noch da. Er war etwas kleiner als Adrog und hatte Fell anstelle von Federn. Sein gewaltiger Schnabel war leicht nach unten gebogen. Bei jeder Bewegung, wippten die schillernden langen Federn, die von seinem Kopf bis zu seinen Flügeln reichten, auf und ab. Die anderen Leute kannte ich noch nicht.
"Ich bitte um Ruhe!" , Adrog schlug mit den Flügeln und alle verstummten. 
"Ich habe euch gerufen, da wir die Krone des Königs gefunden haben."
Erstauntes Geflüster flammte auf. Einige riefen ungläubig.
"Und Fogbonds Erbin." , fügte Adrog noch hinzu.
"Willst du uns gerade erzählen, dass Fogbond Kinder hatte?" , fragte Nimus völlig überfordert.
"Ja," meldete sich nun Falsa zu Wort, "eine Tochter."
"Und wer soll das sein?" , schnaubte Litus genervt. Falsa warf ihm einen bösen Blick zu.
"Fogbonds Tochter und rechtmäßige Erbin ist Ella Sommer." , krächzte Adrog leise.
Wumm!
Die Erkenntnis schlug bei mir ein wie eine Bombe. Will und Susanne starrten mich vollkommen erstaunt an.
Ledo der sich unten im Berg erhoben hatte, sprach so ziemlich meine Frage aus:
"Wie kann das sein? Fogbond war ein Feuerdrache und Ella ist ein Mensch, der nicht mal aus Niggland stammt."
Alle schwiegen jetzt und sahen Adrog an. Dieser raschelte mit den Federn.
"Das wissen wir auch noch nicht so genau, aber Ella kann die Kette tragen."
"Vielleicht hat sich die Kette geirrt." , rief eine einzelne Stimme und ich konnte nicht ausmachen, woher sie kam.
"Die Krone irrt sich nie!" , erinnerte Falsa.
"Und was soll uns dieses Kind eurer Meinung nach nützen? Hat sie irgendwelche besondere Kräfte? Ich wette, sie kann nicht mal kämpfen und rennt schon bei der ersten Schlacht davon." , zischte jemand. Alle drehten sich zu dem Sprecher um. Es war ein sehr muskulöser Mann mit verstrubbelten braunen Haaren, die an den Seiten schon von silber durchzogen waren. Er hatte kühle braune Augen, die wie auf der Lauer durch den Raum wanderten. Mir gefiel dieser Kerl auf Anhieb nicht.
"Revel hat Recht! Was soll sie uns bringen?" , knurrte Litus. Nicht zu fassen! Dieser Mistkerl fiel mir doch tatsächlich in den Rücken. Vielleicht sollte ich ihn nochmal schlagen.
"Das ist eine gute Frage," setzte Adrog an, "wenn aber ganz Niggland von ihr erfährt, bekommen wir mehr Unterstützer. Ihr wisst, dass wir den Nebelwandlern in einem offenen Kampf deutlich unterlegen sind."
Zustimmendes Murmeln ertönte und hier und da wurde genickt. Revel verzog sich knurrend wieder in seine Ecke. Irgendetwas war mit diesem Kerl los.
"Dieser Revel ist mir gar nicht geheuer." , zischelte Will neben mir.
"Wie recht du doch hast." , brummte Susanne.
Ich blieb still. Was für meine Verhältnisse schon ein Weltwunder war.
Plötzlich begann aber die Kette zu leuchten.
"Ähm, Ella?" , Susanne stupste mich an.
Ich sah auf den glühenden Edelstein.
"Verdammt, wie stelle ich das aus?" , murmelte ich panisch.
Das rote Licht durchflutete den Berg unter uns.
Nicht. Gut.
Köpfe fuhren nach oben und es wurde auf uns gezeigt.
"Weg hier!" , brüllte Will.
In Rekordzeit waren wir von dem Berg runter. Wir flitzten auf den Blättervorhang zu und auf die Lichtung dahinter. Ich hörte die Tür des Berges hinter uns auffliegen. Alle von der Versammlung rannten hinter uns her. Auch die Leute am Feuer wurden auf uns aufmerksam.
Mist. Mist. Mist.
Dann wurde mir auch noch übel. Keuchend stützte ich mich auf meine Beine. Ich sah die anderen vom Widerstand auf die Lichtung strömen. Waffen wurden auf uns gerichtet.
"Halt! Sie gehören zu uns." , donnerte Adrogs Stimme durch die Luft. Der Schmerz in meinem Brustkorb wurde immer schlimmer.
"Ella. Was ist los?"
Susanne kam zu mir und stützte mich, ehe ich zusammenbrechen konnte.
Falsa packte Susanne und zog sie von mir weg.
"Weg von ihr! Alle!" , rief sie und scheuchte alle mindestens zwanzig Meter weg.
"Was passiert mit ihr?" , brüllte meine Freundin ängstlich.
Der Schmerz ballte sich zusammen. Dann explodierte er.
Ich spürte wie mein Körper sich in die Länge zog. Meine Nägel wurden zu gebogenen Krallen. Mein Kopf wurde länger und meine Sicht wurde schärfer. Überall an meinem Körper begannen rote Schuppen zu wachsen. Meine Schulterblätter bohrten sich durch meine Haut und zwei riesige feuerrote Flügel entfalteten sich. Keuchend sank ich auf den Boden. Ich zitterte am ganzen Leib. Als ich den Kopf hob, wichen alle noch ein Stück zurück. Dieser Körper war komisch, aber auch auf eine seltsame Weise vertraut. Ich wusste auch ohne mein Spiegelbild zu sehen, dass ich ein Drache war.
"Ella?" , fragte Falsa langsam.
"Ja?"
Wow! Meine Stimme klang viel tiefer und rauer. Krass!
"Geht's dir gut? Tut etwas weh?"
Ich bewegte meine meine Flügel und schüttelte übermütig den Kopf.
"Macht sie fest!" , schrie plötzlich jemand. Mein Kopf fuhr herum. Todsicher hatte Revel das gesagt. Seile flogen über mich hinweg und wurden auf der anderen Seite im Boden festgemacht.
"Nein!" , rief Falsa erschrocken.
"Sie ist gefährlich." , zischte Revel. Leider waren die meisten dieser Meinung und versuchten mich so zu fesseln, dass ich mich nicht  mehr bewegen konnte.
"Macht sie los!" , brüllte Will und wollte zu mir rennen. Er wurde aber wieder zurückgerissen. Auch Susanne kämpfte wütend gegen den Kerl an, der sie festhielt. Knurrend wehrte ich mich gegen die Seile, kam aber nicht dagegen an.
"Macht sie auf der Stelle wieder los!" , befahl Adrog.
"Nein," knurrte Revel, "es gab noch nie einen Wandler der sich in einen Drachen verwandeln konnte. Das ist nicht mehr normal. Sehr ihr nicht, dass das eine Missgeburt ist? Allein ihre Augen."
"Revel, mach sie los." , wiederholte Adrog ruhig.
"Nein, diesmal höre ich nicht auf dich und deine dummen Entscheidungen." , fauchte Revel.
Dann sah er mich direkt an.
"Tötet sie! Das ist nicht Fogbonds Erbin."
Adrog spannte seine Flügel auf und griff Revel an. Der rollte sich zur Seite und verwandelte sich in einen Wolf.
Warum auch nicht?
Revel sprang hoch und verbiss sich in Adrogs Flügel. Blut spritzte durch die Luft und landete auf meinen Schuppen. Aus dem Augenwinkel sah ich jemanden auf mich zu kommen, der eine riesige Axt in den Händen hielt. Wut flammte durch meinen Körper. Ich hatte noch keine Lust zu sterben. Ich warf meinen Kopf nach oben. Die Seile rissen und flogen zu allen Seiten davon. Ich spannte meine Flügel auf und stieß ein lautes Knurren aus. Alle erstarrten. Revel ließ vor Schreck Adrog los und krachte auf den Boden. Der Rubin in der Kette erstrahlte und schickte sein helles Licht quer über die Lichtung. Blitzschnell war ich bei Revel und drückte ihn mit einer meiner Pranken auf den Boden. Keuchend zappelte der Wolf unter mir.
"Ella, lass ihn los." , rief Falsa.
Doch ich wollte nicht. Dieser Revel nervte mich. Ich wollte ihm seine Innereien aus dem Leib reißen und...
Ich warf meinen Kopf panisch hin und her. Warum dachte ich überhaupt an so etwas? Ich rang mit mir selbst. Die anderen schienen das zu merken.
"Ella bleib ruhig!" , hörte ich Jarus rufen.
"Ich will aber nicht ruhig bleiben!" , knurrte ich und fuhr zu Jarus herum. Will, Susanne, Falsa und alle anderen erstarrten. Ich spürte Hitze in meinem Brustkorb aufflammen. Die Flammen loderten in meinem Maul.
"Achtung!" , schrie jemand.
Ich schoss einen gewaltigen Feuerstrahl auf die Gruppe. Die sprangen zur Seite und das Feuer explodierte in einem der Bäume.
Erschrocken sah ich das Feuer an. Hatte ich das getan?
"Nein, das wollte ich nicht. Ich...", jaulte ich.
Dann war Falsa da und schoss etwas auf mich ab.
Alles um mich herum wurde schwarz und die Dunkelheit hüllte mich ein.

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Sorry hat etwas länger gedauert. Aber ich versuche die Kapitel auch länger zu machen. Danke, dass ihr schon so weit gelesen habt😉😇

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